Weniger Geld für Radio und TV Pläne für tiefere SRG-Gebühr erschrecken Kantone – aber nicht alle
Nur noch 300 Franken für Radio und Fernsehen: Aus manchen Regionen kommt deutlicher Widerstand gegen die geplante Gebührensenkung.
Das Schreiben kommt aus dem Kanton Thurgau, wo der Wähleranteil der SVP so hoch ist wie in fast keinem anderen Kanton: Eine Kürzung der Radio- und TV-Abgabe auf 300 Franken hätte «weitreichende und schwer vorhersehbare Folgen für die SRG», schreibt die Kantonsregierung an die Adresse von SVP-Bundesrat Albert Rösti. Gezeichnet ist der Brief von Regierungspräsident Urs Martin, einem Parteikollegen Röstis.
Der Bundesrat will die Radio- und TV-Gebühr in Etappen von 335 auf 300 Franken jährlich senken – um so der schärferen Halbierungsinitiative etwas entgegenzusetzen. Politiker der SVP und der Jungfreisinnigen haben das Volksbegehren im letzten August eingereicht. Heute Donnerstag läuft die Vernehmlassungsfrist zu Röstis Vorschlag ab.
Für die Thurgauer Regierung ist klar, dass die SRG ihren Leistungsauftrag «nicht mehr erfüllen» kann, wenn ihr weitere Mittel gestrichen werden. Schon heute erhalte der Thurgau medial relativ wenig Aufmerksamkeit. Dabei sei es in einer Demokratie unerlässlich, dass sich die Menschen informieren könnten.
Vielfältige Kritik
Auch weitere Kantone üben Kritik. Der dreisprachige Kanton Graubünden argumentiert, eine Entlastung um 35 Franken sei für den einzelnen Haushalt kaum spürbar, die negativen Auswirkungen für den Service public seien jedoch massiv. Basel-Stadt kritisiert neben den gesellschaftlichen Folgen auch das Vorgehen des Bundesrats. Dieser habe die Notwendigkeit des Schritts «ungenügend gut begründet».
Uri erinnert an die Sparmassnahmen in der privaten Medienlandschaft. Gerade in ländlichen Regionen sei es «eine Illusion, zu glauben, dass ein Abbau bei der SRG durch andere Anbieter kompensiert werden könnte». Ähnliche Vorbehalte äussern zahlreiche Kantone, insbesondere in der Romandie.
Kurz vor Ablauf der Frist sind noch nicht alle Antworten öffentlich. Befürwortende und ablehnende Kantone scheinen sich aber ungefähr die Waage zu halten.
Zug drückt aufs Tempo
Viele Kantonsregierungen haben Antworten verfasst, die sich mit «Ja, aber» zusammenfassen lassen. Luzern hält den Schritt für «vertretbar», mahnt jedoch, finanzielle Kürzungen hätten «mit Bedacht zu erfolgen», um die Qualität des medialen Service public nicht zu gefährden. Die Aargauer Regierung stimmt dem Vorschlag zu, wünscht sich aber eine übergeordnete medienpolitische Gesamtstrategie (eine solche sei bis anhin «nicht erkennbar»).
St. Gallen betont, es sei zentral, dass die regionale Berichterstattung keine Kürzungen erfahre. Ähnlich klingt es in Genf, wo der Staatsrat Röstis Pläne als «akzeptablen Kompromiss» würdigt – für einen Westschweizer Kanton eine bemerkenswerte Haltung, profitiert die französischsprachige Minderheit doch überproportional von den Leistungen der SRG.
Ein Ja mit Ausrufezeichen kommt derweil aus Zug. Der Kanton befürwortet die Gebührensenkung nicht nur, sondern spricht sich dafür aus, diese «deutlich früher zu vollziehen» als geplant.
Knacknuss für die Mitte
Technisch gesehen könnte der Bundesrat die Antworten nun einfach in der Schublade verschwinden lassen. Denn er will die Gebühr auf dem Verordnungsweg senken – dafür braucht er formell weder die Zustimmung des Parlaments noch jene der Bevölkerung.
Doch gerade im Hinblick auf die Debatte zur Halbierungsinitiative sind die Positionsbezüge aufschlussreich. Mit Spannung wird erwartet, wie sich die Parteien im politischen Zentrum positionieren.
Die Mitte-Partei gilt traditionell als SRG-nah, ihr Präsident Gerhard Pfister fällt aber immer wieder mit Kritik am Medienhaus auf. In der Stellungnahme der Partei heisst es, man ziehe eine mittelfristige Senkung der Haushaltsgebühren auf 300 Franken und eine Erhöhung der Anzahl der von der Gebührenpflicht befreiten Unternehmen «in Erwägung».
Gespräche zeigen, dass die Vorlage innerparteilich umstritten war. Zu den Befürwortern einer starken SRG gehört der Bündner Nationalrat Martin Candinas. Er sagt: «Derzeit hat jeder das Gefühl, man könne schmerzfrei hier und dort noch ein paar Abstriche machen.» Dabei gehe schnell vergessen, dass dadurch das flächendeckende Angebot der SRG in allen vier Landessprachen hochgradig gefährdet werde.
Weiterer Gegenvorschlag möglich
Die Mitte-Partei kritisiert in ihrer Stellungnahme, es sei unüblich, dass ein Gegenvorschlag zu einer Initiative auf Verordnungsstufe gemacht werde. Dies stört auch Martin Candinas. Er hat deshalb beantragt, dass die nationalrätliche Medienkommission das Thema in einer der nächsten Sitzungen aufnimmt. Er sagt: «Wir müssen die Ergebnisse der Vernehmlassung diskutieren. Wenn die Abgabe gesenkt wird, muss dies im Sinne eines breit abgestützten Gegenvorschlags erfolgen – und nicht einfach so nebenher.»
Die FDP befürwortet die Gebührensenkung für Privathaushalte unter anderem mit Verweis auf den veränderten Medienkonsum, wie aus ihrer Antwort hervorgeht. Die Partei fordert zudem, dass alle Unternehmen von der Abgabe befreit werden – und nicht nur rund 80 Prozent, wie es Röstis Pläne vorsehen.
Die GLP hält eine Gebührensenkung zum jetzigen Zeitpunkt für «willkürlich und nicht zielführend». Bevor die Höhe der Abgabe bestimmt werde, müsse über inhaltliche Fragen debattiert werden. Sie regt zudem an, die heutige Finanzierung grundsätzlich zu überdenken, da heute beispielsweise Singlehaushalte überproportional belastet seien. Denkbar ist für die Grünliberalen etwa die Einführung einer Kopfsteuer oder eine Finanzierung über die Mehrwertsteuer.
SP und Grüne lehnen eine Gebührensenkung entschieden ab. Die SVP lehnt den Vorschlag des Bundesrats ebenfalls ab – allerdings, weil er ihr nicht weit genug geht. Die vorgeschlagene Gebührensenkung bewege sich lediglich im «kosmetischen Bereich». Die Gebühren für Unternehmen will die SVP ganz abschaffen. Und sie verlangt, dass die Rolle der SRG neu ausgehandelt wird, so solle sie künftig nur noch eine «subsidiäre» Funktion erfüllen.
Der Bundesrat wird voraussichtlich vor den Sommerferien seine Botschaft zur Halbierungsinitiative ans Parlament überweisen. Denkbar ist, dass National- und Ständerat danach einen Gegenvorschlag auf Gesetzesebene ausarbeiten, der weiter geht als der Plan des Bundesrats.
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