Packende Schlussphase im FinalDie Besten krönen sich – Spanien ist zum vierten Mal Europameister
Spanien setzt sich gegen England 2:1 durch. So logisch das Ergebnis ist, so bitter ist es für die Engländer, die auch nach 58 Jahren ihrem Traum vom Titel vergebens nachgejagt sind.
Die letzten Sekunden laufen. Flanke, Kopfball von Declan Rice, Abwehr von Unai Simon, Abpraller, Dani Olmo steht auf der Linie, um zu retten.
Und dann ist dieser Final der Europameisterschaft 2024 vorbei. Und das mit dem Ergebnis, das alles andere als ein Zufall ist: Spanien krönt sich gegen England zum Meister Europas, zum vierten Mal nach 1964, 2008 und 2012. Die Besten haben sich durchgesetzt, nach sieben Siegen in sieben Spielen.
Auf der anderen Seite stehen bitter enttäuschte Engländer. Sie haben ein zwiespältiges Turnier hinter sich, mit viel Kritik und wenig Lob. Sie haben ihren Traum gelebt, erstmals nach der WM 1966 endlich einen Titel für ihr Land zu gewinnen. Am Ende fehlt ihnen ein Hauch zur Erlösung. Dass der letzte Gegner besser ist, kann für sie kein Trost sein.
Die Vorfreude auf diesen Abend in Berlin: enorm. Die Erwartungen: ebenso, in Spanien wie natürlich in England. Die Stimmung im Stadion: elektrisierend. Und dann das: diese erste Halbzeit, Fussball maximal für Taktiker, aber bestimmt nicht für Freunde der Unterhaltung.
Die Bilanz zur Pause sagt alles: Spanien ohne Chance, England mit einer halben Chance. Die Spanier sind überlegen, das ist erwartet worden. Heisst: Sie sind viel mehr am Ball, präsent im Pressing und Gegenpressing, so wie sie es das ganze Turnier über schon gewesen sind.
Rodri ist ihr Kopf, das Trio mit Lamine Yamal, Dani Olmo und Nico Williams die Hoffnung, um den Block eines tief stehenden Gegners aufzubrechen. Ansätze sind da, natürlich bei der Qualität dieser Spieler. Aber es sind eben nicht mehr als Ansätze. John Stones blockt einmal brillant gegen Williams. Declan Rice leistet sich nach einem Corner einmal die Fahrlässigkeit, die Hände gefährlich um Aymeric Laporte zu legen und ihn zu Boden zu bringen. Er kommt ohne Foul davon.
Konservative Engländer
Stones spielt vor der Pause ziemlich wuchtig zurück zu Jordan Pickford. Für den englischen Goalie ist das, ein Meter vor der Torlinie, bis dahin die grösste Probe. Was viel sagt zum einen über die Wucht der Spanier im Angriff und zum anderen über die Effizienz der Engländer in der Defensive.
Die Engländer treten sehr konservativ auf, so wie meist in diesem Turnier. Daraus spricht ihr Respekt vor der bisher besten Mannschaft, die ihre sechs Spiele mit 13:3 Toren gewonnen hat. Gareth Southgate ist vom 3-4-2-1 zum 4-2-3-1 zurückgekehrt, um sich besser auf das System und den Offensivgeist der Spanier einzustellen. Sie halten sich gut, Kyle Walker rechts und Luke Shaw links halten sich gegen die Supertalente Williams und Yamal sehr gut und sind zugleich die Spieler, die immer wieder versuchen, die Offensive über die Seiten zu beleben.
Ansätze sind auch bei ihnen zu sehen, zumindest Ansätze, zumindest zwei-, dreimal. Einmal gewinnt Jude Bellingham den Ball gegen Dani Carvajal, seinen Teamkollegen bei Real Madrid, Harry Kane kommt zum Abschluss, aber Rodri ist da, um den Ball zu blocken. Was folgt, ist ein Freistoss, und dem Freistoss folgt ein Schuss von Phil Foden, der Unai Simon wenigstens zu einer Parade zwingt.
