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Bezirksgericht Zürich
Tamedia hat gegen Frederik Paulsen keine Medienkampagne geführt

Der schwedische Pharmaunternehmer Frederik Paulsen gehört zu den reichsten Menschen in der Schweiz. Er lebt in Lausanne.
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Eine Klage mit insgesamt 665 Seiten und 354 Beilagen und dazu Stellungnahmen der Beklagten mit 929 Seiten und 400 Beilagen – das wünscht man keinem Gericht. Dabei ging es um 44 Artikel, die zwischen Juni 2018 und Februar 2019 in den Zeitungs- und Onlinepublikationen von Tamedia (zu der auch diese Website gehört) in der Deutsch- und Westschweiz erschienen sind.

Der heute 70-jährige Frederik Paulsen war unter anderem im Zusammenhang mit umstrittenen Reisen von Waadtländer Politikern wie Finanzdirektor Pascal Broulis oder Ständerätin Géraldine Savary nach Russland in den medialen Fokus geraten. Fragwürdig waren diese Reisen, weil deren Finanzierung unklar war. Heikel waren die Reisen, weil Paulsen im Kanton Waadt pauschal besteuert wird, obwohl er als Verwaltungsratspräsident eines Pharmaunternehmens amtiert, dem das Waadtländer Finanzdepartement eine zehn Jahre dauernde Steuerbefreiung gewährte.

84 Textpassagen eingeklagt

84 Textpassagen, so die Klage Paulsens, seien in den Berichten persönlichkeitsverletzend. Ebenso führten allein «Masse und Intensität» der Artikel zu einer Persönlichkeitsverletzung. Es handle sich um eine «mit der gesamten Macht des grössten privaten Medienhauses der Schweiz» geführte Medienkampagne.

Paulsen beklagte eine Hetzkampagne, bei welcher ihm in permanenter Wiederholung seine Reisen mit Politikern, seine angeblich intransparente und verdächtige Aktivität als Honorarkonsul Russlands und seine privaten Vermögensverhältnisse vorgehalten worden seien. Und Fotos seien «als emotionaler Anker für das Schüren negativer Assoziationen» missbraucht worden. Der 70-Jährige verlangte die Löschung diverser Artikel auf den Webseiten und aus den Archiven, die Publikation des Urteils sowie die Herausgabe des mit den Artikeln über ihn erzielten Gewinns.

Keine Persönlichkeitsverletzung

Das Bezirksgericht Zürich prüfte im 120-seitigen Urteil alle beanstandeten Textpassagen, stellte sie in den Kontext der Publikation und kam zum immer gleichen Schluss: Eine widerrechtliche Persönlichkeitsverletzung «liegt nicht vor», «ist nicht ersichtlich», «ist nicht zu sehen». Paulsen sei weder «blossgestellt» noch «gedemütigt» worden.

Paulsen sei eine Person von öffentlichem Interesse, es sei zulässig, über ihn zu berichten. «Wenn in der Schweiz domizilierte natürliche oder juristische Personen, die hierorts von einem spezifischen Steuerregime profitieren, sich schwer durchschaubarer Beteiligungsverhältnisse und Gesellschaften in Steuerparadiesen bedienen, ist dies grundsätzlich von öffentlichem Interesse», hält das Bezirksgericht fest. Zudem gehe es in den meisten Berichten nur am Rande um Paulsen, sondern zentral um die involvierten Amtsträger.

Keine Medienkampagne

Das Urteil des Bezirksgerichts ist über den Einzelfall hinaus von Bedeutung. Denn Paulsen hatte den Publikationen vorgeworfen, es sei ihnen nicht um die Befriedigung eines legitimen Informationsbedürfnisses der Öffentlichkeit gegangen, sondern um die Durchsetzung ihrer eigenen Ziele – wie die Maximierung des Gewinns oder die Entfernung missliebiger Politiker.

Die Berichterstattung der Tamedia-Publikationen, so das Bezirksgericht, habe nichts zu tun mit einer Medienkampagne. Paulsen zähle nicht nur jeden Artikel, in dem sein Name erwähnt werde, sondern zähle die gleichen Artikel mehrfach, wenn die verschiedenen Publikationen im Print und online erschienen sind. «Dies wiedergibt ein falsches Bild.» Im Kern sei es um Paulsen nur in sechs Artikeln gegangen.

Weiterzug ans Obergericht möglich

Insbesondere aber könne aus der «konzerninternen Verwertung» der gleichen Artikel in verschiedenen Presseerzeugnissen keine Medienkampagne abgeleitet werden. «Es handelt sich schlicht um eine Folge der Pressekonzentration beziehungsweise der Gegebenheiten der neueren Medienlandschaft.»

Paulsens Klage wurde abgewiesen. Der Mann muss die Gerichtsgebühr von 33’500 Franken übernehmen und die Gegenpartei mit insgesamt 77’600 Franken entschädigen. Das Urteil des Bezirksgerichts kann ans Obergericht weitergezogen werden.