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Demonstrationen in Russland
Tausende Festnahmen bei Protesten von der Ostsee bis zum Pazifik

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Im sibirischen Jakutsk protestierten die Menschen bei minus 50 Grad, in der Exklave Kaliningrad bei strömendem Regen. «Nieder mit dem Zaren», riefen sie vor dem Winterpalast in Sankt Petersburg, in Jekaterinburg bewarfen sie die Polizei mit Schneebällen.

In mindestens 85 russischen Städten, verteilt über elf Zeitzonen, haben Zehntausende Menschen am Samstag gegen Präsident Wladimir Putin protestiert. Es gab am Abend noch keine zuverlässigen Zahlen, aber es waren so viele wie seit Jahren nicht. Auch die grosse Spannweite dürfte dem Kreml Sorgen machen: Die Protestwelle, die da von Chabarowsk im Fernen Osten bis nach Kaliningrad rollte, überspannt mehr als 9000 Kilometer Luftlinie – und auch alle Altersgruppen.

Hartes Vorgehen der Sicherheitskräfte: In Moskau werden Protestierende gewaltsam zurückgedrängt.

Besonders gross waren die Menschenmassen in Moskau und Sankt Petersburg. Entsprechend nervös und mitunter gewaltsam reagierte die Polizei, die Metrostationen und Plätze absperrte. Spezialkräfte, gerüstet, um sich ihren Weg durch die Massen zu schlagen, trugen oder schleiften Protestierende zu den Polizeibussen. Vereinzelt kam es zu offenen Schlägereien, manchmal griffen Protestierende auch Einsatzkräfte an.

In Sankt Petersburg durchbrachen sie eine Polizeibarriere und fluteten die Hauptverkehrsstrasse der Stadt. In Moskau räumte die Polizei gewaltsam den Puschkin-Platz, den Startpunkt der Demo. Die Menschen verteilten sich daraufhin in der Innenstadt. Für Aufregung sorgte ein Video, in dem ein Kind festgenommen wird. Ein anderes zeigt einen Polizisten, auf dem Nacken eines jungen Mannes knien. Bis 19.30 Uhr Moskauer Zeit zählte die unabhängige Organisation OWD-Info mehr als 2100 Festnahmen landesweit.

«Putin ist ein Dieb», hiess es vom fernen Osten bis zum Westen

Es gab einen klaren Auslöser für den Protest: Der Kremlkritiker Alexei Nawalny ist am Sonntag in Moskau festgenommen worden. Nawalny ist zwar schon oft festgenommen worden, doch diesmal passierte es gleich nach seiner Rückkehr aus Deutschland und – wenn man so will – praktisch nach seiner Rückkehr von den Toten. In Deutschland hatte sich Nawalny in den vergangenen fünf Monaten von einer lebensbedrohlichen Vergiftung erholt.

Aus der Haft hat er die Menschen dazu aufgerufen, am Samstag zu protestieren. Doch die Motivation vieler Teilnehmer dürfte vielschichtiger gewesen, es kamen nicht nur glühende Nawalny-Fans zum Protest. Die Menschen demonstrierten gegen ein Regime, das seine Kritiker mundtot machen möchte und seinen Bürgern immer mehr Freiheiten nimmt. Sie demonstrierten auch gegen eine Regierung, die ihre Macht missbraucht, um sich selbst zu bereichern.

«Putin ist ein Dieb», riefen die Menschen vom Osten bis zum Westen des Landes. Das ist kein neuer Protestruf, aber einer, der dieses Mal besonders gut passte: Nawalnys Team hatte am Mittwoch ein Video über einen Palast am Schwarzen Meer veröffentlicht, das Anwesen wird den Recherchen nach von Vertrauten des Präsidenten gemanagt. «Ich habe einen Palast für eine Milliarde Dollar» stand auf einem Protestschild mit Putins Porträt. «Meine Bürger haben kein Recht auf Freiheit.»

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Nawalnys Video wurde schon über 71 Millionen Mal angeklickt – der erfolgreichste Enthüllungsfilm des Oppositionellen bisher. Dass es den Protest befeuern würde, hatten die russischen Sicherheitskräfte offenbar sofort geahnt: Am Donnerstagabend schon nahmen sie mehrere Mitarbeiter Nawalnys fest, seine Sprecherin Kira Jarmysch, den Chef seines Antikorruptionsfonds, Georgi Alburow.

Die Oppositionelle Lubow Sobol kam am Donnerstagabend zwar wieder frei, wurde am Samstag aber erneut festgenommen – zum dritten Mal in dieser Woche. Sie sagte gerade einigen Journalisten, wie froh sie über die vielen Teilnehmer sei, als Omon-Spezialkräfte sie umkreisten und wegbrachten. Auch Nawalnys Ehefrau Julia Nawalnaja nahmen Polizisten in der Moskauer Innenstadt fest. Am Abend kam sie offenbar wieder frei (lesen Sie dazu: Die Frau, die keine Angst kennt).

Deutliche Warnung an die sozialen Medien

Der Kreml hatte noch lauter als gewöhnlich vor den Protesten warnen lassen. Universitäten ermahnten ihre Studenten, nicht teilzunehmen, manche drohten mit Exmatrikulation. Die Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor drohte Onlineplattformen wie Facebook und Instagram Strafen an, wenn sie Aufrufe zum Protest nicht löschten. Sie forderte etwa die Videoplattform Tiktok und das russische Facebook-Pendant VKontakte auf, vor allem solche Einträge zu entfernen, die sich an Minderjährige richteten. Auf Tiktok hatten sich besonders viele junge Russen für Nawalny eingesetzt, Hashtags zum Thema bekamen innerhalb kurzer Zeit Klickzahlen in dreistelliger Millionenhöhe. Bei den Protesten waren dann aber nicht auffällig viele Minderjährige zu sehen.

Nawalny selbst meldete sich am Freitag mit einer Nachricht aus dem Gefängnis, freute sich über die Reaktion auf sein Palastvideo. Er wolle «für alle Fälle» klarstellen, schrieb er, dass er nicht plane, sich an den Gitterstäben vor seinem Fenster aufzuhängen oder seine Pulsadern aufzuschneiden. «Ich gehe Treppen sehr vorsichtig», schrieb er, ausserdem werde sein Blutdruck überwacht, «ein plötzlicher Herzinfarkt» stehe ausser Frage. Er wisse, so Nawalny, dass ihm «viele gute Leute draussen» zu Hilfe kommen werden.

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