Algenpest im AtlantikDie braune Flut im Meer
In der Sargassosee breitet sich ein Algenteppich aus. Forscher sagen: Das Problem ist menschengemacht.
Eine braune, stinkende Masse verwesenden Seetangs verrottet an den Stränden Floridas, der Karibik und Mexikos. Die ursprünglich golden-grünlich schimmernden Meeresgewächse sind zu dicken Matten verfilzt, und ihre Verwesung setzt giftigen Schwefelwasserstoff frei, der in Augen und Schleimhäuten brennt. Seit einem Jahrzehnt schwappen solche Braunalgenschwemmen zunehmend häufiger an die Strände.
Der Ursprung der Braunalgen ist die Sargassosee. Dort schwimmt in der eigentlich nährstoffarmen Hochsee eine grüngoldene Oase der Biodiversität: Ein dichtes Geflecht von meist zwei Meter grossen Sargassum-Algen. Im Gegensatz zu anderen grossen Braunalgen verankern sie sich nicht am Boden, sondern schweben frei im Wasser. Der Algenwald bietet Schutz und Nahrung für viele Bewohner und dient als Kinderstube für Fische und Meeresschildkröten. Die Ausscheidungen und Abfälle der Tiere, der aufs Meer gewehte Saharastaub sowie Auftriebsgebiete vor der westafrikanischen Küste versorgen die Algen mit Nährstoffen.
Doch das einzigartige Ökotop verändert sich: Satellitenaufnahmen zeigen, dass aus dem früher eng umgrenzten Algenwald ein 8850 Kilometer langer «Grosser Atlantischer Sargassum-Gürtel» geworden ist. Diese grösste Algenblüte der Welt reicht von der westafrikanischen Küste bis in die Karibik und den Golf von Mexiko hinein. Doch wie kommt sie zustande?
Schwerwiegende Folgen fürs ökologische Gefüge
Ein US-amerikanisches Forscherteam hat jetzt eine Sammlung von 488 Sargassum-Gewebeproben von Forschungsfahrten aus den 1980er- und 2010er-Jahren verglichen. Im Fachmagazin «Nature Communications» beschreiben die Meeresbiologen drastische Veränderungen bei den wichtigen Pflanzennährstoffen Stickstoff und Phosphor als Auslöser der Algenpest. Der Sargassum-Gürtel ist demnach menschengemacht: Die Abholzung der Amazonas-Regenwälder und der weltweit stark gestiegene Einsatz von Kunstdünger haben die Meereschemie im Nordatlantik grundlegend verändert, mit schwerwiegenden Folgen für das ökologische Gefüge.
Aus einer Oase der Biodiversität, begrenzt von Strömungen und knappem Nährstoffangebot, wird jetzt eine gefährliche «braune Flut»: Grosse Teppiche aus abgestorbenen Braunalgen überschwemmen seit 2011 immer häufiger die Strände der Karibik, Floridas und Mexikos und begraben alles Leben unter sich. Sogar grosse Meeresschildkröten verfangen sich darin und erreichen wegen der zähen Barriere nicht mehr ihre Nistplätze an den Sandstränden.
Da der starke Einsatz von Kunstdünger dort erst in den 1980er-Jahren begann, wurden auch Daten mit einer noch ungestörten Meereschemie erfasst, die nun als Referenzwert dienen. Durch die landwirtschaftlichen Abwässer wurden dann immer mehr stickstoffhaltige Düngemittel von den Äckern über die Flüsse bis ins Meer gespült.
Der Amazonas ist allein für 20 Prozent des atlantischen Süsswasserzuflusses verantwortlich, Humus von den grossflächigen Waldrodungen wird vom Regen in den Fluss getragen. Satellitenbilder zeigen, wie sein von Schwebstoffen gefärbter Wasserkörper bis zu 620 Kilometer weit in den Atlantik hineinreicht. Aber auch Orinoco, Mississippi und Kongo-Fluss tragen ihre Last aus Landwirtschaft und Viehhaltung sowie städtischen Abwässern. In den Sargassum-Proben aus dem Jahr 2010 war der Stickstoff-Gehalt im Vergleich zum Referenzwert um 35 Prozent höher. Das ist den Autoren zufolge wahrscheinlich der Hauptgrund dafür, dass sich die Algen derart ausgebreitet haben.
Der Grosse Sargassum-Gürtel und die braune Flut könnten zur «neuen Normalität» werden, vermutet die Meeresökologin Hazel Oxenford von der University of the West Indies auf Barbados. Lapointe und andere Meeresbiologen fordern jetzt Lösungen, um die Nährstoffflut ins Meer einzudämmen und Küstengemeinden bei ihrem Kampf gegen die braune Flut zu helfen.
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