«Terrifier 3»Bei diesem Horrorfilm sind Triggerwarnungen absolut berechtigt
Hier fliehen die Zuschauer buchstäblich aus dem Kino: «Terrifier 3» führt bei aller Grenzwertigkeit vor, was Liebe zum Film bedeutet.
- «Terrifier 3» ist ein brutaler, aber erfolgreicher Splatter-Horrorfilm von Damien Leone.
- Der Film feiert das kreative Filmemachen, gerade durch sein minimales Budget von nur 2 Millionen Dollar.
- Die Figur «Art, der Clown» ist mit prägnanter Pantomime ein zentrales Merkmal der Reihe.
Wie immer man die Inflation der Triggerwarnungen auch findet, die seit einigen Jahren so vielen Videos oder Texten vorangestellt werden: Bei dem Film, über den wir hier sprechen, sind sie absolut berechtigt. Es ist ein Film, bei dem man das Publikum vor manchen Stellen nicht mal richtig warnen kann. Weil man sie dann beschreiben müsste, und damit wäre der Schaden schon angerichtet.
Also: Leute, die zu «Terrifier 3» ins Kino gehen, sollten mindestens Blut sehen können. Sie sollten den Anblick von schwerwiegenden Fleischwunden ertragen, auch wenn es nur Filmeffekte sind, von fliegenden Körperteilen und skalpierter Kopfhaut. Wer Traumata oder sonstige frühkindliche Fehlprägungen zu Themen wie Kettensägen, Hackebeilen und Ratten hat, sollte auf jeden Fall daheimbleiben.
Wer wegen Triggerwarnungen fernbleibt, muss allerdings damit leben, eine Menge zu verpassen. «Terrifier 3», der neue Splatter-Horror-Slasher-Grenzerfahrungsfilm des US-Regisseurs Damien Leone, setzt sich zwar allen nachvollziehbaren Debatten aus, die jene Gewaltbilder im Kino kritisieren, die über die Grenzen des Handlungsnotwendigen hinaussägen.
Zugleich ist Leones zweistündiges, mit 2 Millionen Dollar Produktionsbudget lachhaft billiges Werk aber auch eine wahre, rauschende Feier des Filmemachens. Ein bunt geschecktes, mit maximaler Verve die Elemente jonglierendes Ding aus dem Sumpf.
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Damit führt ausgerechnet ein schlockiger Genre-Bastard aus Schlachtfest und Multireferenz-Arthouse eine Qualität vor, von der man erst merkt, wie arg man sie vermisst hat, wenn man sie im Kino wieder einmal erlebt. Weil man jeder Minute die ungläubige Begeisterung anzusehen glaubt, mit der die Macherinnen und Macher sich selbst dabei beobachtet haben, wie sie aus ihren fixen, kindischen Ideen einen realen, lebenstüchtigen Film dengelten. Auch wenn ihnen dabei ab und zu der Gaul durchging.
Und noch während in der Stuttgarter Staatsoper die Leute umkippten, weil ihnen die Körper in Florentina Holzingers «Sancta»-Performance zu viel wurden, kam zum internationalen «Terrifier 3»-Start ähnliche Kunde übers Meer. Elf Menschen, so hiess es, seien schockiert aus der London-Premiere geflohen, ein weiterer übergab sich. Das ist die Art von Kinomythen, wie wir sie – wahr oder gut erlogen – schon aus den Siebzigern kennen, vom «Exorzist» oder vom «Weissen Hai».
Nach dem ersten Wochenende führte «Terrifier 3» mit fast 19 Millionen Dollar Umsatz das gesamte Box-Office-Ranking an, als erfolgreichster Film der USA – vor «Der wilde Roboter», «Beetlejuice Beetlejuice» und dem vernichtend geschlagenen «Joker: Folie à Deux». Obwohl Leones Werk in nur 2500 Kinosälen lief (bei Blockbustern sind es bis zu 4000). Eine heitere Theorie besagt, dass auch der «Wilde Roboter» einen Teil seines Erfolgs dem «Terrifier» verdankt. Weil viele Minderjährige sich angeblich Tickets für die Dreamworks-Animation kaufen, um dann hintenrum in den Horrorsaal zu schleichen.
