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Zum Tod von Sinéad O’Connor
Stationen eines bewegten Lebens

Kurzgeschorene Haare, Sonnenbrille und ein schelmisches Lächeln: Sinéad O’Connor 1989 in Amsterdam.
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Die einzigartige Inszenierung

Natürlich, da sind diese Augen. Sind sie blau? Braun? Grün, wahrscheinlich. Auf jeden Fall wusste Sinéad O’Connor damit eindringlich, fast stählern zu blicken, als sie der Welt in den 80er-Jahren auf der Bühne erschien. «Damn Your Eyes», so sang es die irische Sängerin selbst, in einer Coverversion der amerikanischen Soul-Königin Etta James, die sie auf einem ihrer Alben versteckte. 

Die Augen, die kurzgeschorenen Haare, Doc Martens an den Füssen, das schelmische Lächeln, das ihr auch bei ihren ernsthaftesten Inszenierungen hin und wieder über das Gesicht kam: O’Connors Auftritte waren einzigartig in der weiblichen Musiklandschaft der 80er-Jahre. 

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Auch ihr grösster Hit, «Nothing Compares 2 U» von Prince, lebte von seiner visuellen Umsetzung; das Video davon wurde bis heute Hunderte von Millionen Mal angeklickt, so genau ist das nicht zu eruieren, weil davon immer wieder neue Versionen auftauchen. Und Mitte der 80er-Jahre wurde das Bewegtbild zur Signatur der Musiker, die Video Music Awards von MTV wurden ins Leben gerufen. O’Connor schrieb Geschichte, als sie den Award 1990 als erste Frau gewann – zuvor hatte es auch für Superstars wie Madonna nur Nominierungen gegeben.

Bereits 1989 hatte sie bei den Grammy-Verleihungen einen prägenden Auftritt gezeigt. Sie spielte «Mandinka» von ihrem Debütalbum «The Lion And The Cobra», trug dazu, wie sie später erzählte, die Pyjamahose ihres Sohnes und ein knappes Oberteil. 

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Das zerrissene Papstbild

Es gibt Momente, die begleiten Künstlerinnen, Sportler, Musiker ein Leben lang. Vom «defining moment» schreibt man in den USA gerne, weil, so ist es dort vorgesehen, jede Geschichte ihre Geburtsstunde haben muss. 

Die Geburtsstunde von Sinéad O’Connor als Rebellin war 1992 in der Sendung «Saturday Night Live» auf dem amerikanischen Sender NBC. Dass sie dort Bob Marleys Song «War» performen würde, darüber waren die Produzenten informiert. Dass sie zum Schluss ein Bild des damaligen Papstes Johannes Paul II. in die Kamera halten und zerreissen würde, wusste niemand. 

«Fight the real enemy», bekämpft den wahren Feind, sagte sie noch ins Mikrofon, dann schnitt die Regie weg. O’Connor, als Kind von ihrer Mutter geschlagen und auch sexuell genötigt, wollte damit auf sexuellen Missbrauch und dessen Vertuschung in der Katholischen Kirche aufmerksam machen. In Irland war das zu der Zeit schon ein Thema, in den USA sollte vieles davon erst zehn Jahre später ans Licht kommen.

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Über O’Connor ergossen sich in der Folge Schmähungen, sie wurde bedroht, ausgeladen, gemieden. «Keine Haare, kein Geschmack», hiess es in der Presse, in New York fuhren sie ihre Platten mit dem Auto kaputt. Und dann sollte sie, im Oktober 1992, bei diesem Hommage-Konzert für Bob Dylan im Madison Square Garden auftreten. Minutenlang harrte sie der Buhrufe, die sie begleiteten, sobald sie die Bühne betrat. O’Connor wartete, schaute, schrie dann irgendwann die erste Strophe von «War» ins Mikrofon und verliess unter Tränen die Bühne. Der «Washington Post» sagte sie noch 2020, das sei eindeutig der stolzeste Augenblick ihrer Karriere gewesen. 

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Die beiden Auftritte mochten ihrer Bekanntheit, nicht aber ihrer Popularität zuträglich gewesen sein. «Ich fühlte mich deswegen wie eine Aussätzige behandelt», sagte sie 2020, «abseits der Bühne, im Privaten und im Öffentlichen, bis in mein Bett.»

Als die «Washington Post» sie damals in ihrem Zuhause in Bray, einem Vorort von Dublin, besuchte, waren dort keine Spuren einer musikalischen Karriere zu erkennen: keine Goldenen Schallplatten, keine Trophäen, keine Auszeichnungen, keine Bilder von der Bühne.

