Fragen zur SicherheitSchwimmende Solarparks sind laut Bund ein Risiko
Fotovoltaikanlagen auf Stauseen können durchaus Schaden anrichten. Trotzdem fehlen Vorschriften. Nun reagiert der Bund – und bewilligt vorerst keine Anlagen mehr.

- Die einzig schwimmende Solaranlage auf einem Stausee liegt im Wallis.
- Der Bund bewilligt vorerst aus Sicherheitsgründen keine weiteren solchen Anlagen.
- Stromkonzerne sind zurückhaltend wegen der hohen Kosten und Risiken.
- Alpiq und Romande Energie arbeiten aber an einem neuen Projekt im Kanton Waadt.
Die Idee entstand bei einer Tasse Kaffee, wie die Verantwortlichen stolz erzählten. 2019 wurde sie umgesetzt: die weltweit erste schwimmende Solaranlage in alpiner Landschaft. Sie besteht aus 36 Plattformen, 35 davon mit Solarpanels auf dem Lac des Toules, installiert vom Westschweizer Energieunternehmen Romande Energie, auf 1800 Metern in der Walliser Gemeinde Bourg-Saint-Pierre.
Bis heute ist es hierzulande die einzige Anlage dieser Art. Und das wird bis auf weiteres so bleiben, wie das Bundesamt für Energie (BFE) bestätigt. «Es wird vorderhand keine andere solche Anlage bewilligt», sagt Geschäftsleitungsmitglied Marianne Zünd. Auch für den geplanten Ausbau der Anlage auf dem Lac des Toules werde es vom Bund vorläufig kein Okay geben.
Der Grund: Es existieren keine gesetzlichen Sicherheitsanforderungen. Dabei müssen die Anlagen extremen Belastungen standhalten, so zum Beispiel Starkwind, Hochwasser, Erdbeben, Rutschungen oder hohem Tidenhub. Im Extremfall, so das BFE, kann sich so ein «Solarfloss» trotz Verankerung vom Seegrund lösen, oder aber ein Teil kann abbrechen und die Stauanlage beschädigen oder verstopfen.
Solche Anlagen seien deshalb ein anerkanntes Risiko, sagt Zünd. Das Internationale Komitee für grosse Staudämme und die Weltbank haben im April denn auch klargemacht, dass es diese Risiken zu beherrschen gilt. Für die Stauanlage Lac des Toules ist dies laut BFE der Fall, weil es sich um eine Pilotanlage von überschaubarer Grösse handelt; sie liefert Strom für etwa 200 Haushalte und ist weniger als halb so gross wie ein Fussballfeld.
Rentabilität als Problem
Wie viel Strom dereinst von solchen Anlagen produziert wird, ist unklar. In einem neuen Bericht beziffert das BFE das in der Schweiz realisierbare Potenzial auf 0,5 Terawattstunden, verteilt auf 20 Stauseen, was etwa 1 Prozent des heutigen Stromverbrauchs entspricht.
Zum Vergleich: Mit alpinen Solaranlagen, die im Gelände montiert werden, peilt der Bund zusätzliche 2 Terawattstunden an. Dies ist eine von mehreren Massnahmen, mit denen er die Stromversorgungssicherheit im Winterhalbjahr erhöhen will.
Das Problem ist aber: Die Anlagen sind teuer. So etwa setzen sie bei tiefem Wasserstand auf dem Seegrund auf und brauchen darum eine spezielle Schwimmkonstruktion. «Es zeigt sich», heisst es im BFE-Bericht, «dass die höhere Sonneneinstrahlung bei Anlagen im alpinen Raum die höheren Installationskosten und die zusätzliche Komplexität durch Wasserspiegelschwankungen in vielen Fällen nur unzureichend kompensieren kann.»
Der BFE-Bericht schätzt die Gestehungskosten auf zwischen 15 und 25 Rappen pro Kilowattstunde oder höher. Zum Vergleich: Bei der Wasserkraft sind es etwa 6 bis 7 Rappen.
Alpiq mit neuem Projekt
Eine Goldgräberstimmung ist in der Strombranche denn auch nicht auszumachen – zumal der Bund über bereits bestehende Subventionen wie den Höhenbonus hinaus keine weitere Finanzhilfe für solche Anlagen plant.
Die Axpo prüft in der Schweiz zwar die Möglichkeit, schwimmende Solaranlagen einzusetzen. «Wir sehen jedoch viele Herausforderungen, etwa bei der technischen Umsetzung und im Bereich der Wirtschaftlichkeit», sagt Antoine Millioud, Head Division Solar bei der Axpo. In Frankreich dagegen hat die Axpo bereits Projekte: fünf Anlagen auf künstlichen Seen aus ehemaligen Kiesgruben.
Alpiq seinerseits arbeitet im Verbund mit Romande Energie daran, mit der Kraftwerksgesellschaft FMHL ein ähnliches Vorhaben wie auf dem Stausee Les Toules zu entwickeln. Eine Vorprojektstudie für einen schwimmenden Solarpark auf dem Lac de l’Hongrin im Kanton Waadt ist inzwischen abgeschlossen.
Die BKW dagegen hegt aktuell keine Pläne. «Die topografischen Gegebenheiten, also die engen Täler und die steilen Berghänge, führen bei den meisten Stauseen zu einer schlechten Sonneneinstrahlung im Winter», sagt Sprecher Tobias Habegger. Zudem bestehe durch die steilen Hänge die Gefahr von Steinschlag und Lawinenabgängen in den Stausee hinein, was Anlagen auf den Seen beschädigen oder zerstören könnte.
Die Anlage auf dem Lac des Toules zumindest soll die Erwartungen insgesamt «erfüllt» haben; so sieht es zumindest die Betreiberin Romande Energie. Nach drei Jahren Betrieb hat die Anlage durchschnittlich pro Jahr 1400 Kilowattstunden Strom pro installiertem Kilowatt produziert. Indes, das sind nur 30 Prozent mehr als eine Anlage im Flachland, nicht 50 Prozent wie erwartet.
Bund setzt auf internationale Experten
Weniger anfällig für Schäden wären schwimmende Solaranlagen auf Stauseen im Flachland. Allerdings gibt es dort laut BFE deutlich grösseres Konfliktpotenzial als in alpinen Stauseen, etwa wegen der Schifffahrt oder Naturschutzvorschriften. Auch Projekte in gewöhnlichen Seen haben keinen leichten Stand, wie sich in Zürich gezeigt hat. Im August versenkte das Kantonsparlament einen Vorstoss für ein schwimmendes Solarkraftwerk auf dem Zürichsee deutlich; der Eingriff ins Landschaftsbild sei zu gross.
Den Schwierigkeiten zum Trotz: Der Bund will in einem nächsten Schritt die gesetzlichen Sicherheitsanforderungen erarbeiten; dazu setzt er nun eine international zusammengesetzte Arbeitsgruppe ein. Ergebnisse sollen in den nächsten zwei bis drei Jahren vorliegen.
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