SVP-Parlamentarier für Stromgesetz Stark verteidigt Röstis Erbe – und tritt gegen die eigene Partei an
Obwohl die SVP offiziell Nein sagt zum Stromgesetz, sitzen 19 ihrer Parlamentarier im Ja-Komitee. Exemplarisch für diesen ungewöhnlichen Widerstand ist der Kopf der Allianz: SVP-Ständerat Jakob Stark.
Er macht beim Sprechen kleine Pausen, hebt die Stimme am Ende des Satzes. Jakob Stark hat die Worte sorgfältig ausgesucht, mit denen er gegen die Position seiner Partei antritt – und gleichzeitig die Errungenschaft des eigenen Bundesrats verteidigt: «Das Stromgesetz ist ein hart erarbeiteter und breit abgestützter Kompromiss.» Stark, seit vier Jahren SVP-Ständerat aus dem Thurgau, war wie Albert Rösti ein Teil der Allianz, die diesen Kompromiss ausgearbeitet hat. Jetzt ist er einer der wichtigsten Trümpfe der Befürworter des Stromgesetzes.
Parlamentarierinnen und Parlamentarier sämtlicher Parteien sitzen am Donnerstag in Bern aufgereiht vor den Medien, sie starten den Abstimmungskampf. Stark sitzt im Zentrum, flankiert von FDP und Mitte. Die Grünen und SP-Vertreter sitzen am Rande. Die Botschaft ist klar: Das ist kein linkes Gesetz.
Stark politisiert seit vier Jahren in Bern, das grün-weisse Thurgauer Wappen prangt als Anstecker an seinem Anzug. Zuvor sass er 14 Jahre in der Kantonsregierung. Er ist auch Verwaltungsrat eines Stromkonzerns. Es sei kein Geheimnis, dass die Axpo das Stromgesetz auch unterstütze, sagt Stark: «Aber ich bin nicht ihr Briefträger.» Und obwohl seine Partei vor kurzem die Nein-Parole zum Stromgesetz beschlossen hat, ist er bei weitem nicht der einzige SVP-Befürworter.
19 Parlamentarier der SVP engagieren sich im Ja-Komitee. Stark ist als Co-Präsident einer der Köpfe der Kampagne, zusammen mit Nationalrat Christian Imark. In der SVP-Fraktionssitzung ging zuvor eine Liste des Nein-Komitees herum. Die Parteileitung machte klar, dass sie sich wünschte, dass sich möglichst viele eintragen – und gleich angeben, wie sie sich im Abstimmungskampf engagieren. Stark sagt: «Ich habe dann geschaut, dass das Ja-Komitee bei uns auch noch eine Chance hat.»
Er argumentiert auch mit Atomkraftwerken
Dass sich Vertreter der SVP offen gegen die Parole ihrer Partei stellen, kommt selten vor. Passiert ist es etwa beim Vaterschaftsurlaub. Aber Gesellschaftspolitik steht in der SVP-Hierarchie weit unter der Energiepolitik. Im Parlament war die Mehrheit der Fraktion für das Stromgesetz. Seither sind aber einige umgeschwenkt.
Stark setzt auf Argumente, die den meisten SVP-Wählerinnen und -Wählern wichtig sind: Abhängigkeit vom Ausland reduzieren. Tiefe Preise dank mehr Stromproduktion. Mitsprache der Standortgemeinden. Und: Technologieoffenheit! Die sei ihm persönlich besonders wichtig, betont Stark, schliesslich sei das die Basis, damit künftig auch Kernkraft möglich sei. Zwei Stühle weiter verschränkt die grüne Fraktionschefin Aline Trede die Arme, seufzt, zieht leicht die Augenbrauen hoch. Jede Partei sieht die Vorteile des Gesetzes woanders.
Die Kernkraft ist im Stromgesetz zwar nicht erwähnt. Stark erklärt aber: Wasser, Wind, Sonne, Erdwärme, alle erneuerbaren Energien würden gleich behandelt. Das sei richtig. «Ich sage den SVP-Wählern: Wenn ihr Technologieoffenheit für Kernkraftwerke wollt, müsst ihr das auch bei den Erneuerbaren machen.» Und – da sei er ganz bei Bundesrat Rösti – bis 2040 seien neue Kernkraftwerke unrealistisch. Deshalb brauche es schnell andere Energie. Auch um unabhängiger zu werden von der EU.
«Ja, die will i, oder nei, die will i nöd»
Die Art, wie Stark argumentiert, wie er mit Fachbegriffen jongliert, am Ende aber immer ein markiges, leicht verständliches Statement bringt, macht deutlich: Dieses Gesetz ist ihm wichtig. Wie auch allen anderen Beteiligten, die monatelang um Kompromisse rangen. Im Ständerat bildete Stark mit der Grünen Lisa Mazzone und Roberto Zanetti (SP) eine ungleiche Allianz.
Gegner bei der SVP argumentieren, die Einspracherechte würden zu stark eingeschränkt. Stark sieht das anders. «Die Gemeinde hat weiterhin das letzte Wort, ob ein Projekt gebaut wird.» Stark tritt einen Schritt zurück, malt mit dem Zeigefinger vor sich ein Gebiet in die Luft: «Wenn Sie hier einen Windpark bauen wollen, stimmt die Gemeinde über die erforderliche Nutzungszone ab.» Basisdemokratisch, wie es sich gehöre: «Ja, die will i, oder nei, die will i nöd.» Daran ändere sich absolut nichts. Nur bei Einsprachen gegen ein späteres Baugesuch und darauf folgenden Rechtsverfahren gebe es eine Beschleunigung.
Am Ende der Medienkonferenz fragt eine Journalistin, ob sich die Geschichte zu wiederholen drohe: Ob also das Stromgesetz wie schon das CO₂-Gesetz am alleinigen Widerstand der SVP scheitere. Stark überlegt einen Moment. Dann sagt er: Beim CO₂-Gesetz seien die Reihen in der SVP geschlossen gewesen. Und viele Landwirte seien kritisch gewesen. Stark ist selbst auf einem Bauernhof aufgewachsen. Die Landwirtschaft sei diesmal «gut bedient», findet er.
Jakob Stark, der bis dahin ernst und trocken argumentierte, sorgt plötzlich für Lacher, als er sagt: «Also ich bin natürlich befangen. Aber in diesem Abstimmungskampf überzeugen die Argumente der Befürworter durchs Band.»
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