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Klimarettung der anderen ArtSo wollen Forscher Millionen Tonnen von Algen in den Atlantik absenken

Wegen der Klimaerwärmung und der Überdüngung der Meere kommt es zu immer stärkeren Blüten von Meeresalgen in der Sargassosee. Forscher haben nun eine Methode gefunden, dem entgegenzuwirken.  

Braune Flut: Sargassum-Algen haben in Puerto Morelos, Mexiko, ein Ferienresort verunreinigt.
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Bereits Christoph Kolumbus beschreibt in seinen Aufzeichnungen eine grosse Ansammlung von Algen in der Sargassosee, einem 5,3 Millionen Quadratkilometer grossen, von zirkulären Meeresströmungen umschlossenen Gebiet nordöstlich der Karibik. Er und seine Männer befürchteten, ihre Schiffe könnten im dichten Gewimmel der Algen stecken bleiben. Nun lässt die Klimaerwärmung die Sargassum-Alge zu immer grösseren Flächen anwachsen, die in Küstennähe für Meerestiere, Mensch, den Tourismus und die Fischerei zur Plage werden. 

Sogar vom Weltall aus zu sehen: Sargassum (Pink eingefärbt) ist an der Küste von Puerto Aventuras, südlich von Cancún, Mexiko, zu sehen. 

Der je nach Jahreszeit unterschiedlich grosse Teppich von Braunalgen hat auf der Hochsee eine wichtige Funktion: Fische, Schildkröten und andere Meerestiere finden hier Zuflucht und eine Kinderstube. Bis zum Hochsommer hat der Algenteppich seine grösste Ausdehnung erreicht und zerfällt dann mit dem Einsetzen der Herbststürme langsam. Die nun kleineren Teile der Algendecke werden mit den Strömungen an die Küsten getragen.

Zunehmende Blüte wegen Klimaerwärmung und Überdüngung  

Forscher der University of South Florida haben den sogenannten Grossen Atlantischen Sargassum-Gürtel seit 2011 mit Satellitenbildern genauer verfolgt und seither seine zunehmende Ausbreitung während der Blütezeiten beobachten können.

Eine der grössten Blüten der Algen wurde bis jetzt im Sommer 2018 gemessen: Der Algenteppich reichte dann von der Westküste Afrikas bis zum Golf von Mexiko und umfasste rund 20 Millionen Tonnen Sargassum-Algen, die sich über 8000 Kilometer erstreckten. Das bedeutet eine Zunahme von 1000 Prozent im Vergleich zur Blüte im Jahr 2011. Im Juni 2022 schätzte der Ozeanograf Chuanmin Hu die Biomasse der Algen auf 24,4 Millionen Tonnen, etwa viermal das Gewicht der grossen Pyramide von Gizeh. 

Angesichts der Klimaerwärmung gehen Wissenschaftler davon aus, dass sich die Regenfälle in bestimmten Gebieten verstärken werden und dies auch bereits getan haben. Die intensiveren Regenschauer erhöhen die Häufigkeit von Überschwemmungen in Gegenden wie dem Amazonasbecken, wodurch der Stickstoffgehalt des Wassers ansteigt. Das nährstoffreichere Wasser gelangt bei der Amazonasmündung dann mehrere Hundert Kilometer ins Meer hinaus, wird von den Meeresströmungen weitergetragen und führt zu einer verstärkten Blüte der Sargassum-Algen. Durch diesen Mechanismus kann auch Humus, der bei der Abholzung des Amazonas freigesetzt wird, ins Meer gelangen und die Algenblüte verstärken. 

Eine 2021 veröffentlichte Studie des Biologen Brian Lapointe von der Florida Atlantic University ergab, dass die Sargassum-Algen im Durchschnitt 35 Prozent mehr Stickstoff enthielten als Proben, die drei Jahrzehnte zuvor entnommen worden waren. Dies sei auf den vermehrten Einsatz von Kunstdünger ab den 1980er-Jahren zurückzuführen, welcher die Meereschemie im Nordatlantik zusammen mit menschlichen Abwässern verändert habe. Auch auf den Atlantik hinausgeblasener Sahara-Sand soll durch seinen Eisen- und Mineraliengehalt die Blüte der Algen fördern.  

Eine zunehmende Plage: Sargassum-Algen haben einen Strand in Cancún, Mexiko, verschmutzt.
Eingeschränktes Ferienvergnügen: Ein Badestrand in Cancún, Mexiko, ist von Sargassum-Algen bedeckt. 
Keine schöne Aussicht: Eine Urlauberin sitzt neben einem grossen Haufen von Sargassum-Seealgen in Playa del Carmen, Mexiko. 

