Multitalent Arthur FilsEr hätte gern bei Real Madrid gekickt, nun erobert er das Tennis
Der 20-Jährige aus einem Vorort von Paris soll der erste französische Grand-Slam-Champion seit Yannick Noah werden. Doch sein Vorbild ist ein anderes: Roger Federer.
- Arthur Fils ist eine der Attraktionen an den Swiss Indoors.
- Sein Vater entdeckte früh sein Talent und förderte ihn.
- Fils gewann zwei ATP-500-Turniere und wird als grösste französische Hoffnung gesehen.
- Trainer Sébastien Grosjean lobt seinen Arbeitswillen und seine Bodenständigkeit.
Gemeinsam mit dem Kind ein Hobby zu beginnen, kann sehr befruchtend sein. Man verbringt Zeit miteinander und lernt erst noch etwas Neues. Das sagte sich wohl auch Jean-Philippe Fils, als er parallel zu seinem Sohn Arthur Tennisstunden nahm, sich als Autodidakt zum Trainer weiterbildete und danach seinen Sohn zu coachen begann. Eigentlich war Basketball der Sport des Vaters gewesen, doch er erkannte bei Arthur schnell eine grosse Begabung im Tennis und förderte ihn. Dieser spielte auch leidenschaftlich gern Fussball und machte Leichtathletik und Judo.
Wäre er im Fussball gleich talentiert gewesen wie im Tennis, hätte er da eine Karriere eingeschlagen und zuerst bei PSG und dann bei Real Madrid gespielt, sagt Arthur Fils verschmitzt lächelnd. Doch es sollte nicht sein für den grossen Fussballfan. Mit seiner Wahl fürs Tennis darf er aber zufrieden sein. Inzwischen ist Fils mit 20 der jüngste Spieler in den Top 20 der Welt, die nächste grosse französische Hoffnung und diese Woche eine der Attraktionen an den Swiss Indoors in Basel.
Sein Vater wuchs in Haiti auf
Die Athletik habe er von seinem Vater, sagt er. Der heute 49-jährige Jean-Philippe stammt ursprünglich aus Haiti, seine Familie zog nach Frankreich, als er zehn war. Arthur ist stolz auf seine Wurzeln väterlicherseits und betont, dass sich Haiti 1804 als erster Staat in der Karibik die Unabhängigkeit von Frankreich erkämpfte und sich der Sklaverei entledigte. Und er liebt die haitianische Küche: viel Reis mit gekochten Bananen, weissen und grünen Bohnen und frischem Fisch.
Das gemeinsame Hobby von Vater und Sohn Fils wurde schnell ernst. Mit 13 zog Arthur von Essonne, einem Vorort von Paris, nach Poitiers ins Förderzentrum und später nach Paris ins nationale Leistungszentrum. Die frühe Ablösung sei ihm leichtgefallen, sagt er. «Für meine Eltern war es schwieriger. Für mich war es supercool. Ich konnte mit meinen Freunden zusammen sein, spielte Tennis und ging daneben noch zur Schule.»
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Als er Ende Mai 2023 in Lyon seinen ersten ATP-Titel gewann, standen Roland Garros und die Festivitäten anlässlich des 40. Jahrestages des Pariser Triumphs von Yannick Noah vor der Tür. Und natürlich lagen die Vergleiche mit dem charismatischen Rastamann nah.
Viele würden sich wünschen, dass Fils der nächste Noah wird. Doch diese Bürde will er sich nicht aufladen. Er sagt: «Noah ist ein supernetter Typ. Aber ich habe mir seine Matchs nie gross angeschaut. Das war lange bevor ich geboren wurde. Es war eine andere Epoche im Tennis.»
Fils ist wie einst Noah kräftig und explosiv. Aber er spielt konventioneller, aufbauend auf einem guten Aufschlag und einer krachenden Vorhand. Noah spielte mit viel Flair und stürmte immer wieder ans Netz.
Obschon auf Noah zahlreiche französische Topspieler folgten und Jo-Wilfried Tsonga, Richard Gasquet, Gaël Monfils und Gilles Simon als die neuen Musketiere bezeichnet wurden, ging die Grande Nation an den Grand Slams seitdem leer aus. Nur Cédric Pioline (US Open 1993, Wimbledon 1997), Arnaud Clément (Australian Open 2001) und Tsonga (Australian Open 2008) erreichten nach Noah einen Major-Final. Alle verloren.
Man solle die jungen, aufstrebenden Franzosen wie Fils (ATP 20) und Giovanni Mpetshi Perricard (50) nicht zu sehr unter Druck setzen, sagt Sébastien Grosjean. Der 46-Jährige ist seit Sommer und der Trennung von Sergi Bruguera der alleinige Coach von Fils und scheint die richtigen Worte zu finden. Sein Schützling gewann seitdem zwei ATP-500-Turniere: im Juli auf Sand in Hamburg und vor drei Wochen in Tokio. Im Hamburg zeigte sich Fils nervenstark, als er im Finish des Endspiels gegen Alexander Zverev wegen Krämpfen von unten aufschlug, von seinem Gegner angefeindet und vom Publikum ausgepfiffen wurde.
Fils ist jünger als die Kinder seines Coachs
«Arthur ist ein guter Junge», sagt Grosjean und fügt schmunzelnd an: «Und er ist sogar jünger als einige meiner Kinder. Die sind 26, 22 und 18.» Er möge seinen riesigen Arbeitswillen und seine warmherzige, geerdete Art. Nur bei Themen abseits des Tennis sind sie sich manchmal nicht einig. Grosjean möchte immer früh genug am Flughafen sein, um nicht in den Stress zu geraten. Zwei, lieber drei Stunden vorher. «Ich bin da ein bisschen entspannter», sagt Fils. «Und ich glaube, das färbt langsam auf ihn ab.»
Das Kraftpaket ist auch jünger als die Schweizer Hoffnungen Jérôme Kym (21), Dominic Stricker und Leandro Riedi (beide 22), wirkt aber sehr reif und selbstbewusst. Weil er, der älteste dreier Geschwister, schon früh auszog, musste er in jungem Alter selbstständig werden. Inzwischen hat er seinen Wohnsitz und seine Trainingsbasis nach Dubai verlegt. «Es ist der perfekte Ort, um zu trainieren», sagt er. «Man kann immer im Freien spielen, weil es stets warm ist. Und Dubai befindet sich in der Mitte der Welt, man kommt von da ziemlich schnell überallhin.»
Er mag Monfils und bewundert Federer
Die Generation um Tsonga, Monfils, Gasquet und Simon hat ihn geprägt. Sein Coach vergleicht ihn am ehesten mit Tsonga, wegen seines Arbeitswillens und seines Spiels. Fils mag von diesem Quartett aber Monfils am liebsten. «Weil er so authentisch ist, mit dem Publikum spielt und so viel Energie ausstrahlt. Er ist einfach sympathisch.»
Sein Vorbild war aber stets Roger Federer, «weil es so wunderschön war, ihm zuzuschauen». Der Baselbieter bestritt 2019 seinen letzten Match an den Swiss Indoors, als er im Final gegen Alex De Minaur den zehnten Titel errang. Die Geschichte von Arthur Fils im Tennis der Grossen beginnt erst so richtig.
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