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Pro und Kontra Werbeverbot
Soll die Schweiz die Initiative «Kinder ohne Tabak» annehmen?

Rauchen ist für Kinder besonders schädlich. Deshalb soll die Werbung möglichst stark eingeschränkt werden – über das Wie entscheidet das Stimmvolk am 13. Februar an der Urne.
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Ja

Charlotte Walser

«Heute Tabak! Morgen Cervelat?» Das steht auf den Plakaten zur Initiative «Kinder ohne Tabak» – mit dem Zusatz: «Nein zur extremen Verbots-Initiative!» Für die Aargauer gibt es eine Version mit Rüeblitorte, für die Romands eine mit Weisswein. Die Betrachterin fragt sich unweigerlich: «Was will uns der Staat denn noch alles verbieten?» Ein Verbot von Cervelats oder auch nur der Werbung dafür: Das wäre tatsächlich extrem.

Droht so etwas bei einem Ja zur Tabakinitiative? Zwar gibt es Forderungen, die Werbung auch für ungesunde Lebensmittel einzuschränken. Bloss: Im Parlament hatten diese bisher keine Chance. Dass auf ein Ja zur Initiative eine Verbotslawine folgen würde, ist unwahrscheinlich: Obwohl die meisten europäischen Länder schon lange strenge Tabakwerbeverbote kennen, ist Wurst- oder Tortenwerbung nirgendwo verboten. Sollte ein Cervelat-Werbeverbot dennoch eines Tages zum Thema werden, könnte erneut eine Abstimmung erzwungen werden.

Aktuell geht es um etwas anderes: Zur Debatte steht ein Verbot von Werbung, die Kinder und Jugendliche erreicht – für ein Produkt, das nicht bloss ein bisschen ungesund ist, sondern stark abhängig macht und zu vielen vorzeitigen Todesfällen führt. Die Cervelat-Kampagne ist ein hilfloser Versuch, davon abzulenken. Mangels Argumenten beschwören die Gegner der Tabakinitiative das Bild eines Staates herauf, der seine Bürgerinnen und Bürger immer stärker bevormundet.

Doch das Verbot, das zur Debatte steht, ist kein taugliches Beispiel dafür. Denn es betrifft gerade nicht die Freiheit mündiger Bürgerinnen und Bürger: Erwachsene dürfen bei einem Ja weiterhin rauchen, so viel sie wollen. Geschützt werden sollen Kinder und Jugendliche, die gemäss Studien für Werbung besonders empfänglich sind – vor Werbung, die sie zum Rauchen animieren will.

Der Gegenvorschlag genügt nicht

Zwar streiten die Tabakkonzerne ab, dass sich ihre Werbung gezielt an Kinder und Jugendliche richtet. Tatsache aber ist, dass ein grosser Teil der Rauchenden vor dem 18. Altersjahr mit dem Rauchen beginnt. Will die Tabakindustrie neue Kundinnen und Kunden gewinnen, muss sie also auf Jugendliche zielen. Dass sie deshalb weiterhin an Festivals, in Gratiszeitungen und in sozialen Medien werben möchte, ist also nachvollziehbar.

Unverständlich ist dagegen, dass das Parlament in diesem Punkt der Tabaklobby folgte und im Gesetz, das als indirekter Gegenvorschlag dient, keine strengeren Regeln beschloss: Nur auf Plakaten, in Kinos und auf Sportplätzen soll es gemäss dem Gesetz keine Tabakwerbung mehr geben. Damit blieben ausgerechnet jene Werbearten erlaubt, die besonders Jugendliche erreichen: Werbung an Festivals, in Gratiszeitungen und in sozialen Medien.

