Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Exotische Tennis-Welt
Sie werden einzig dafür bezahlt, dass sie Sitze füllen – und still sind

epa11669655 Jannik Sinner of Italy and Carlos Alcaraz of Spain pose with their trophies after final match at the Six Kings Slam exhibition tennis tournament in Riyadh, Saudi Arabia, 19 October 2024.  EPA/STR
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk
In Kürze:
  • In Saudiarabien werden bezahlte Fans eingesetzt, um leere Stadien zu füllen.
  • Ein Informant aus Jidda berichtet, er verdiene Geld als Fan-Darsteller.
  • Diese Statisten erhalten umgerechnet 23 Franken für ihre Anwesenheit bei Spielen.

Ohne Zuschauer machen Sportevents nur halb so viel Spass. Wenn überhaupt. Das wissen wir spätestens seit der Corona-Pandemie und den Spielen in leeren Stadien. Jeder Anlass, der etwas auf sich hält, rechnet der Öffentlichkeit danach vor, wie viele Leute gekommen sind. Die Grand-Slam-Turniere verzeichnen jedes Jahr neue Zuschauerrekorde. Doch was tun, wenn niemand kommen will? Dieses Problem stellt sich im Tennis seit einigen Jahren. Seit grosse Events in totalitären Staaten wie China und Saudiarabien stattfinden.

Im Nachgang zum Six Kings Slam im saudischen Riad, der lukrativsten Exhibition in der Geschichte des Tennis, erzählte nun ein Einwohner der saudischen Hafenstadt Jidda, wie man im Wüstenstaat die Stadien füllt. Er meldete sich beim US-Investigativjournalisten Ben Rothenberg, nachdem dieser über die umstrittenen Schaukämpfe berichtet hatte. Weil der Informant anonym bleiben wollte, nannte ihn Rothenberg in seiner Story Fahd.

Vier Stunden sitzen, mehr nicht

Während der Next-Gen-Finals, dem Saisonabschluss der besten Spieler unter 21, die im vergangenen Dezember erstmals in Jidda stattfanden, wurde Fahd von einem Freund ein kurzfristiges Jobangebot via Whatsapp weitergeleitet: als bezahlter Fan. Das leere Stadion in den Gruppenspielen, an denen auch der Berner Dominic Stricker teilnahm, hatte den Organisatoren Kritik eingetragen. So boten sie für den Final zwischen Hamad Medjedovic und Arthur Fils möglichst viele Leute auf, um einen Teil der Sitze zu füllen: Für 100 saudische Riyal, rund 23 Franken, mussten diese nichts anders tun, als vier Stunden Präsenz zu markieren.

Für Fahd, der sich mit verschiedenen Jobs durchschlägt, eine einfache Art, etwas Geld zu verdienen. In einem Google-Formular trug er seine persönlichen Daten ein und bestätigte, keine chronischen oder ansteckenden Krankheiten zu haben. Am Finaltag wurden die Statisten – Fahd schätzt rund 700 – auf einem Parkplatz von Bussen abgeholt und zum Stadion gefahren. Unter anderem wurden sie angewiesen, geschlossene Schuhe zu tragen und sich während des Spiels ruhig und gesittet zu verhalten, wie es sich im Tennis gehört. Wer sich nicht daran hielt, dem wurde eine Lohneinbusse angedroht.

Ein Supervisor sorgt für gebührendes Verhalten

Der Trip zum Final wurde von der saudischen Firma «Trip P Events» organisiert. Die Organisatoren waren sich sehr wohl bewusst, dass die bezahlten Fans keine Ahnung vom Tennis hatten. Deshalb wurden diese in Gruppen von 15 bis 20 Personen eingeteilt, bei denen jeweils ein Supervisor für Ruhe und Ordnung sorgte. So richtig Spass sei da nicht aufgekommen, erzählt Fahd dem US-Journalisten Rothenberg. «Uns wurde verboten, zu feiern, zu trinken oder zu essen, um die Leute, die für ihre Anwesenheit bezahlt hatten, nicht zu stören.»

Noch bevor Medjedovic seinen Sieg feierte, wurden die bezahlten Fans aus der Arena geschafft, um zu verhindern, dass sie später den anderen im Weg stehen, wenn diese das Stadion verlassen. Alle Statisten erhielten ihre 100 saudischen Riyal und wurden mit dem Bus zurückgefahren. Man dankte ihnen und ermunterte sie, sich in einer anderen Google-Liste für weitere Einsätze einzutragen. Sie hatten ihren Job gut erfüllt. Dank ihnen und geschickter Kameraeinstellungen sah es so aus, als sei die Halle während des Finals tatsächlich voll. Was gemäss Fahd überhaupt nicht stimmte.

JEDDAH, SAUDI ARABIA - DECEMBER 02: Arthur Fils of France plays a backhand to Hamad Medjedovic of Serbia in the final during day five of the Next Gen ATP Finals at King Abdullah Sports City on December 02, 2023 in Jeddah, Saudi Arabia. (Photo by Adam Pretty/Getty Images)

Am Six Kings Slam in Riad, so schien es, kam nun sogar richtig Stimmung auf während der Matchs. Wobei die verdunkelten Tribünen keine Schlüsse zuliessen, wie viele der 8000 Sitze tatsächlich besetzt waren. Die Eventfirma dürfte auch da Leute bezahlt und ins Stadion gekarrt haben.

Der saudische Staatsfonds klotzt

Anders als normale Tennisturniere war der Six Kings Slam, finanziert vom saudischen Staatsfonds, nicht auf Ticketeinnahmen angewiesen. Er ist finanziell ein grosses Verlustgeschäft. Der Benefit für die Saudis ist ein anderer: Dass sich die prominentesten Tennisspieler von ihnen kaufen und für Promoaktivitäten einspannen liessen. Selbst Rafael Nadal, der kurz zuvor seinen Rücktritt angekündigt hatte.

Während Jannik Sinner als Sieger 6 Millionen Dollar einstrich und behauptete, er sei nicht wegen des Geldes in Saudiarabien angetreten, war Carlos Alcaraz wenigstens ehrlich. Auf die Aussage Sinners angesprochen, sagte er: «Ich liebe es, Tennis zu spielen. Die meiste Zeit denke ich nicht ans Geld, sondern spiele nur aus Liebe zum Sport. Aber man muss realistisch sein. In Arabien gab es das höchste Preisgeld der Geschichte. Das war eine gute Motivation, zumindest für mich.»