Notoperation bei Andrei RublewDie dramatischen Stunden eines Tennis-Stars
Andrei Rublew unterzog sich in Barcelona einem Eingriff im Unterleib – gerade noch rechtzeitig. In Basel kämpft er als Topgesetzter gegen die Konkurrenz und seine eigenen Dämonen.
- Andrei Rublew erlitt nach dem US Open eine Hodentorsion.
- Er musste sich einer Notoperation unterziehen und hatte viel Glück.
- Der Russe kämpft mit emotionalen Ausbrüchen und versucht es mit Meditation.
- Er arbeitet mit einer Sportpsychologin, um sich emotional zu verbessern.
Man kennt es. Plötzlich tut einem etwas weh, und man denkt: Ach, es lohnt sich nicht, zum Arzt zu gehen, der Schmerz wird schon wieder verschwinden. So erging es Andrei Rublew, nachdem er nach dem US Open in seine Trainingsbasis in Barcelona zurückgekehrt war. Er kam eines Vormittags vom Fitness, sass vor dem Tennistraining noch fünf Minuten hin und checkte sein Handy, als er in seinem Unterleib ein Stechen verspürte und die Schmerzen nach unten in den Intimbereich wanderten. Ein höchst unangenehmes Gefühl.
«Es kam aus dem Nichts, und ich dachte: Ich warte mal ein bisschen, es wird schon wieder weggehen», erzählt der Russe an den Swiss Indoors. «Also wartete und wartete ich, doch das Stechen verschwand nicht. Ich versuchte, ein bisschen Tennis zu spielen, doch ich konnte mich kaum bewegen. Es machte keinen Sinn. Also brachen wir ab.» Sein Team riet ihm, sich im Spital untersuchen zu lassen, aber er winkte zunächst ab. So schlimm sei es nun auch wieder nicht. Doch dann liess er sich überzeugen und ins Spital fahren.
Direkt zur Notoperation
Der 27-Jährige erzählt das Ganze so ruhig, als erkläre er gerade sein Rezept für einen Schokoladenkuchen. Dabei wird es nun dramatisch: «Als sie mich untersucht hatten, brachten sie mich direkt zur Notoperation. Denn das Blut floss nicht mehr in meine Hoden.» Hoden und Samenstrang waren verdreht, sodass die Durchblutung des Hodens blockiert war.
Der medizinische Fachbegriff dafür ist Hodentorsion, und damit ist nicht zu spassen. Das wurde Rublew im Spital sofort klargemacht. «Ich hatte grosses Glück, denn wenn du fünf, sechs Stunden wartest, sind die Hoden abgestorben», erklärt er.
Mit dem Anflug eines Lächelns fährt Rublew fort: «Bevor sie mich in Vollnarkose versetzten, musste ich eine Erklärung unterschreiben, dass ich der Entfernung meiner Hoden zustimme, wenn etwas schiefgeht.» Er unterschrieb und wurde ins Reich der Träume geschickt.
Als er nach einigen Stunden wieder aufwachte, bekam er die gute Nachricht: Die OP war gelungen. Tags darauf konnte er das Spital schon wieder verlassen. Wegen der Narbe musste er einige Tage noch etwas vorsichtig sein, damit sich nichts entzündete. Zwei Wochen später flog er schon ans nächste Turnier in Peking.
Da alles gut gegangen sei, könne er das Ganze so ruhig erzählen, sagt Rublew. «Aber lustig war es natürlich nicht. Eine ziemlich schräge Geschichte.» Im schlimmsten Fall wäre sogar seine Zeugungsfähigkeit beeinträchtigt worden. Und Rublew mag Kinder, ist der Götti von Alicia, der einjährigen Tochter von Daniil Medwedew, dem anderen Russen in den Top 10.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Selbst hat Rublew noch keine Pläne, eine Familie zu gründen. Sein Fokus liegt darauf, sich als Tennisspieler zu finden und seine Emotionen auf und neben dem Court besser zu kontrollieren. Denn er ist bekannt für seine spektakulären Wutausbrüche. Als er vergangene Woche in Stockholm gegen den entfesselten Stan Wawrinka verlor, schlug er mit seinem Racket wild um sich. Doch das war noch harmlos für seine Verhältnisse.
Am ATP-Finale 2023 in Turin schlug er sich im Spiel gegen Carlos Alcaraz sein Knie mit dem Schläger blutig und musste behandelt werden. In Dubai wurde er im April dieses Jahres in der Endphase seines Halbfinals gegen Alexander Bublik disqualifiziert, weil er in seinem Frust einen Linienrichter angeschrien hatte.
Auf der Tour gilt Rublew als liebenswürdig, doch in der Hitze des Gefechts verliert er oft die Nerven. Für seinen Wutausbruch in Dubai entschuldigte er sich später mit einer Videobotschaft auf den sozialen Medien. «Es ist inakzeptabel, andere Menschen anzuschreien. Egal, ob das ein Linienrichter oder eine Zuschauerin ist. Und egal, ob die andere Person richtig- oder falschlag. Es tut mir sehr leid.» Er hoffe, daraus seine Lehren zu ziehen und sich zu bessern.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Im Sommer unterhielt er sich darüber mit Marat Safin, der ebenfalls ein Hitzkopf war, sich aber in wichtigen Phasen beherrschen konnte, zwei Grand-Slam-Titel gewann und sogar kurz die Nummer 1 wurde. Rublew hingegen versagen in den entscheidenden Momenten oft die Nerven. Obschon er bereits seit mehreren Jahren in den Top 10 ist und den Ball mit der Vorhand so gut beschleunigen kann wie nur wenige, hat er noch nie einen Grand-Slam-Viertelfinal gewonnen. Zehnmal kam er so weit, zehnmal verlor er.
Er versucht, ruhiger zu werden
«Ich bin immer noch daran, meinen Weg zu finden», sagt er in Basel. «Es ist nicht einfach. Jeder Mensch hat seine Kämpfe auszutragen. Ich versuche, Gewohnheiten zu entwickeln, um ruhiger zu werden im alltäglichen Leben. Etwa durch Meditation. Wenn du dich in deinem normalen Leben schlecht fühlst, fühlst du dich auch schlecht in deinem Job. Wenn du mit dir im Reinen bist, wirkt sich das auf alles positiv aus. Es ist alles miteinander verknüpft.»
In Drucksituationen auf dem Court kommt bei Rublew alles an die Oberfläche. Und während er versucht, sich in seiner eigenen Haut allgemein wohler zu fühlen, analysiert er mit einer Sportpsychologin seine Matchs. «Wir sprechen darüber, was ich in gewissen Situationen gefühlt habe. Wieso ich frustriert war, wie ich mich da emotional noch verbessern kann. Und ich versuche nun, auch aus meinen schlechtesten Matchs etwas Positives zu ziehen.»
Es ist immer eine Ansichtssache, wie man die Dinge beurteilt. In einer Saison mit wenigen Glanzpunkten ist Rublew immerhin noch die Nummer 7 der Welt und auf gutem Weg, sich zum fünften Mal in Serie für das ATP-Finale der besten Acht zu qualifizieren. Und vielleicht helfen ihm ja der jüngste Schreck und seine erfolgreiche Notoperation, die Dinge künftig richtig zu gewichten, wenn er wieder einmal einen wichtigen Ball verschlagen hat.
Fehler gefunden?Jetzt melden.