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Start-up in Thalwil
Mit seiner riesigen Flüssig­batterie soll die Energiewende gelingen

Thalwil, Start-up Unbound Potential entwickelt vielsprechende Flussbatterie, Gruender David Taylor, Dank dieser Batterie soll es künftig möglich sein, Energie langfristig zu speichern, was das Problem des winterlichen Energiemangels beheben würde. 2025 startet ein erster Test mit der riesigen Solarpanel-Anlage auf der Tennishalle in Thalwil, 3.9.24, Foto: Manuela Matt, manuelamatt.ch
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In Kürze:
  • Ein Thalwiler Start-up entwickelt eine neue Flüssigbatterie zur Speicherung von grüner Energie.
  • Der «Clou» ist, dass die Batterie ohne Membran auskommt, was die Kosten massiv senkt.
  • Beim ersten Praxistest soll die Batterie den Strom einer der grössten Solaranlagen der Region speichern. Die Batterie selbst wird das Format zweier Schiffscontainer haben.
  • Der CEO ist überzeugt, dass diese Technologie einen entscheidenden Beitrag zur Energiewende leisten kann.

David Taylor hat sich eine Schraube auf den Arm tätowieren lassen. «Schrauben faszinieren mich», sagt der 37-Jährige. «Sie sind simpel und doch komplex.» Zudem habe die Erfindung der Schraube die Industrie stark geprägt.

Nun arbeitet Taylor selbst an einer bahnbrechenden Technologie. Mit Schrauben hat sie nichts zu tun, sondern mit Batterien. Was genau, zeigt der Maschinenbau­ingenieur bei einem Besuch im Thalwiler Gewerbegebiet. Dort, direkt hinter dem Baumarkt Jumbo, haben sich Taylor und sein Team in einem Bürogebäude eingemietet.

Jung, gebildet, international

Zügigen Schrittes führt der Deutsche durch die Räumlichkeiten. Er und vier andere ETH-Forschende haben im Januar 2023 hier begonnen. Zusammen gründeten sie ein Start-up namens Unbound Potential. Taylor übernahm die Rolle des Geschäftsführers. Inzwischen beschäftigt das Unternehmen zwanzig Personen, die meisten studierten an der ETH. Das Team ist jung und international. Es wird Englisch gesprochen.

So auch in einem kleinen Raum, der zu einem Chemielabor umgebaut wurde. Drei Angestellte in weissen Kitteln experimentieren gerade mit verschiedenen Flüssigkeiten und Pulverstoffen. Auf der Tischfläche nebenan steht das Herzstück, um das sich hier alles dreht: eine faustgrosse Flüssigbatterie.

Thalwil, Start-up Unbound Potential entwickelt vielsprechende Flussbatterie, Gruender David Taylor, Dank dieser Batterie soll es künftig möglich sein, Energie langfristig zu speichern, was das Problem des winterlichen Energiemangels beheben würde. 2025 startet ein erster Test mit der riesigen Solarpanel-Anlage auf der Tennishalle in Thalwil, 3.9.24, Foto: Manuela Matt, manuelamatt.ch
Thalwil, Start-up Unbound Potential entwickelt vielsprechende Flussbatterie, Gruender David Taylor, Dank dieser Batterie soll es künftig möglich sein, Energie langfristig zu speichern, was das Problem des winterlichen Energiemangels beheben würde. 2025 startet ein erster Test mit der riesigen Solarpanel-Anlage auf der Tennishalle in Thalwil, 3.9.24, Foto: Manuela Matt, manuelamatt.ch

Das Modell ist ein kleiner Prototyp; ein Vorgeschmack auf das, was das Start-up plant: riesige Batterien für die Energiebranche. Stromkonzerne sollen damit Solarstrom oder anderen Ökostrom verhältnismässig günstig speichern können. «Wenn unser Vorhaben gelingt, wird es die Energiewende massgeblich beeinflussen», ist David Taylor überzeugt.

Konkret geht es um Flüssigbatterien des Typs Redox-Flow. Als Laie muss man natürlich erst einmal verstehen, was eine solche Flüssigbatterie ist: Anders als bei gewöhnlichen Batterien besteht das Innere dieser Flüssigbatterie nicht aus Feststoffen, sondern – wie der Name sagt – aus zwei Flüssigkeiten. Die eine ist positiv geladen, die andere negativ. Chemiker nennen die geladenen Flüssigkeiten Elektrolyte. Damit diese sich nicht vermischen, werden sie gewöhnlicherweise durch eine Membran getrennt, also durch eine ultradünne Schicht. Sie ist nur für die Ionen durchlässig, die beim Auf- und Entladen zwischen den Flüssigkeiten hin- und herwandern.

Hochsensibel und extrem teuer

«Was wir nun entwickeln, ist eine Flüssigbatterie, die keine Membran braucht», sagt David Taylor. Das klingt zunächst unspektakulär, doch Taylor erklärt: «Die Membran ist hochsensibel und extrem teuer, sie macht bis zu ein Drittel der Gesamtkosten einer Flüssigbatterie aus.»

Eine membranlose Flüssigbatterie hat also einen klaren Wettbewerbsvorteil. Im globalen Wettrennen um neue Energiespeicher­lösungen ist das Konzept einzigartig. Aber wie gelingt es dem Thalwiler Start-up, dass in seiner Batterie die beiden Elektrolyt-Flüssigkeiten sich nicht vermischen? Die Antwort ist simpel. «Es handelt sich um Stoffe, die sich – wie Wasser und Öl – nicht vermengen, sie schwimmen einfach aufeinander», erklärt Taylor und lächelt. «Das ist der ganze Clou.»

