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Tariferhöhung ab Neujahr
Strom ist spottbillig, trotzdem wirds für Haushalte jetzt noch teurer

Ladestation fuer Elektro/Hybrid Autos bei der BKW. Matthias Lauterburg ist Fahrer eines Plug-in-Hybrid-Elektroautos. Das Wirrwarr unterschiedlicher Ladestation macht das Aufladen oft schwierig. Bei der BKW-Station muesste Matthias Lauterburg einen Pauschalbetrag von 15 Franken bezahlen. ©Franziska Rothenbuehler
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Zurzeit könnte man Strom fürs nächste Jahr fast zum Spottpreis kaufen. An der Börse werden Kontrakte für die kommenden 12 Monate zu 9,5 Rappen pro Kilowattstunde gehandelt. Das ist 40 Prozent weniger als noch im Sommer.

Das hat auch Andreas Jöckel, Experte bei der Strommarktbehörde Elcom, beobachtet: «Die Marktpreise für Strom für das kommende Jahr sind derzeit so tief wie noch nie seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs», sagt er.

Allerdings nützen die Tiefpreise den Haushalten nichts. Statt weniger zahlen sie ab Neujahr im Schnitt knapp 20 Prozent mehr. Privathaushalte dürfen ihre Elektrizität nicht selber beschaffen. Sie müssen ihn beim lokalen Stromversorger beziehen. Und diese legten die Tarife fürs nächste Jahr bereits im August verbindlich fest. So verlangt es das Gesetz. Und damals gingen viele Versorger noch von höheren Strompreisen aus.

Zürcher Familie zahlt 1000 Franken mehr

Hart trifft es die Zürcherinnen und Zürcher. In vielen Gemeinden steigt der Energietarif – also der Strompreis ohne Netznutzungskosten – sogar  noch stärker als im schweizweiten Schnitt: Das Elektrizitätswerk des Kantons Zürich (EKZ) erhöht ihn um 60 Prozent auf 19 Rappen pro Kilowattstunde.

Zusammen mit Abgaben und Nutzungsgebühren zahlen Zürcherinnen und Zürcher im EKZ-Versorgungsgebiet ab Neujahr nun 31 Rappen pro Kilowattstunde. Das ist fast doppelt so viel als noch vor zwei Jahren.

Für einen Zweipersonenhaushalt in einer 3-Zimmer-Wohnung bedeutet das gegenüber 2022 Mehrkosten von etwa 350 Franken pro Jahr. Noch härter trifft es eine vierköpfige Familie in einem Einfamilienhaus mit Wärmepumpe, die zusätzlich Strom frisst. Die Familie wird 2024 über tausend Franken mehr zahlen müssen als noch vor zwei Jahren.

Axpo und BKW machen fette Gewinne

Paradox scheinen die Tariferhöhungen, weil es zurzeit kaum Anzeichen für Stromknappheit gibt: Die Stauseen sind gut gefüllt, ihr Pegel liegt am Jahresende deutlich über dem Zehnjahresschnitt. In Deutschland gibt es genügend Gas, das verstromt werden kann. Und in Frankreich laufen die AKW im Gegensatz zum letzten Jahr praktisch auf Volllast.

Christoph Brand, CEO Axpo Holding AG, fotografiert waehrend eines Gespraechs am Freitag, 4. November 2022 in Baden. (KEYSTONE/Gaetan Bally)

Schweizer Elektrizitätswerke dürfen eigentlich keine Profite machen mit Strom, den sie Privathaushalten verkaufen. Das überwacht die Elcom. Die Frage ist, warum es trotzdem eine so grosse Differenz gibt zwischen dem aktuellen Marktpreis und dem Stromtarif für Privathaushalte. Wer streicht da fette Gewinne ein?

EKZ-Sprecherin Sophia Siegenthaler wimmelt ab, man mache keine Gewinne mit Privatkunden. Dass Zürcherinnen und Zürcher trotz aktuell tiefer Marktpreise jetzt noch mehr für Strom zahlen müssen, erklärt Siegenthaler so: Die EKZ habe den Strom fürs nächste Jahr bereits lange im Voraus beschafft: zwischen Mai 2021 und April 2023. In diesem Zeitraum seien «die Preise am Markt zwischenzeitlich auf nie da gewesene Rekordwerte gestiegen».