Sie habe mit dem Auftritt bei «Saturday Night Live» nicht ihre Karriere zerstört, sagte sie einmal dem Magazin «Esquire». «Ich habe damit die Karriere zerstört, die man für mich im Sinn hatte, die der Plattenlabels. Und es bedeutete, dass ich mein Geld mit Live-Auftritten verdienen musste. Mit dem, wozu ich geboren bin.»

Auf der Therapeuten-Couch in den USA

Als wollte sich das Schicksal am Menschen Sinéad O’Connor selber ein Denkmal setzen, kam zur traumatischen Kindheit und der öffentlichen Schmähung in den 2000er-Jahren eine chronische Endometriose hinzu. 2015 liess sich O’Connor in Irland operieren. Aber der Eingriff führte sie in die vorzeitige Menopause, was jedoch nicht diagnostiziert und entsprechend auch nicht medikamentös behandelt wurde, wie sie später erzählte. 

«Meine spirituelle Heimat ist Amerika.»

Die Schmerzen liessen nicht nach, vielmehr entwickelten sich daraus psychische Probleme. O’Connor zog zu Freunden in Chicago. In einem Vorort lebte die Sängerin, die ihre Stimme verloren hatte, in einem Motel und arbeitete ehrenamtlich in einem Spital für Veteranen. Die Depressionen wurden schlimmer, O’Connor liess sich in San Francisco behandeln, später in New Jersey. 

2017 trat eine sichtlich gezeichnete Sinéad O’Connor beim amerikanischen TV-Psychologen Dr. Phil McGraw auf – und gab offenkundig mehr von sich preis, als ihr wohl war. Kurz darauf verliess sie die USA, ihr damaliger Ehemann John Reynolds holte sie zurück nach Irland.

«Meine spirituelle Heimat ist Amerika. Ich weiss, dass mein Storch mich hier hätte absetzen sollen. Aber er hat sich in Dublin betrunken», sagte sie später einmal.

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Die Konversion zum Islam

Es war für die Öffentlichkeit damals allein schon eine Nachricht, dass die Frau, die 1992 noch ein Bild vom Papst zerrissen hatte, nun doch etwas mit Religion anfangen konnte. Doch dass Sinéad O’Connor 2018 zum Islam konvertierte und das auch öffentlich machte, kam sehr überraschend. 

Sinéad O’Connor hiess fortan Shuhada’ Sadaqat, ihren irischen Namen gedachte sie weiterhin beruflich zu verwenden. Sie gab an, im Islam einen Frieden gefunden zu haben, der ihr zuvor verwehrt geblieben sei. 

«Das Christentum hat mich als Irin angelogen», sagte sie der «Washington Post». «Das Christentum hat nichts anderes getan, als das irische Volk metaphorisch und wörtlich zu vergewaltigen. Deshalb mag ich den Islam. Weil ich die Dinge, die ich angenommen habe, mitnehmen kann. Jesus ist immer noch da, aber es ist der Jesus, der für mich Sinn ergibt.»

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Die überraschende Tournee im Hijab

53 Jahre alt war eine einigermassen zur Ruhe gekommene Sinéad O’Connor, als sie sich 2020 sozusagen still und heimlich in die USA aufmachte, um dort an der Westküste eine Mini-Tournee zu starten und acht Clubkonzerte in zwölf Tagen zu spielen.

Alles schien vergeben und vergessen, das Publikum empfing sie ebenso fasziniert wie liebevoll. O’Connor stand auf der Bühne, barfuss und im Hijab, die 17 Stücke auf ihrer Setlist umfassten auch die Lieder, von denen man geglaubt hatte, sie nie mehr von ihr zu hören.

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2015 hatte sie via Facebook verkündet, ihren grossen Hit «Nothing Compares 2 U» nicht mehr live performen zu wollen. Sie könne mit der Enttäuschung der Fans, wenn das Lied einmal nicht gespielt würde, schlecht umgehen. «Wenn ich es nur singe, damit die Leute zufrieden sind, mache ich meinen Job nicht richtig – nämlich, echte Emotionen zu zeigen.»

Gegen Prince, den Urheber des Songs, hatte sie in ihren 2021 veröffentlichten Memoiren Vorwürfe erhoben. Sie hätten sich bis zur Veröffentlichung von «Nothing Compares 2 U» nie getroffen, später habe er sie dann einmal zu sich nach Hause eingeladen und mit ihr dort eine Kissenschlacht angezettelt. «Aber in seinen Kissen waren Gegenstände, es war klar, dass er mich verletzen wollte. Ich rannte davon.» So schrieb es O’Connor in ihrem Buch. 

Auf dieser Tour 2020 in den USA sang sie das Stück jeden Abend, voller Inbrunst. Zum Verzücken des Publikums.

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