Der kleine Prototyp im Labor funktioniert bereits. Das Team tüftelt nun noch an der optimalen Zusammensetzung der Elektrolyte. Schliesslich sollen die Flüssigkeiten jahrelang während Tausender Lade- und Entladezyklen verwendet werden können, ohne dabei Speicherkapazität einzubüssen.

12.11.2021, Brandenburg, Werneuchen/ Ot Löhme: Der größte Solarpark in Deutschland wurde mit einem offiziellen Festakt eröffnet. Der Solarpark ist schon seit einem Jahr am Netz. (Luftaufnahme mit einer Drohne) Foto: Christophe Gateau/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ (KEYSTONE/DPA/Christophe Gateau)

Zum Einsatz kommen soll die Thalwiler Batterie dereinst im ganz grossen Stil. «Potenzielle Abnehmer sind zum Beispiel Betreiber von grossflächigen Solarparks oder von Windkraftanlagen», sagt Taylor. Denn an diesen erneuerbaren Energien haftet ein Makel: Sie produzieren nur dann Strom, wenn die Sonne scheint respektive der Wind weht.

«Mit unserem Batteriesystem könnten die Betreiber überschüssigen Strom über mehrere Stunden oder Tage effizient speichern und dann ins Netz einspeisen, wenn Wind und Sonne fehlen.» Gleichzeitig würde somit die Abhängigkeit von Gas-, Kohle- und Kernkraftwerken verschwinden.

Hunderte Bewerbungen erhalten

Es ist eine Vision, die nicht nur das Start-up selbst zu überzeugen scheint. Dafür spricht die Geldsumme, die es aus drei Förderprogrammen in der Schweiz und Deutschland erhalten hat. Rund 7,5 Millionen Franken sind es, «ein crazy hoher Betrag», kommentiert David Taylor.

Und auch auf dem Arbeitsmarkt ist das Interesse an Unbound Potential gross. Als das Jungunternehmen letzten Sommer fünf neue Stellen schuf, bewarben sich mehrere Hundert hoch qualifizierte Fachkräfte aus aller Welt darauf.

In der unmittelbaren Nachbarschaft stösst die Vision ebenfalls auf Anklang: Der Gesundheitspark Thalwil, der unter anderem eine grosse Tennishalle betreibt, spannt für den ersten Realitätstest mit dem Start-up zusammen. Auf den Dächern des Gesundheitsparks befindet sich eine der grössten Solaranlagen der Region. 

Thalwil, Start-up Unbound Potential entwickelt vielsprechende Flussbatterie, Gruender David Taylor, Dank dieser Batterie soll es künftig möglich sein, Energie langfristig zu speichern, was das Problem des winterlichen Energiemangels beheben würde. 2025 startet ein erster Test mit der riesigen Solarpanel-Anlage auf der Tennishalle in Thalwil, 3.9.24, Foto: Manuela Matt, manuelamatt.ch

Das Start-up will im Rahmen eines Pilotprojekts eine Flüssigbatterie an die 3000 Quadratmeter grosse Anlage anschliessen. Die Batterie wird sich in zwei sechs Meter langen Schiffscontainern befinden, die auf dem Parkplatz des Gesundheitsparks aufgestellt werden. Die Container werden rund 14’000 Liter Elektrolyt-Flüssigkeiten enthalten, die die Energie speichern.

Solche Grosstanks will Unbound Potential dereinst auch bei seinen Kunden aufstellen. Allerdings werden dann je nach Anlage Dutzende Tanks nötig sein.

Doch das ist Zukunftsmusik. Das Start-up hat nun vor allem den Praxistest vor Augen. «Da werden wir viele wertvolle Erfahrungen machen können, die mit dem Minimodell im Labor nicht möglich sind», sagt David Taylor. Roland Steiner, der Besitzer des Gesundheitsparks, hat ebenfalls grosse Hoffnungen. «Langfristig würde uns eine solche Batterie ermöglichen, über den ganzen Tag mit dem eigenen Solarstrom auszukommen.»

«Eine verrückte Geschichte»

Eigentlich würde die Fotovoltaikanlage heute schon mengenmässig genügend Strom für den Eigengebrauch produzieren, «aber eben nur tagsüber bei Sonnenschein», sagt Steiner. Am frühen Morgen und in den Abendstunden sei er auf eingekauften Strom angewiesen.

Für Unbound Potential ist der Praxistest in der Nachbarschaft ein Glücksfall. Doch die Zeit drängt. Die Fördergelder laufen Mitte 2026 aus. Bis dann muss die Batterie so weit entwickelt sein, dass auch Investoren bereit sind, dem Start-up ihr Geld anzuvertrauen. 

«Der Zeitplan ist sportlich und der Druck hoch», sagt CEO David Taylor. «Eigentlich ist es eine ziemlich verrückte Geschichte, auf die wir uns da eingelassen haben.» Der ehemalige Dozent und zweifache Vater bereut trotzdem nicht, dass er seinen sicheren Job bei der ETH aufgegeben hat. «Wenn alles klappt, können wir mit unserer Batterie echt einen Unterschied machen und die Energiewende vorantreiben.»