Die wirkliche Folge der Szene mit Kane zeigt sich zu Beginn der zweiten Halbzeit, als sich Rodri verletzt abmeldet und durch Zubimendi ersetzt wird. Der beste Spieler dieser EM sitzt auf der Bank, als in diesem Final endlich etwas passiert, das wichtig ist: Yamal, seit Samstag 17 Jahre alt, nutzt die Vorarbeit von Carvajal, um seinen kongenialen Partner auf der linken Seite, den 21-jährigen Williams, den Raum zu öffnen, und Williams lässt sich die Gelegenheit nicht entgehen und erzielt in der 47. Minute das Führungstor.
Und dann ist Oyarzabal da
Zum vierten Mal im vierten K.-o.-Spiel liegen die Engländer 0:1 zurück, wie gegen die Slowakei, die Schweiz und gegen die Niederlande. Aber das Spiel ist lanciert, endlich. Die Spanier halten den Druck hoch, um nachzulegen. Olmo bietet sich eine gute Chance. Stones klärt kurz vor der Torlinie gegen Morata, Williams verfehlt das Tor nur knapp. Das 2:0 liegt in der Berliner Abendluft.
Southgate reagiert und holt Kane vom Platz, den Captain und Rekordtorschützen Englands. Kane ist bis dahin zwar einer von sechs Spieler mit drei Goals an dieser EM, aber es ist nicht der Kane, der wirklich Eindruck macht, auch diesmal nicht. Ollie Watkins übernimmt seinen Platz, wie am Mittwoch, als er den Halbfinal gegen die Niederlande in der letzten Minute entschied.
Gleich darauf dreht sich Bellingham mit einem Trick an drei Verteidigern vorbei und zieht aus 18 Metern ab. Sein Schuss fällt wuchtig aus, aber zu wenig präzis. Southgate reagiert danach zum zweiten Mal: Jetzt wechselt er Cole Palmer ein, das ist der Stürmer, der Watkins vier Tage zuvor das Siegtor aufgelegt hat.
Palmer steht drei Minuten im Einsatz, als Bukayo Saka den Ball in die Mitte spielt und Bellingham diesen Ball mit letztem Einsatz zurücklegt. Palmer kommt angerannt und trifft mit seinem Schlenzer aus 18 Metern in die linke Ecke. Southgate kann sich erneut auf die Schultern klopfen. Die Spanier dagegen wirken im ersten Moment leicht verwirrt.
Das Spiel ist offen und die quälend langweilige erste Halbzeit weit weg. Olmo passt zu Yamal, und der hat den Ball so auf dem Fuss, wie es für ihn nicht besser sein könnte. Pickford ist allerdings zur Stelle, um das 1:2 zu verhindern.
Die Spanier haben sich wieder gefangen, sie lassen den Ball laufen wie im Training, Cucurella schlägt einen Pass in den Strafraum wie im Lehrbuch. Oyarzabal reagiert schneller als Guehi und nutzt die Vorarbeit in der 86. Minute zum 2:1.
Oyarzabal ist der Stürmer, der vor drei Jahren im Elfmeterschiessen des Viertelfinals die Niederlage der Schweiz besiegelte.
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Is it coming home?
50’000 Engländer sollen nach Berlin gereist sein. Und die, die im Olympiastadion sind, singen gerade «Football’s coming home». Gewinnt das Mutterland des Fussballs seinen ersten EM-Titel überhaupt und die erste Trophäe seit 1966?
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Das sagt der englische Trainer Southgate
«Man spielt wegen genau solchen Tagen wie diesen Fussball. Wir können Geschichte schreiben und das ganze Land glücklich machen.»
«Die Spanier sind enorm ballsicher. Wir müssen diszipliniert verteidigen. Aber wir haben alles, um diesen Final gewinnen zu können. Wir wollen uns und unseren Fans die Nacht des Lebens bescheren.»
So spielt England
Bei den Engländern gibt es höchstens eine kleine Überraschung. Linksverteidiger Luke Shaw spielt überhaupt erstmals an dieser EM von Anfang an, er verdrängt Trippier auf die Bank. Shaw war zu Beginn des Turniers noch nicht fit. Ansonsten setzt Trainer Southgate auf die bewährte Aufstellung, diese tüftelte er nach dem enttäuschenden Achtelfinal gegen die Slowakei aus. Zum Leidwesen der Schweiz.
So spielt Spanien
Keine Überraschungen bei den Spaniern. Die Verteidiger Carvajal und Le Normand kehren nach ihren Sperren im Halbfinal zurück. Captain Morata ist, nachdem er nach dem Finaleinzug gegen Frankreich von einem Ordner umgegrätscht worden war, rechtzeitig fit geworden.
