Spionage in DeutschlandRusslanddeutsche und Deutsch-Chinesen dringend gesucht
Moskaus und Pekings Geheimdienste gehen bei der Anwerbung von deutschen Agenten mit russischem oder chinesischem Hintergrund sehr verschieden vor.
Kaum ein Tag, an dem nicht ein mutmasslicher Spion verhaftet wird: Erst flogen zwei Russlanddeutsche mit Plänen für Sabotage auf, danach drei Deutsche mit chinesischem Hintergrund sowie ein chinesischstämmiger Mitarbeiter eines deutschen EU-Abgeordneten mit Spionage für China. Selbst der dünnlippige deutsche Kanzler Olaf Scholz nannte die Vorfälle «sehr besorgniserregend».
Aus Sicht der deutschen Spionageabwehr war es kein Zufall, dass in den jüngsten Fällen zwei Russlanddeutsche und ein Deutsch-Chinese für ihre vormaligen Heimatländer tätig wurden. Menschen mit binationalen Wurzeln gelten als ein bevorzugtes Rekrutierungsziel ausländischer Geheimdienste. Der deutsche Verfassungsschutz warnt denn auch schon seit längerem vor Spionage durch Russlanddeutsche – durch deutschstämmige Russen also, die nach dem Kollaps der Sowjetunion als Spätaussiedler zu Hunderttausenden nach Deutschland kamen.
China zielt vor allem auf westliches Wissen ab
Bei der Anwerbung ihrer ehemaligen Landsleute gehen Moskau und Peking laut Ermittlern aber sehr verschieden vor. Die russischen Geheimdienste rekrutieren ihre Agenten bislang vor allem im Zielland selbst, in Deutschland also. Die Mittel, die diese einsetzen, reichen von klassischer Spionage über Hacking und Sabotage bis zu Mord an Regimegegnern im Exil.
China hingegen wirbt seine Agenten vor allem bei Reisen oder Aufenthalten in China an und möchte im Zielland möglichst keine Spuren hinterlassen. Oft dienen Kooperationen unter dem Deckmantel der Wissenschaft oder des Handels in Wahrheit der Spionage. Peking zielt auf ziviles und militärisches Wissen ab, das China vom Westen zunehmend verwehrt wird. Antrieb für die Agenten ist häufig Geld.
Jian G., der diese Woche festgenommene chinesischstämmige Mitarbeiter von Maximilian Krah, dem Spitzenkandidaten der AfD für die Europawahl, wird von den deutschen Behörden verdächtigt, schon seit vielen Jahren für den chinesischen Geheimdienst MSS zu arbeiten.
G. kam laut Medienberichten nach Dresden, um zu studieren. Er blieb in Deutschland und wurde deutscher Bürger. Der junge Mann bewegte sich in chinesischen Oppositionsgruppen und bot dem deutschen Inlandgeheimdienst 2006 seine Mitarbeit an. Dieser lehnte ab, weil er G. nicht für vertrauenswürdig hielt. Danach wurde der Deutsch-Chinese, der sich oft in China aufhielt, offenbar für den MSS tätig. Die anderen drei unter Spionageverdacht festgenommenen Deutschen waren ebenfalls vielfältig in China vernetzt, geschäftlich und wissenschaftlich. Thomas R., den deutsche Behörden für einen MSS-Agenten halten, hatte in Peking studiert.
Wem gehört die Loyalität der Russlanddeutschen?
Der Russlanddeutsche Dieter S. wiederum, der sich unter Freunden nur Dimitri nannte, hatte von 2014 bis 2016 bereits für eine russische Einheit in der Ostukraine gekämpft. Viele Russlanddeutsche fühlen sich ihrer vormaligen Heimat noch eng verbunden, auch wenn sie teilweise schon seit Jahrzehnten in Deutschland leben. Viele schauen ausschliesslich russisches Fernsehen und halten sich nur unter ihresgleichen auf.
Politisch neigen viele Russlanddeutsche zur AfD, die als eine der wenigen deutschen Parteien häufig Russlands antiwestliche Weltsicht teilt. Viele Russlanddeutsche begleitet deswegen der Verdacht, ihre Loyalität gelte eher Russland als Deutschland. Die Erkenntnis, dass zwei von ihnen nun sogar dazu bereit gewesen sein sollen, für Russland Anschläge auf Militäreinrichtungen in Deutschland zu verüben, dürfte die Vorurteile gegen die ohnehin schon marginalisierte Bevölkerungsgruppe weiter verstärken.
Fehler gefunden?Jetzt melden.