Mit einem Ja zur Tabakinitiative kann diese Lücke geschlossen werden. Die einzige Folge für die Erwachsenen wäre, dass auch sie weniger Tabakwerbung zu sehen bekämen. Unverhältnismässig ist das nicht: Ein Ja zur Initiative «Kinder ohne Tabak» kann dazu beitragen, dass weniger Jugendliche mit dem Rauchen beginnen. Niemandes Freiheit wird dadurch eingeschränkt – ausser jene der Tabakindustrie.

Nein

Gregor Poletti

Zweifellos, der Name der Initiative ist gut gewählt: Wer kann schon dagegen sein, dass «Kinder ohne Tabak» aufwachsen. Aber auch wer am 13. Februar ein Nein in die Urne legt, stärkt den Jugendschutz. Der vom Parlament erarbeitete indirekte Gegenvorschlag, das Tabakproduktegesetz, kann unabhängig vom Ausgang über die Initiative in Kraft treten. Bei einem Ja zur Initiative müsste es nachträglich angepasst werden. Der Gegenvorschlag sieht ebenfalls weitreichende Einschränkungen der Tabakwerbung für Kinder und Jugendliche vor. Und hat etwas aufgenommen, was bei der Initiative nicht berücksichtigt wurde: ein Verkaufsverbot von Tabakprodukten an unter 18-Jährige in der ganzen Schweiz – heute liegt das Mindestalter in 12 Kantonen bei 16 Jahren.

Der Vorteil des Gegenvorschlags: Die Einschränkungen sind präzise formuliert. Dies im Gegensatz zum Volksbegehren, wo im Initiativtext lediglich steht, dass «jede Art von Werbung für Tabakprodukte, die Kinder und Jugendliche erreicht», verboten werden soll. Nur wie soll diese Abgrenzung erreicht werden?

Fast jedes Produkt kann heutzutage auch Jugendliche erreichen, ausser die Werbung wird ganz gezielt an Erwachsene gerichtet wie etwa Mails oder gezielte und personalisierte Werbung im Internet. Die Initianten bestreiten dies, ihrer Auffassung nach wäre beispielsweise Werbung in einer Qualitätszeitung mit erwachsenem Publikum weiterhin erlaubt. Diese Interpretation ist fadenscheinig und täuscht darüber hinweg, dass die Initianten im Grunde genommen ein vollständiges Werbeverbot wollen – aber dann sollen sie dafür auch geradestehen.

Das durch die Initiative erzwungene faktische Werbeverbot hätte zur Folge, dass Tabakwerbung in den Medien und an den Veranstaltungen nicht mehr möglich ist. Da stellt sich die Frage, weshalb ein legales Produkt überhaupt nicht mehr beworben werden darf? Mündigen Bürgerinnen und Bürgern sollte es selbst überlassen werden, ob sie sich dieser Gefahr aussetzen wollen oder nicht. Das ist ja beim Alkohol auch nicht anders.

Initiative könnte auch kontraproduktiv wirken

Was auch nicht mehr beworben werden dürfte, wären Tabakformen wie E-Zigaretten, erhitzter Tabak oder Kautabak. Damit wäre Werbung für Erwachsene, die auf andere Produkte umsteigen könnten, faktisch nicht mehr möglich. Wenn man eine Verbesserung der Volksgesundheit anstrebt, wäre dies jedoch kontraproduktiv. Denn jede Raucherin und jeder Raucher, der von der Zigarette zu einem dieser Produkte wechselt, konsumiert zwar deshalb noch nicht etwas Gesundes, aber sicher etwas deutlich weniger Schädliches.

Hat man tatsächlich die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen im Visier, taugt ein so striktes Werbeverbot, wie dies die Initiative vorsieht, nur sehr bedingt. Will man diese zu einem rauchfreien Leben animieren, muss man anderswo ansetzen. Das geht vor allem über eine sinnvolle Präventionspolitik etwa via Aufklärung an Schulen und nicht über Verbote. Das ist mühsamer und aufwendiger, aber täuscht nicht eine schnelle Lösung vor, wie das die Initiative «Kinder ohne Tabak» tut.