Die Gewinnchancen
Wissen wir auch nicht. Aber: Das Statistik-Portal Opta stieg in die Zahlen, gab sie in ihren Cocktail-Shaker und goss die Wahrscheinlichkeiten ins Margarita-Glas: Vor dem Turnier hatte England eine Titel-Chance von 19,9 Prozent, Spaniens Wert lag bei 9,3 Prozent. Jetzt, vor dem Final, berechnet Opta die Chancen so: Spanien 55,3 Prozent, England 44,7 Prozent.
Nichts wird beim Schlusspfiff so alt sein wie diese Prozentzahlen.
Yamal kann der jüngste Europameister werden
Am Samstag feierte Lamine Yamal seinen 17. Geburtstag. Vier paar Tage zuvor ist er mit seinem Treffer gegen Frankreich zum jüngsten EM-Torschützen geworden. Und wenn Spanien heute den Titel holt, ist er auch der jüngste Europameister der Geschichte. Ablösen würde er Renato Sanches, der 2016 mit Portugal den Pokal gewann. Sanches war damals 18 Jahre und 301 Tage alt.
Wer holt sich den Goldenen Schuh?
Apropos Kane: Der Stürmer kann heute Torschützenkönig werden. Aber für den Goldenen Schuh kommen noch fünf weitere infrage. Denn wie Kane haben auch Dani Olmo (Spanien), Cody Gakpo (Niederlande), Georges Mikautadze (Georgien), Jamal Musiala (Deutschland) und Ivan Schranz (Slowakei) drei Tore erzielt.
Die Kriterien der Uefa bei einem Gleichstand sind ziemlich einfach: Es zählen schlicht und einfach nur die Tore. Es kann also sein, dass sich am Ende dieser EM sechs Spieler in den Goldenen Schuh zwängen müssen.
Kane jagt den Titel
Eine spezielle Figur heute Abend wird Harry Kane sein. Der Captain der Engländer schrammte in seiner Club-Karriere bisher an allen Titeln vorbei, sei es mit Tottenham Hotspur und unlängst mit den Bayern in München. Zudem verlor er vor drei Jahren den EM-Final gegen Italien.
Der 30-Jährige will diesen Titel vielleicht mehr als alle anderen. Oder wie er es selbst sagt: «Ich würde alles, was ich in meiner Karriere geschafft habe, für diesen Titel eintauschen.»
Was bisher geschah
So haben sich die beiden Finalisten durch die K.o.-Phase gearbeitet: England mit einem Sieg in der Verlängerung, mit einem gewonnen Penaltyschiessen und schliesslich mit einem Sieg in der regulären Spielzeit. Spanien musste einmal in die Verlängerung und gewann zwei Partien in der regulären Spielzeit.
Blick nach Übersee
Kurzer Exkurs: Das nächste grosse Turnier findet in den USA, Kanada und Mexiko statt, die WM 2026. Gerade testen sie während der Copa America, wie das alles ablaufen wird. Parkplätze beim Stadion kosten 80 Dollar und der Bierpreis hat es ebenfalls in sich. Nachzulesen hier, in unserem Text «An der WM 2026 kommt einiges auf die Fans zu».
Von Kleinwagen und absurden Flugrouten
2,5 Milliarden Euro Transferwert stehen sich heute Abend gegenüber. Das englische Kader ist rund 1,5 Milliarden wert, das spanische knapp eine Milliarde. Gut, aber was verdienen diese Spieler, wenn sie heute Abend den EM-Titel gewinnen? Wir lösen es auf, in unserer Gegenüberstellung mit dem Titel «Für dieses Spiel gibt es noch Tickets so teuer wie ein Kleinwagen».
Guten Abend…
… und herzlich willkommen zum letzten Spiel der Europameisterschaft in Deutschland. Heute geht es um den Titel, Spanien und England stehen sich gegenüber. Die Affiche steigt im Berliner Olympiastadion. Und sie hat es in sich: Entweder gewinnen die Engländer zum ersten Mal eine Europameisterschaft und ihren ersten Titel seit der WM 1966. Oder die Spanier gewinnen ihren vierten EM-Titel und sind damit alleiniger Rekordhalter vor Deutschland.
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