SP-NachwuchsparteiAntisemitismus-Vorwürfe gegen Juso
«Krass Israel-feindlich» und «grenzüberschreitend»: Extremismus-Organisationen kritisieren die Jungsozialisten scharf. Das SP-Präsidium schweigt.
Seit dem Überfall der Hamas auf Israel und dem Ausbruch des Gaza-Krieges stehen die Jungsozialisten unter Strom: Sie veröffentlichen Protestnoten, schliessen sich Boykott-Aufrufen an und decken die Israelis mit Genozid-Vorwürfen ein. Zudem forderten sie, dass die Spendengelder an die mit der Hamas verstrickte Flüchtlingsorganisation UNRWA nicht nur aufrecht erhalten, sondern sogar verdoppelt werden.
Ende Oktober beschlossen die Juso zudem, die BDS-Bewegung zu unterstützen, die einen Boykott aller israelischen Produkte fordert und in Deutschland und Österreich offiziell als antisemitisch gilt. Auch mit der Wortwahl hält sich die Nachwuchsorganisation der SP nicht zurück: Letztes Wochenende verabschiedete sie eine neuerliche Resolution gegen das «Kolonialprojekt» Israel und die «ethnischen Säuberungen» in den besetzten Gebieten.
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Das alles ruft jetzt die Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA) auf den Plan. Mit ihren «krass israelfeindlichen» Resolutionen und der Unterstützung der BDS-Bewegung böten die Juso Antisemitismus Raum – «unter dem Deckmantel der anti-israelischen Kritik», sagt Geschäftsführer Philip Bessermann. Die Juso überschritten damit «die Grenzen dessen, was in einer Demokratie geduldet werden darf».
«Bei den Juso fehlt das Korrektiv»
Die GRA ist prinzipiell unverdächtig und kämpft gegen jeglichen Extremismus. So kritisierte sie auch die Junge SVP, die als Reaktion auf die Juso deren Logo so umformte, dass es jenem der früheren NSDAP ähnlich sah. Auch das sei inakzeptabel. «Die Gleichsetzung der Juso mit der NSDAP verharmlost die Taten des Nazi-Regimes und relativiert den Holocaust», sagt Bessermann.
Für den GRA-Chef ist das Verhalten der beiden Jungparteien «gefährlich», weil es extremistische Tendenzen fördere. Allerdings: Während es bei der Jungen SVP wegen Verbindungen zu rechtsradikalen Organisationen schon Rücktritte gab, sehe er bei den Juso kein solches Korrektiv. «Die GRA warnt die Jungsozialisten davor, die Rolle der antisemitischen Scharfmacher einzunehmen», sagt Bessermann.
Störaktionen: Cassis sagt Auftritt ab
Wohin dieser Extremismus führt, zeigen Vorfälle im Wochentakt. Etwa jener vor zehn Tagen in der Zürcher Zentralwäscherei, einem subventionierten städtischen Veranstaltungsort. Ein jüdisches Kollektiv, das den israelischen Staat ablehnt, organisierte dort einen Anlass, bei dem es zu Anfeindungen, Drohungen und Handgreiflichkeiten kam. Zuschauer, die kritische Einwände äusserten, wurden beim Hinausgehen geschubst und verbal attackiert. Es ist der zweite Vorfall in der Zentralwäscherei seit dem Ausbruch des Gaza-Kriegs. Anfang Jahr stand ein hoher Vertreter der in Deutschland verbotenen Palästina-Bewegung Samidoun auf der Bühne. Samidoun hatte den Angriff auf Israel am 7. Oktober öffentlich gefeiert.
Auch bei Palästina-Demonstrationen kommt es regelmässig zu Ausschreitungen. Vergangenes Wochenende schmierten Vermummte das rote Hamas-Dreieck an die NZZ-Fassade, die Polizei verhaftete daraufhin zehn Personen aus der linksradikalen Szene.