Problem für Tier und Mensch 

Die immer ausgeprägtere Blüte der Braunalgen führt zu ökologischen Problemen, die sowohl die Natur als auch den Menschen selber betreffen: Immer häufiger werden die Küsten der Karibik, Floridas und Mexikos von grossen Teppichen der absterbenden Sargassum-Algen überschwemmt. Dort führen sie zu Schwierigkeiten für die Tierwelt, die Fischerei, den Tourismus, aber auch für zentrale Infrastrukturen wie Wasser- und Stromversorgung. Sobald sich die Algen an den Stränden abgesetzt haben oder sich auf Korallenriffen, Seegraswiesen oder in Mangroven ansammeln, löst das verrottende Sargassum einen Sauerstoffmangel in den seichten Küstengewässern aus, blockiert das für die Photosynthese notwendige Sonnenlicht und setzt giftige Gase wie Schwefelwasserstoff frei und tötet oder schwächt so die dort lebende Tier- und Pflanzenwelt.

Beim Menschen kann die Braunalge neben der Störung der Fischerei und des Badetourismus durch den bei der Zersetzung entstehenden Schwefelwasserstoff gesundheitliche Probleme wie Kopfschmerzen, Augenreizungen oder Bewusstlosigkeit hervorrufen.

Sargassum-Alge als Kohlenstoffspeicher 

Die Entsorgung der grossen Mengen an abgestorbenen Sargassum-Algen stellt ein weiteres Problem dar, weil sie Schwermetalle enthalten – insbesondere Arsen – und darum nicht ohne weiteres als Dünger oder Nahrungsmittel eingesetzt werden können. Das Arsen könnte das Trinkwasser belasten, darum haben mehrere karibische Staaten sogar ein Verbot erlassen, Sargassum zu kompostieren. 

Da die Alge aufgrund ihrer Fähigkeit zur Fotosynthese aber einen guten Kohlenstoffspeicher darstellt, erwägen Forscher nun, sie mit Robotern einzusammeln, zu bündeln und auf den Meeresgrund zu versenken. Damit liesse sich ein Beitrag zur Senkung des Kohlenstoffs in der Atmosphäre leisten. Zur Realisierung dieses ambitionierten Projekts haben sich der Ozeanograf Ajit Subramaniam und das britische Start-up Seaweed Generation zusammengetan: Subramaniam untersucht, wie sich die Alge in grossen Tiefen verhält, während das Start-up die Entwicklung eines Roboters zur Versenkung des Sargassum vorantreibt. Subramaniam erklärte dazu gegenüber dem «Guardian»:

«Mit Sargassum ist eine grosse Menge an Kohlenstoffbiomasse verbunden – etwa 3 Millionen Tonnen im Grossen Sargassum-Gürtel. Durch Fotosynthese nimmt es atmosphärisches Kohlendioxid auf und wandelt es in organischen Kohlenstoff um. Wenn man es auf den Meeresboden absenken würde, liesse sich dieser Kohlenstoff für einige Jahrhunderte speichern. Man hätte der Erde damit Zeit verschafft, die Kohlenstoffkurve abzuflachen. Die Idee, dass dies eine naturbasierte Lösung sein kann, um einen Teil dieses sehr kleinen, aber immer noch bedeutenden Anteils des atmosphärischen Kohlendioxids loszuwerden, halte ich für eine wichtige und aufregende Idee.» 

Ambitioniertes Projekt: Das Start-up Seaweed Generation möchte mithilfe von Robotern grosse Mengen an in den Algen gespeichertem Kohlenstoff in der Tiefsee versenken. 

Das Start-up Seaweed Generation hofft derweil, die Entwicklung und den Einsatz des Roboters durch Emissionsgutschriften finanzieren zu können. Die Sargassum-Alge muss in einer Tiefe zwischen 2000 und 4000 Metern versenkt werden, weil sie in seichtem Wasser verrotten und Methan freisetzen würde. Da Sargassum Kohlstoffdioxid deutlich schneller aufnehmen kann, als etwa Wälder dies tun, sieht das Start-up das Projekt trotz seines kleinen Beitrags zur weltweiten Senkung der Treibhausgase als sinnvoll an. Der Weltklimarat geht davon aus, dass bis zum Jahr 2050 jährlich 10 Milliarden Tonnen Kohlenstoff aus der Atmosphäre entfernt werden müssen, um die globale Erwärmung unter 1,5 °C zu halten und unumkehrbare Klimakipppunkte aufzuhalten. 

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