Verblüffender Giovanni Mpetshi PerricardDen neuen Basel-Sieger kannte nicht mal Turnierchef Brennwald
Der Franzose Mpetshi Perricard bezwingt Ben Shelton im Basel-Final 6:4, 7:6 und beeindruckt mit seinem krachenden Aufschlag. Anfang Jahr war er noch ausserhalb der Top 200.
- Giovanni Mpetshi Perricard gewinnt die Swiss Indoors, ohne ein Break zuzulassen.
- In Final schlug er gegen Ben Shelton 22 Asse.
- Mpetshi Perricard stieg in diesem Jahr von Rang 205 auf 31 auf.
- Turnierchef Brennwald gab zu, ihn bisher nicht gekannt zu haben.
Wer am Montagmorgen bei der Kaffeepause mit Tenniswissen punkten möchte, sollte jetzt gut aufpassen: Der neue Basel-Champion Giovanni Mpetshi Perricard ist der Aufsteiger der Saison. Der 21-jährige Franzose startete als Nummer 205 ins Jahr und stösst nach seinem wertvollsten Titel bereits auf Rang 31 vor. Das M bei Mpetshi spricht man nicht aus. Sein Vater Ghislain Mpetshi-Kalongo stammt aus dem Kongo und war ein semiprofessioneller Fussballer in Frankreich. Erstmals auf grösster Bühne machte Mpetshi Perricard in Wimbledon auf sich aufmerksam, als er sich als Qualifikant in den Achtelfinal spielte. Und mit seinen 2,03 Metern ist er der aktuell grösste Spieler in den Top 100.
Seine Grösse kommt Mpetshi Perricard beim Aufschlag zugute. Das musste im Final der Swiss Indoors auch Ben Shelton (ATP 23) erfahren. Dieser dürfte sich beim Return vorgekommen sein wie ein Goalie beim Penalty. Er musste auf eine Seite spekulieren und hoffen, dass er richtig lag. Wobei selbst dann die Chance, dass er den Ball zurück ins Feld bringt, nur gering war. Denn die Aufschläge des Franzosen brausten regelmässig mit über 230 Stundenkilometern auf ihn zu. Einmal traf Shelton ein solcher am Bauch, und er verzerrte vor Schmerz das Gesicht. Es war für den favorisierten Amerikaner kein vergnüglicher Nachmittag in der St.-Jakobs-Halle. Und auch kein erfolgreicher.
In fünf Matches liess er kein Break zu
Mpetshi Perricard siegte 6:3, 7:6 (7:4) und fügte sich damit der reichen Siegerliste der Swiss Indoors hinzu. Turnierchef Roger Brennwald gab zu, dass er den jungen Franzosen vor dieser Woche nicht gekannt hatte. Aber seinen komplizierten Namen wird man sich nun merken müssen.
In Basel liess er in fünf Matches kein einziges Break zu, gegen Shelton donnerte er 22 Asse ins Feld. Mit seinem krachenden Aufschlag ist er auf schnelleren Belägen kaum zu breaken, dazu kommt ein komplettes Spiel mit einer wunderschön anzusehenden einhändigen Rückhand. Der Mann aus Lyon, gut befreundet mit Arthur Fils, hat gute Voraussetzungen, um seine Gegner auch künftig zu frustrieren.
Als es vorbei war, hatte Shelton seinen Humor schnell wiedergefunden. Er dankte den Ballkids, die den härtesten Job gehabt hätten: den Geschossen von Mpetshi Perricard auszuweichen. «Ich bin froh, ist niemand verletzt worden», sagte er schmunzelnd. Er sei beim Versuch, diese Aufschläge zu retournieren, jedenfalls fast umgekommen. Aber es sei cool, dass es auf der Tour so viele unterschiedliche Stile gebe, fügte er hinzu. Das mache es interessant. Und er lobte die Zuschauer: «Ich empfinde die Schweizer sonst als recht ruhig, aber ihr wart hier die ganze Woche so richtig laut.»
Der Sieger rutschte erst spät ins Feld
Mpetshi Perricard ist der erste französische Sieger der Swiss Indoors seit Yannick Noah (1987). Nach Wimbledon hatte er acht von zehn Matches verloren, unter anderem in Shanghai gegen Stan Wawrinka, in Basel fand er auf einen Schlag wieder zur Bestform. Dabei wusste er lange nicht, ob er aufgrund seines Rankings hier würde antreten können. Erst nach einigen Absagen rutschte er ins Feld. Er zog Basel dem gleichzeitig stattfindenden Turnier in Wien vor, weil die Bedingungen hier schneller sind. Eine kluge Entscheidung.
Gross Zeit zum Feiern blieb ihm nicht. Nach dem Final eilte er auf den TGV, um noch am Abend in Paris anzukommen, wo das nächste Turnier ansteht. Er werde sich unterwegs verpflegen, sagte er schmunzelnd.
Trotz des wenig bekannten Siegers war es eine gelungene Ausgabe für die Swiss Indoors. Mit 63’200 Zuschauern inklusive der Qualifikation wurde der Wert des Vorjahres (62’900) leicht übertroffen. Mit 8100 Besuchern war die Halle zwar nur am Finaltag ausverkauft, aber die ganze Woche war sie recht gut gefüllt.
Die Konkurrenz aus Saudiarabien
Mit dem Handicap, dass in der Woche zuvor die lukrative Exhibition in Saudiarabien («Six Kings Slam») stattfand, konnten die Swiss Indoors gut umgehen. Mit einer Teilnahme von Jannik Sinner, Carlos Alcaraz oder Novak Djokovic hätten sie sowieso nicht gerechnet, sagte Brennwald. Deshalb nahm er zehn Spieler unter Vertrag – so viele wie noch nie. Das Tennis sei in Bewegung, deshalb müsse man breit planen, erklärte er. Aber natürlich werde man auch in Zukunft versuchen, die Topstars nach Basel zu locken.
Die Exhibition in Saudiarabien sei gemäss seinen Informationen eine einmalige Sache, erläuterte Brennwald. Bald dürfte es stattdessen ein ATP-1000-Turnier in Saudiarabien geben. Da dieses Anfang Jahr stattfinden soll, wird es Basel nicht gross tangieren. Bei den Bemühungen, die Ära nach Roger Federer zu begehen, sei man auf halbem Weg, sagte Brennwald. Man habe in den letzten Jahren viel investiert. Die Auftritte der jungen Schweizer nähren seine Zuversicht für die Zukunft.
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