TV-Kritik «Tatort»Recht bekommen und recht haben sind zweierlei
Ulrike Folkerts zelebriert ihren 80. Ludwigshafen-«Tatort» in der Doppelrolle als Untersuchungsobjekt und Ermittlerin. Sie darf weitermachen!
In die letzte Viertelstunde des neuen «Tatorts» aus Ludwigshafen hat Regisseur und Drehbuchautor Martin Eigler zwei hübsche Parallelshots eingebaut: Kommissarin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts), die von LKA-Kollege Breising wegen ihres Schusswaffengebrauchs verhört wird, nimmt endlich ihre Jacke, feuert noch zwei Zinger gegen den präpotenten Bürohengst mit der privaten Agenda ab, die diesen sprachlos zurücklassen, und geht. Im zweiten Verhörkabäuschen wiederum schnappt sich Odenthals Kollegin Johanna Stern (Lisa Bitter) ihre Jacke und rauscht ab, nachdem sie die Vorgesetzte, die es mit Einschüchterung und Nötigung versucht hat, gleichfalls richtig in den Senkel gestellt hat.
Anders gesagt: Der multiperspektivische und verschachtelte, zwischen Rückblenden und Verhörgefechten changierende Film findet zwischendurch immer wieder zur Leichtigkeit und zu kleinen Spässchen. Es dauert allerdings eine Weile bis dahin.
Der Fall dreht sich um einen erschossenen Jura-Professor, seine ehrgeizige Frau – Sandra Borgmann beeindruckt in der Episodenrolle der eiskalten Rechtsanwältin – und die Frage «Wie weit darf ein Rechtsanwalt gehen?»; und er ist an und für sich schon ziemlich kompliziert. Dass seine Auflösung entlang einer internen LKA-Ermittlung verläuft, die eine Schussabgabe in den Blick nimmt, über deren Umstände das TV-Publikum lange gar nichts weiss, macht die Sache erst mal nicht zugänglicher. Die Rückblenden, die in das Verhör hineingeschnitten werden, bringen unterschiedliche Sichtweisen und scheinbar abwegige Nebenhandlungen rund um zwei Callcenter-Angestellte ein: vertrackt.
Zum Glück steht im einenden Zentrum die Figur der streitbaren, dienstältesten «Tatort»-Kommissarin Odenthal: Es ist ihr 80. Fall, 1989 stieg sie als eine der ersten Kommissarinnen ins «Tatort»-Universum ein. Sie hält uns in ihrer Doppelrolle als Untersuchungsobjekt und Ermittlerin ebenso bei der Stange wie der zunehmende Zug der Story, welche überraschend – und vielleicht nicht wahnsinnig glaubwürdig, dafür jedoch berührend – in eine Art «Thelma & Louise»-Melodram mündet. Überhaupt: Es ist ein Frauenfilm.
Nebenbei kommt in «Dein gutes Recht» die viel diskutierte Tatsache zur Sprache, dass man in Deutschland für Schwarzfahren im Gefängnis landen kann. Auch juristische Haarspaltereien zu den Tatbeständen Verleumdung und üble Nachrede werden geschmeidig gehighlightet. Wie freilich die Suche nach einem Ersatz für die pensionierte Kommissariatssekretärin in Zeiten des Fachkräftemangels und der angeblich arbeitsscheuen Gen Z für den filmischen Comic Relief herhalten muss, ist etwas platt; aber auch hier gibt am Ende ein juristischer Fallstrick den Ausschlag. Doch, doch, Martin Eigler hat sein Thema bis in die Details und Nebenhandlungen konsequent verfolgt. Und am Schluss gelingt ihm noch ein letzter Dreh. Solide.
Fehler gefunden?Jetzt melden.