Polizei zu Tragödie am FilmsetBaldwins Waffe enthielt scharfe Munition
Die Behörden haben erstmals zum tödlichen Schuss beim Filmdreh in New Mexico Stellung genommen. Für den Hollywood-Star könnte seine Rolle als Produzent zum Problem werden.
Die Waffe, die der Schauspieler Alec Baldwin am Set des Westerns «Rust» benutzt hat, enthielt nach Angaben der Polizei scharfe Munition. Dies gaben die Ermittler am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Santa Fe (US-Bundesstaat New Mexico) bekannt. Das abgegebene Projektil konnte sichergestellt werden, sagte Sheriff Adan Mendoza. Es gebe Hinweise, dass sich noch mehr scharfe Munition am Set befand. Dazu seien aber weitere Untersuchungen nötig.
Fehler bei Überprüfung der Requisitenwaffe
Der Regieassistent hat zudem einen Fehler bei der Überprüfung der Requisitenwaffe eingeräumt. Dave Halls gab laut einem am Mittwoch veröffentlichten Vernehmungsprotokoll gegenüber der Polizei an, er habe nicht alle Kugeln in der Trommel des Revolvers kontrolliert. «Er konnte sich nur daran erinnern, drei Kugeln gesehen zu haben», schreibt ein Ermittler in dem bei Gericht vorgelegten Vernehmungsprotokoll. «Er sagte, dass er sie alle hätte überprüfen müssen, es aber nicht tat, und konnte sich nicht daran erinnern, ob sie (Waffenmeisterin Hannah Gutierrez-Reed) die Trommel drehte.»
Die Ermittler hätten bei der Durchsuchung des Drehorts 600 Beweismittel-Stücke sichergestellt, darunter drei Waffen und Munition. Die Untersuchungen dauerten an, sagte Bezirksstaatsanwältin Mary Carmack-Altwies. Es sei zu früh, um über eine mögliche Anklage zu entscheiden. «Alle Optionen liegen derzeit auf dem Tisch», sagte Mary Carmack-Altwies am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Santa Fe im Bundesstaat New Mexico. Baldwin sei «offensichtlich die Person, die die Waffe abgefeuert hat» .Alle Beteiligten, darunter Baldwin, würden mit der Polizei kooperieren.
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Die Staatsanwältin stellte klar, dass es sich dabei nach bisherigen Erkenntnissen nicht bloss um eine «Prop-Gun», also um eine Requisitenwaffe gehandelt habe, die realen Waffen nur ähnle. Die in einigen Gerichtsdokumenten zu dem Fall benutzte Terminologie sei irreführend, denn es habe sich um eine echte Pistole gehandelt. Was es genau für eine Feuerwaffe war, sagte sie nicht, beschrieb sie aber als eine antike Waffe, die zu der Ära passe, in der der Film spielt. Der Western «Rust» ist im 19. Jahrhundert angesiedelt.
Während der Dreharbeiten war vorigen Donnerstag die 42 Jahre alte Chef-Kamerafrau Halyna Hutchins tödlich verletzt worden. Der 63-jährige Hauptdarsteller und Produzent Baldwin hatte die Waffe bei der Probe für eine Szene abgefeuert. Laut einem Polizeibericht hatte der Regieassistent dem Schauspieler bei der Übergabe der Pistole gesagt, dass es sich um eine «kalte Waffe» ohne Munition handle. Der Assistent habe nach eigener Aussage nicht gewusst, dass eine Patrone in der Waffe steckte.
Regisseur Joel Souza war bei dem Zwischenfall an der Schulter verletzt worden, konnte das Spital aber wenig später wieder verlassen. Der 48-jährige Souza stand zum Zeitpunkt des tödlichen Vorfalls hinter der Kamerafrau. Die Dreharbeiten für den Western wurden mittlerweile ausgesetzt.
Der Filmwaffenexperte und Stunt-Koordinator Steve Wolf sagte dem Sender CNN, eine reguläre Requisitenwaffe lasse sich nicht mit scharfer Munition laden. Die Patronen passten nicht hinein, ergänzte er und demonstrierte dies anhand eines Requisitenrevolvers.
Gemäss der Staatsanwältin könnten sich die Ermittlungen über Wochen oder Monate hinziehen, ehe es zu einer möglichen Anklage kommen könnte. Es habe «grosse Mengen» von Munition am Set gegeben, sagte Carmack-Altwies der «New York Times».
Schwere Vorwürfe betreffend Sicherheitsvorkehrungen
Immer mehr ins Blickfeld der Medien und wohl auch der Behörden geraten einige Mitglieder der Film-Crew. Der Regieassistent, der Baldwin die Waffe übergab, sei 2019 wegen eines ähnlichen Vorfalls bei einem Film entlassen worden, berichteten zahlreiche amerikanische Zeitungen. Bei dem Dreh zu «Freedom’s Path» sei damals ein Tontechnik-Mitarbeiter leicht verletzt worden, nachdem unerwartet eine Requisitenwaffe losgegangen sei, hiess es unter Berufung auf die Produktionsfirma des Films.
Kritik wurde nach Medienberichten auch an der 24 Jahre alten Waffenmeisterin laut, die für die ordnungsgemässe Handhabung aller Waffen am Set zuständig war. «Rust» war erst der zweite Film, an dem die junge Frau in dieser Funktion beteiligt war.
Vermutungen über laxe Sicherheitsvorkehrungen wurden auch von einem Bericht der Nachrichtenseite «The Wrap» gestützt, wonach einige Crewmitglieder in ihrer Freizeit angeblich scharfe Munition benutzten, um auf Bierdosen zu schiessen. Die Quellen wurden allerdings nicht namentlich genannt. Demnach hätte ein solches Zielschiessen am Morgen, wenige Stunden vor dem tödlichen Vorfall am Set, stattgefunden, sagte «The Wrap»-Journalistin Sharon Waxman dem Sender CNN. Eine dieser Waffen sei später am Set an Baldwin weitergereicht worden.
Schwere Vorwürfe stammen auch vom Crew-Beleuchter Serge Svetnoy, der beim Vorfall zugegen war und mit einem viel beachteten Eintrag auf Facebook auf den Tod seiner Kollegin und Freundin aufmerksam machte. Gleich mehrere Verantwortliche am Set hätten fahrlässig gehandelt: «Die Person, die hätte anzeigen müssen, dass eine geladene Waffe am Set war, hat dies nicht getan; die Person, die diese Waffe hätte untersuchen müssen, bevor sie ans Set gelangte, hat dies nicht getan.» Und auch die Person, die die Waffe direkt vor ihrem Einsatz am Drehort hätte untersuchen müssen, habe dies nicht getan. «Der Tod eines Menschen ist das Ergebnis.»
Droht Baldwin eine Anklage?
Nicht wenige Rechtsexperten glauben, dass das Unglück auch Baldwin zum Verhängnis werden könnte.
Denn Baldwin spielt nicht nur mit, sondern er ist auch Produzent des Films. Damit ist er mitverantwortlich für die Sicherheitsvorkehrungen am Set. Und die seien, will man diversen Medienberichten glauben, «schockierend ungenügend» gewesen. Ob Baldwin eine Anklage wegen fahrlässiger Tötung droht, werden die Untersuchungen, aber auch die Absichten der Staatsanwältin zeigen.
/fal
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