Das ist indes nur die halbe Wahrheit. Denn indirekt profitiert die EKZ sehr wohl vom Geschäft mit dem Strom: Sie ist Miteigentümerin der Axpo, des grössten Stromkonzerns der Schweiz. Die Axpo verfügt über Wasserkraftwerke und eigene AKW, die günstige Energie produzieren. In Zeiten hoher Strompreise macht der Konzern damit lukrative Geschäfte. In diesem Herbst erzielte die Axpo sogar einen Milliardenüberschuss. Anders als die EKZ darf die Axpo ganz legal Profite machen, weil sie selber direkt keine Privathaushalte versorgt.

Haushalte profitieren nicht von günstigem Axpo-Strom

Dass die EKZ zusammen mit dem Kanton Zürich 37 Prozent der Axpo besitzt, bringt den Haushalten bezüglich Stromtarif nichts. Sprecherin Siegenthaler bestätigt: «Aufgrund des geltenden Beschaffungsrechts muss die EKZ sämtlichen benötigten Strom ausschreiben und zu Marktpreisen beschaffen.»

Mit anderen Worten: Die Axpo muss der EKZ den Strom auch in Hochpreisphasen zu den genau gleich schlechten Bedingungen anbieten wie jeder andere Stromanbieter irgendwo in Europa.

So ist es naheliegend, dass die Axpo Gewinne auch auf dem Buckel der Zürcher Privathaushalte macht. Die Axpo wehrt sich gegen die Kritik. Sprecher Martin Stucki sagt, der grösste Teil des Gewinns der Axpo stamme «aus dem internationalen Kunden- und Handelsgeschäft». Das Geschäft mit der Schweizer Kundschaft habe hingegen nur «marginal zum Ergebnis der Axpo beigetragen». Mit konkreten Zahlen belegen mag die Axpo das allerdings nicht.

Die Axpo-Gewinne sind keine Ausnahme. Auch der Berner Stromkonzern BKW fuhr dieses Jahr einen Rekordertrag ein und konnte seinen Aktionären sogar eine Sonderdividende auszahlen. Anders als die Axpo liefert die BKW Strom direkt an Privathaushalte. Die Berner Tarife der BKW liegen nur leicht unter jenen der EKZ.

epa11031018 European Commission President Ursula von der Leyen speaks during the final press conference of the European Council in Brussels, Belgium, 15 December 2023. At the second day of the summit, EU leaders will take stock of the latest developments in the Middle East, including the immediate security and humanitarian situation in Gaza. The European Council will also discuss how to strengthen security and defence in the EU.  EPA/OLIVIER HOSLET

BKW-Chef Robert Itschner rechtfertigt die Tariferhöhung bei gleichzeitig hohem Profit seines Konzerns: Die Gewinne mache die BKW nicht bei den Privatkunden, sondern in anderen Geschäftsbereichen. Ob sich die Gewinne tatsächlich so genau zuordnen lassen, ist allerdings umstritten.

Zwingt die EU Schweizer Politiker zum Handeln?

Ändern wird sich diese Konstellation vorerst kaum. Denn die Anreize in der lokalen Politik fehlen.  Bei der Axpo sind neben Zürich auch der Aargau, Schaffhausen, Glarus und Zug Miteigentümer. Die Regierungsräte dieser Kantone freuen sich jedes Mal, wenn die Axpo Gewinne macht – damit lässt sich das Kantonsbudget verschönern. Und in Bern freut sich der Regierungsrat zusammen mit privaten Aktionären jedes Mal über den jährlichen Geldsegen der BKW. Dieses Jahr bekam der Kanton 112 Millionen Franken. Weitere Millionen gingen an Privataktionäre. Wer will da schon mit tieferen Stromtarifen für Haushalte die Gewinne schmälern?

Nun kommt aber Druck von der EU. Sie ist nur bereit, ein Stromabkommen abzuschliessen, wenn die Schweiz ihren Strommarkt öffnet. Das heisst, Privathaushalte könnten dann frei wählen, ob sie den Strom bei ihrem lokalen Versorger beziehen wollen oder bei einem anderen Anbieter. Das würde die grossen Stromanbieter einem Konkurrenzdruck aussetzen und tendenziell für tiefere Preise für Privathaushalte sorgen. Allerdings hat man je nach Stromprodukt, das man für seinen Haushalt wählt, das Risiko, dass der Preis in Krisen kurzfristig stark ansteigt.