Gar nicht so weit kommen liess es Ignazio Cassis, der diese Woche einen Auftritt an der Universität Freiburg gehabt hätte. Weil ein propalästinensisches Studentenbündnis Störaktionen angekündigt hatte, sah sich der Aussenminister genötigt, den Auftritt abzusagen.
SP-Spitze schweigt, Mitglieder sind enttäuscht
Die Organisation Never Again is Now (Nain), die sich seit dem 7. Oktober 2023 der Bekämpfung von Antisemitismus widmet, stufte diese Woche die Juso als «antisemitische Organisation» ein und verlangte von der SP, dass sie auf den Israel-Kurs ihrer Nachwuchsorganisation reagiert. Sie müsse alle Juso-Mitglieder aus ihren Gremien entfernen und die Fraktionszusammenarbeit einstellen, heisst es in einer Mitteilung. Die Juso müssten von ihrer «antisemitischen Radikalität» ablassen, und von der SP erwarte man «umgehend sichtbare Handlungen».
Tatsächlich sitzt Juso-Chefin Mirjam Hostetmann auch im Präsidium der Mutterpartei. Doch trotz der wachsenden Kritik bleibt eine Reaktion der SP-Führungsspitze weiter aus. Die Co-Chefs Cédric Wermuth und Mattea Meyer beantworten keine Fragen zu den Antisemitismus-Vorwürfen. Auch als der Zürcher Ständerat Daniel Jositsch vor einigen Wochen kritisierte, dass es in seiner Partei an Verständnis für Israel mangle und er «radikal Israel-kritische Tendenzen» beobachte, reagiert das Präsidium nicht. Stattdessen nimmt das Sekretariat Stellung. Der Antisemitismus-Vorwurf gegenüber den Juso werde «instrumentalisiert», sagt SP-Sprecher Nicolas Haesler. «Solche Unterstellungen unterdrücken berechtigte Kritik an den aktuellen, auch von der UNO und dem internationalen Strafgerichtshof festgestellten Völkerrechtsverletzungen durch die israelische Regierung.»
Die SP lehne die BDS-Unterstützung durch die Juso ab, ein vollständiger Boykott wäre nicht im Sinne der Partei, sagt Haesler. Denn dieser treffe oft die Falschen. Er betont, dass die SP sich seit Jahrzehnten gegen Antisemitismus einsetze. So habe sie nach dem 7. Oktober einen überparteilichen Aufruf lanciert, und sie unterstütze ein Verbot von Nazisymbolen, höhere Ausgaben für Minderheitenschutz sowie einen Aktionsplan gegen Rassismus und Antisemitismus.
Doch den internen Kritikern reicht das nicht. Hannah Einhaus, frühere SP-Sekretärin in Bern, hat die Partei aufgrund des israelfeindlichen Kurses verlassen. Ausschlag gegeben habe das Schweigen zu den Vergewaltigungen durch die Hamas, dokumentiert duch die UNO. «Da verging mir die Lust auf den feministischen Streik. Für die SP ist jedes Opfer eines zu viel – ausser es handelt sich um Jüdinnen.»
In der jüngeren SP-Generation ortet Historikerin Einhaus eine bedenkliche Geschichtsvergessenheit, Terror werde auf seltsame Weise glorifiziert. Anders könne sie es sich nicht erklären, dass an Palästina-Demonstrationen in Universitäten Bilder wie jenes von Laila Khaled gezeigt werden, einer palästinensischen Terroristin, die unter anderem 1969 am Attentat auf den Flughafen Kloten beteiligt war.
«Kampagne gegen die Juso»
Juso-Chefin Mirjam Hostetmann sagt, sie setze sich seit Jahren gegen Antisemitismus und Rassismus ein. Die Juso hätten nach dem 7. Oktober das Hamas-Massaker «aufs Äusserste verurteilt» und auch auf die Vergewaltigungen aufmerksam gemacht. Sie spricht von einer «Kampagne gegen die Juso», die berechtigte Kritik an der israelischen Regierung unterdrücken wolle – Kritik, die auch der Strafgerichtshof, der Papst und israelische Historiker äusserten. «Das ist nicht antisemitisch.»
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