Wirbel um Christian KrachtSolidarität ist ein herbes Parfüm
Autor Christian Kracht verzichtet auf den Schweizer Buchpreis. Handelt der Dandy selbstlos? Nun ja.

Ein Einzelgänger macht mit einer Gönnergeste auf sich aufmerksam: Christian Kracht will den Schweizer Buchpreis nicht.
Für die Ablehnung seiner Nomination nennt er zwei Gründe. Erstens will er «den anderen nominierten Schriftstellerinnen eine bessere Chance auf den Preis geben». Er habe den Preis ja bereits 2016 gewonnen.
Krachts zweites Argument zielt auf einen Artikel des Schreibenden vom letzten Jahr. Es ging um die Frage, warum genau die Kulturstiftung Pro Helvetia einen Bestsellerautor aus reichem Haus wie Kracht subventioniert.
In seinem Rückzugsbrief schreibt Kracht nun, er wolle «der Diskussion über die Förderung meines Werkes, wie sie bisweilen in einigen Schweizer Medien betrieben wird, nicht weiteren Stoff liefern».
Vom eigenen Verlag vorgeschlagen
Darf man ihm glauben? Schliesslich liebt Christian Kracht die Verwirr- und Vexierspiele, die Überblendung der Realität mit Fiktion.
So trägt der Schweizer schon mal wie die Hauptfigur seines Meisterwerks «Faserland» eine Barbourjacke und bedeutet einem Germanisten, es handle sich dabei um «das Original» des Romans. Der Globetrotter – mal lebt er in Los Angeles, mal in Kathmandu, mal in Zürich – kultiviert in seinen seltenen Interviews und Auftritten eine Aura des Nebulösen, Rätselhaften.
Mit dem Rückzug seines Buchs «Eurotrash» aus dem Buchpreis-Wettbewerb gibt Kracht nun ein neues Rätsel auf. Seltsam ist etwa, dass er von seinem eigenen Verlag Kiepenheuer & Witsch für den Preis vorgeschlagen worden war. Die Anmeldung für den wichtigsten Schweizer Literaturpreis erfolgt jeweils nur mit explizitem Einverständnis der Autoren. Als er dann tatsächlich nominiert wurde – die Jury lobte seine «listig arrangierte Autofiktion» –, schickte Kracht den Rückzugsbrief.
Ist es Kalkül? Um mit einem allzu späten Rückzug Aufregung und Verwirrung zu stiften? Dem erratischen Ruf gerecht zu werden?
Ist es tatsächlich Solidarität? Im Brief verwendet Kracht, der sich stilistisch und habituell ansonsten gern aufs Konservative kapriziert, jedenfalls typische Zeichen solidarischen Schreibens – etwa das generische Femininum.
Oder ist es doch Kalkül? Um mit einem allzu späten Rückzug Aufregung und Verwirrung zu stiften? Dem erratischen Ruf gerecht zu werden? Kracht selber will nichts weiter sagen. Auch sein Verlag verweigert jede Auskunft.
Ratlose Organisatorin
Fakt ist, dass Kracht mit seinem späten Rückzug viele desavouiert hat. Nicht nur die Jury, sondern auch Mitbewerber und Organisatorinnen. Eine Nachnominierung ist nicht möglich, die frisch gedruckten Broschüren sind bereits veraltet, Veranstaltungen müssen neu geplant werden.
Organisatorin Tanja Messerli, Geschäftsführerin des Schweizer Buchhändler- und Verlegerverbands SBVV, ist ziemlich ratlos. Sie könne Krachts Entscheid jetzt nur akzeptieren. «Seine Gründe bleiben mir allerdings rätselhaft.» Schriftstellerin Veronika Sutter, die ebenfalls für den Preis nominiert ist, sagt: «Hätte sich Christian Kracht früher für einen Verzicht entschieden, würde nun jemand anders von der Nomination profitieren.»
Für die Nomination hat Kracht übrigens noch 3000 Franken zugute. Bisher hat er das Geld nicht abgelehnt. Ebenso wenig seine Nomination für den Deutschen Buchpreis, die diese Woche auch bekannt geworden ist.
Christian Kracht bleibt die Sphinx der deutschen Gegenwartsliteratur.
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