Neues StromgesetzBundesrat nimmt Solaranlagen bei zu viel Sonne vom Netz
Um das Stromnetz vor Überlastung zu schützen, sollen Photovoltaikanlagen zu Spitzenzeiten im Sommer begrenzt werden. Was das für Besitzer von Solarpanels bedeutet.

- Der Bundesrat hat Regeln zur Netzabkopplung von Solaranlagen beschlossen.
- Maximal drei Prozent der Jahresproduktion von Solaranlagen dürfen verloren gehen.
- Anbieter von Solaranlagen unterstützen die Massnahme wegen potenzieller Netzkostenreduktion.
- Dafür müsse der Bund die Mindestvergütung für kleine Solaranlagen erhöhen.
Die Zahlen sind eindrücklich: 2024 wurden in der Schweiz 1800 Megawatt Solarstrom zugebaut. Zuletzt betrug der Anteil des Solarstroms 10 Prozent der Schweizer Stromproduktion – Tendenz steigend. Das bringt ein Problem: An besonders sonnigen Tagen im Sommer wird am Mittag sehr viel mehr Solarstrom ins Netz gespeist, als effektiv verbraucht wird. Das Netz wird überlastet und müsste deshalb für mehrere Milliarden ausgebaut werden, um künftige Schwankungen auszugleichen.
Deshalb sieht das Stromgesetz vor, dass Solaranlagen an Spitzentagen vom Netz entkoppelt werden können. Am Mittwoch hat der Bundesrat die Details dazu beschlossen – die Regeln treten 2026 in Kraft.
Finanzieller Ausfall laut Branchenvertretern verkraftbar
Für die Besitzer von Solaranlagen bedeutet die Abkopplung bei Produktionsspitzen einen finanziellen Verlust. Damit dieser nicht zu hoch ausfällt und sich das Installieren einer Solaranlage weiter lohnt, dürfen Anlagen nicht beliebig oft vom Netz abgekoppelt werden. Maximal drei Prozent der Jahresproduktion dürfen verloren gehen. Laut Berechnungen von Energieunternehmen entspricht dies einem Verlust von 25 Franken für ein durchschnittliches Einfamilienhaus mit PV-Anlage.
Angesichts dieser Zahlen unterstützen Anbieter von Solaranlagen die Drosselung: «Wir müssen Mittagsspitzen, die das Netz überlasten, brechen», sagt etwa Noah Heynen, CEO von Helion. Der finanzielle Ausfall durch die Massnahme sei verkraftbar, der Effekt auf das Netz umso grösser. «Wir müssen als Branche unsere Verantwortung wahrnehmen», findet Heynen.
Denn mit der Massnahme spart der Staat Geld beim Netzausbau. Der Verband Schweizer Energieunternehmen (VSE) rechnet bis 2050 ohne kostendämpfende Massnahmen mit 9 Milliarden Franken Netzkosten pro Jahr – mehr als doppelt so viel wie heute. Das Geld müssten die Konsumenten über ihre Stromrechnung begleichen.
Viel wichtiger sei eine angemessene Mindestvergütung für den Solarstrom, sagt Stefan Batzli, der Geschäftsführer des Dachverbands der Wirtschaft für erneuerbare Energien und Energieeffizienz AeeSuisse: «Es braucht eine Sicherheit beim Preis, damit in die Solarenergie investiert wird.» Gemäss Berechnungen des Verbands braucht es je nach Anlagetyp 8 bis 9 Rappen pro Kilowattstunde. Anfangs sah das Bundesamt für Energie (BFE) null Rappen als Mindestvergütung vor. Die Energiewende würde damit abgewürgt, fürchteten Branchenvertreter – und machten Druck.
Bundesrat bessert bei den Tarifen nach
Nun hat der Bundesrat die Tarife angepasst. Bei kleinen Anlagen beträgt die Mindestvergütung 6 Rappen, gegenüber 4,6 Rappen, im Entwurf. Für mittlere Anlagen zwischen 30 und 150 Kilowatt beliess der Bundesrat die Vergütung unverändert bei null Rappen. «Für Mehrfamilienhausbesitzer, aber auch für Landwirtschaftsbetriebe ist der Anreiz damit nicht sehr hoch, in eine Anlage zu investieren», sagt Stefan Batzli. Insgesamt sei die Vorlage aber deutlich besser als im ersten Entwurf.
Kritischer sieht die Schweizerische Energie-Stiftung die Verordnung. Zwar sei die Vorlage gegenüber dem Entwurf verbessert worden, die Mindestvergütungen seien jedoch immer noch zu tief, sagt Léonore Hälg, Solarexpertin bei der Energiestiftung: «Mit den neuen Mindestvergütungen sind vor allem kleine Solaranlagen nur dann profitabel, wenn die privaten Produzentinnen und Produzenten einen relevanten Teil des Stroms selbst verbrauchen und so Stromkosten sparen. Das Nachsehen haben Besitzer grosser Dachflächen mit wenig Eigenverbrauch.» Sie würden deshalb nur einen Bruchteil des PV-Potenzials auf ihrem Dach realisieren.
Werden Solaranlagen an Spitzentagen abgekoppelt, ist der Strom vom Hausdach nicht verloren. Produzenten können den Solarstrom selbst verbrauchen, Unternehmen bieten dafür bereits heute Pakete an. Hier hat der Bundesrat bessere Bedingungen geschaffen, indem die Netznutzungsgebühr nur einmal fällig wird.
Nachgebessert hat er auch beim Zusammenschluss von Anbietern und Verbrauchern zu sogenannten lokalen Elektrizitätsgemeinschaften. Der Solarstrom muss nicht mehr den Umweg über einen Energieversorger nehmen, sondern fliesst künftig direkt von der Solaranlage an die Verbraucher. Hier hat der Bundesrat den Rabatt für die Netznutzung auf 40 Prozent festgelegt und damit gegenüber dem Entwurf verdoppelt. Damit werde die Nutzung von lokalen Gemeinschaften auch für Mieter interessant, heisst es in der Energiebranche.
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