Das Ende von Vizekusen?Bayer dominiert auch die Bayern
Granit Xhaka und seine Kollegen legen mit dem 3:0 fünf Punkte zwischen sich und den Serienmeister. Es ist ihr 31. Spiel ohne Niederlage.
Lukas Hradecky, Leverkusens Goalie und Captain, setzt sich vor der Kurve der Fans auf den Zaun und stimmt mit ihnen ein «Humba Humba Täterä» an. Xabi Alonso schaut derweil, dass keiner vergessen geht. Mit energischer Geste winkt der Trainer seine Mitarbeiter herbei, damit auch sie mit der Mannschaft feiern. Geschlossen ziehen sie dann auf die Ehrenrunde.
Leverkusen ist, zumindest für einen Abend, im Ausnahmezustand. Das 3:0 muss gefeiert werden, weil es ein 3:0 gegen Bayern München ist – und weil es für den weiteren Verlauf der Bundesliga so viel bedeuten kann. Fünf Punkte liegen nun zwischen Bayer und Bayern. Ja, noch immer sind dreizehn Spiele zu bestreiten. Aber es ist die Botschaft an alle: Diese Saison sind wir dran.
Viele Jahre schleppten die Leverkusener einen Beinamen mit, der so etwas wie Programm war: Vizekusen hiessen sie, weil sie trotz hochtalentierter Mannschaften wiederholt an Titeln vorbei schrammten. Dass jetzt alles anders enden kann, hat viel mit Xabi Alonso zu tun.
Wie Granit Xhaka von der Harmonie profitiert
Im Oktober 2022 übernahm der Spanier eine verunsicherte Mannschaft in Abstiegsgefahr und führte sie noch in die Europa League. Im Sommer hat er die Spieler bekommen, die er braucht, um selbst den Serienmeister aus München herauszufordern.
Granit Xhaka ist einer von ihnen und vielleicht der wichtigste von allen. Seine Wichtigkeit lässt sich einfach umschreiben: Er weiss immer, was er machen muss. Besser ist er nie gewesen. Und das liegt auch daran, dass er sich in einem harmonischen Umfeld bewegen kann – anders halt als in jüngster Zeit im Nationalteam.
Niemand spielt besseren Fussball als diese von Alonso fein geschliffenen Leverkusener. Sie beherrschen alles, das Verteidigen und das Stürmen sowieso. Gegen den FC Bayern verlieren sie nie die Ruhe und Disziplin. Ausdruck ihrer Qualität ist es, dass Hradecky im Tor nicht einen einzigen schwierigen Ball halten muss.
Andererseits gönnen sie sich den Spass, in der Offensive so unbeschwert wie zielgerichtet ans Werk zu gehen. Dass seit Wochen ein Victor Boniface fehlt, fällt nicht einmal ins Gewicht, weil Alonso im Sturmzentrum immer die richtigen Lösungen findet. So tut er das auch an diesem Samstag, als er auf einen «klassischen Neuner» verzichtet. Sein Plan geht so gut auf, dass er Thomas Tuchel einfach auscoacht.
Das beginnt schon auf der rechten defensiven Seite. Da schenkt Alonso weiterhin Josip Stanisic das Vertrauen, genau jenem Stanisic, bei dem Bayern vor der Saison das Gefühl hatte, auf ihn verzichten und an Leverkusen ausleihen zu können. In der 18. Minute ist er es, der von einem miserablen Abwehrverhalten des Gegners profitiert und das 1:0 erzielt. Das Spiel ist in entscheidende Bahnen gelenkt.
Gleich nach der Pause legt Alejandro Grimaldo nach. Ablösefrei ist er auf diese Saison von Benfica Lissabon gekommen und zu einem wichtigen Teil in Alonsos Puzzle geworden. Eigentlich ein Defensivspieler, ist der Spanier fähig, gleich die ganze linke Seite abzudecken. Das 2:0 ist schon sein achtes Tor, garniert von zehn Assists.
«Zieht den Bayern die Lederhosen aus!», rufen die Bayer-Fans kurz vor Schluss. Das müssen die Spieler nicht mehr, das haben sie schon gemacht. Und Jeremie Frimpong setzt den Schlusspunkt in der 95. Minute. Nach einem Konter trifft er aus knapp 30 Metern ins leere Tor – Manuel Neuer ist nicht mehr da gewesen, weil er in der Verzweiflung bei einem Corner nach vorne gestürmt ist.
«Angefressen»: Thomas Müller lässt Dampf ab
Dann ist das Spiel aus. Und die Luft bei den Bayern ziemlich dick. Der letzte Trainer, der mit ihnen in Leverkusen verlor, war Julian Nagelsmann. Wenige Tage nach dem 1:2 im vergangenen März wurde er trotz eines Vertrages bis 2026 abgesetzt. Tuchel schien ein guter Nachfolger zu sein.
Gut elf Monate später sieht es nicht mehr so strahlend aus. Unter Tuchel hat es immer wieder schwere Niederlagen gegeben, auch diese Saison, und vor allem sind die Zweifel an seiner Arbeit gereift, weil die Bayern kaum einmal meisterlich auftreten, wie eben eine Mannschaft, die elfmal in Folge den Titel gewann. Dass sie sieben Punkte mehr geholt haben als vor einem Jahr zum gleichen Zeitpunkt, spielt dabei keine Rolle. Sie haben andere Ansprüche zu erfüllen.
Tuchel nimmt dieses 0:3 mit eigenwilliger Wahrnehmung hin. Unter anderem gibt er zum Besten, dieses Spiel fühle sich nicht wie ein 0:3 an. Vielleicht hört er sich einmal das Interview an, das Thomas Müller gleich nach dem Schlusspfiff bei Sky gibt. Müller ist «angefressen», das sagt er so und zeigt seine Mimik auch.
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«In der Analyse können wir uns kurz halten», sagt er und zieht es vor mit seiner Tirade auf die Teamkollegen zu zielen. Ihm fehlt im Spiel das, was sie im Training zeigen: Lockerheit, Entschlossenheit, die Bereitschaft, selbst Entscheide zu treffen. Er vermisst all das, was die Leverkusener im Übermass haben. Und darum zitiert er seinen alten Weggefährten Oliver Kahn: «Da fehlen mir teilweise die Eier.» Elegant ist die Wortwahl nicht, aber bester Ausdruck seines Ärgers.
Was an diesem Abend noch bleibt, ist die Frage an Xabi Alonso: Kann Leverkusen jetzt Meister werden? «Wir sprechen im Mai», sagt der 42-Jährige. Lieber konzentriert er sich auf das nächste Spiel bei Aufsteiger Heidenheim.
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