Auch viele Minderjährige, so geht die Legende, haben sich in «Terrifier 3» geschlichen
Worum geht es? Wie meist im Slasher-Genre ist es schnell erzählt. Das Mädchen Sienna kommt nach dem Grauen des zweiten Teils aus der Psychiatrie nach Hause. Und bemerkt, dass in der Nachbarschaft die Morde wieder losgehen. Offenbar ist der tot geglaubte Serienkiller wieder hinter ihr her. Und entweiht damit zu allem Überfluss auch noch die selige Vorweihnachtszeit.
Es ist vor allem die Killerfigur, die die «Terrifier»-Reihe vom obskuren Crowdfunding-Projekt zum Millionending gemacht hat. Art, der Clown, erscheint nur mit greller Maske und Zirkuskostüm, kommuniziert ausschliesslich durch bizarre Pantomimen. Auch in seine bestialischen Tötungschoreografien baut er Elemente aus der Spassmacherpraxis ein. Wie sich das Tom-und-Jerry-Cartoonhafte und die unerbittliche Brutalität hier miteinander verschlingen, akrobatisch gespielt vom Nobody David Howard Thornton, hat man in einem Horrorfilm so noch nicht gesehen.
Viele stellen den «Terrifier»-Protagonisten schon jetzt in eine Reihe mit Kanonfiguren wie Freddy Krueger aus den «Nightmare»-Filmen oder Jigsaw aus «Saw». Anders als sie hat der Clown allerdings keinerlei Vorgeschichte, keine Risikobiografie, die erklären oder im Zweifel entschuldigen könnte, warum er zum Mörder wurde.
Schon «Terrifier 2» erregte immenses Aufsehen
Wieso ist der Film so erfolgreich? «Ich kann es nicht weniger bescheiden formulieren: Über die Jahre habe ich einen verlässlichen Instinkt dafür entwickelt, was gut funktioniert und was Horrorfans im Kino vermissen», sagt Regisseur Damien Leone im Zoom-Interview. Er sitzt in einem Hotelzimmer in Miami, wo ihm die Leute gerade auf der «Nightmare Weekend»-Convention die Clown-T-Shirts und Autogrammposter aus den Händen gerissen haben.
Leone startete als Make-up-Künstler bei kleinen Produktionen, lieh sich 2015 vom Produzenten Phil Falcone 35’000 Dollar für den ersten Film der Reihe. Falcone ist noch heute sein einziger fester Firmenpartner, zusammen halten sie alle Markenrechte an Art, dem Clown. Fürs erste Sequel organisierten sie 2022 eine Viertelmillion, das Drehbuch schrieb Leone vor allem im Kleinbus, mit dem er als Kurierfahrer Blumen auslieferte.
«Terrifier 2» erregte mit 15 Millionen Umsatz schon immenses Aufsehen, brachte den 1200 Crowdfunding-Investoren eine fantastische Rendite. Und die Studios meldeten sich bei Leone. «In den Gesprächen wurde mir aber schnell klar, dass mir viel zu viele fremde Augen über die Schulter schauen würden», erzählt er. «Das Risiko, dass mich das zwingen könnte, vom grossen Plan für die Saga abzuweichen, war mir zu gross.»
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Es lebe die B-Movie-Kultur
Filmemacher, die mit so wenig Budget so guten Umsatz machen, sind allerdings widerspruchslos beliebt. Für den vierten Teil haben die Unterhändler schon neue Termine mit ihm eingestellt – wobei es schwerfällt, sich eine Hollywood-Version des «Terrifier» vorzustellen, dieser Reihe, die so essenziell von den sturen Idealismen und auch Krankheiten der B-Movie-Kultur lebt.
Von der transgressiven Grenzenlosigkeit, den oberschlauen Kubrick-, Fulci-, Spielberg- und Hitchcock-Anspielungen. Aber auch von den riesigen Löchern in Logik und Dramaturgie, die kurz vor dem Finale aufplatzen. «Der Spruch, dass die Leute es nun mal lieben, erschreckt zu werden, greift mir viel zu kurz», sagt Leone. «Wir sind uns pausenlos unserer eigenen Sterblichkeit bewusst, ob wir es merken oder nicht. Sich mit anderen im Kino mit dieser Erfahrung zu konfrontieren, das ist, als würde man gemeinsam dem Teufel ins Gesicht lachen: ‹Wir sind hier, wir sind stark. Was willst du noch von uns?›»
«Terrifier 3» von Damien Leone. Im Kino.
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