St. Galler GerichtRichter zweifelt an Aussagen des belarussischen «Spezialsoldaten»
Juri Garawski arbeitete für eine Spezialeinheit des belarussischen Diktators Alexander Lukaschenko. Nach seiner Flucht in die Schweiz 2018 packte er aus. Heute wird ihm deshalb in Rorschach SG der Prozess gemacht.
Das angebliche Mitglied einer belarussischen Spezialeinheit ist vor dem Kreisgericht Rorschach mit Widersprüchen in seinen Schilderungen konfrontiert. Der Richter befragte den Angeklagten während des ganzen Vormittags und zweifelte offenkundig an dessen Aussagen.
Der Angeklagte hat am Dienstag vor Gericht erklärt, dass er in den 1990er Jahre im belarussischen Militär einer Sondereinheit des Innenministeriums angehörte. Er sei für die Festnahme von «Kriminellen» trainiert worden.
Bereits bei seinem Asylantrag 2019 gab der Mann an, im Auftrag des Lukaschenko-Regimes an der Ermordung von drei oppositionellen Politikern beteiligt gewesen zu sein.
Vor den Richtern schilderte der Angeklagte nun, wie er damals Aufträgen zur Entführung und Erschiessung von Personen mitausgeführt habe. Erstmals verhandelte ein hiesiges Gericht den seit 2017 im Schweizer Strafgesetzbuch verankerten Artikel wegen Verschwindenlassens im Auftrag diktatorischer Regime.
Demnach kann auch hierzulande jemand angeklagt werden, wenn die Tat im Ausland begangen wurde. Der Gesetzesartikel gründet auf einem Uno-Übereinkommen. Der Fall findet internationale Beachtung.
Richter stellt Ungereimtheiten fest
Bereits bei der Befragung des Angeklagten strich der Richter jedoch Widersprüche zu getätigten Aussagen an früheren Befragungen hervor. Der Belarusse begründete die Ungereimtheiten mehrfach mit Übersetzungsfehlern.
Der Richter wunderte sich ausserdem über die rasche Karriere, die der Angeklagte in jungen Jahren bis zum Elitesoldat gemacht haben soll. Schliesslich warf ihm der Richter unverblümt vor, gewisse Geschichten frei erfunden zu haben.
Möglicherweise habe er die Beteiligung an den bis heute unaufgeklärten Morden an Oppositionspolitikern ausgedacht, um einen positiven Asylentscheid zu erhalten und in der Schweiz bleiben zu können, unterstellte der Richter dem Angeklagten.
«Ein gewöhnlich Krimineller»
Aufgrund der Erzählungen, nach welchen Entführungen und Morde unvorbereitet durchgeführt wurden, stellte der Richter ein Fragezeichen hinter die Professionalität der angeblichen Spezialeinheit.
Auch sprach das Gericht den Angeklagten auf eine Verurteilung und eine mehrjährige Gefängnisstrafe wegen Erpressung in Belarus in den 2000er Jahren an. «Sie waren nicht nur der Superagent, sondern auch ein gewöhnlicher Krimineller», so der Richter.
Das Gericht befragte den belarussischen Staatsangehörigen zum Prozessauftakt während rund vier Stunden. Die Plädoyers der Pflichtverteidigerin und der Staatsanwaltschaft werden am Nachmittag erwartet.
«Irreführung der Rechtspflege» im Raum
Die St. Galler Staatsanwaltschaft fordert drei Jahre Freiheitsentzug, wobei ein Jahr zu vollziehen sei, falls das Gericht die Beteiligung an den drei Morden feststellt.
Eine Eventualanklage der Staatsanwaltschaft sieht andernfalls vor, den Mann wegen Irreführung der Rechtspflege zu einer bedingen Freiheitsstrafe von neun Monaten zu verurteilen.
SDA/pash
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