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Debatte über US-Gesetz
Joe Bidens Polizeireform ist ein heikler Balanceakt

Als Präsidentschaftskandidat versprach er, gegen Polizeigewalt vorzugehen: Joe Biden grüsst Polizisten im Oktober 2020. 
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Im Wahlkampf war die Trennlinie klar: Auf der einen Seite stand Donald Trump, der «Law and order»-Präsident. Er nutzte die zum Teil gewaltsamen «Black Lives Matter»-Demonstrationen gegen Polizeibrutalität im vergangenen Sommer, um den Wählern Angst zu machen, und versprach, für Ordnung zu sorgen. Auf der anderen Seite stand Joe Biden. Er redete über «systemischen Rassismus» bei der Polizei, über die berechtigte Wut der Schwarzen, über Reformen und «Heilung».

Jetzt ist Biden Präsident, und es zeigt sich, dass die Trennlinien in der politischen Realität nicht so scharf sind. Dass viele Polizeibehörden in den USA ein Problem mit Gewalt und Rassismus haben, ist offensichtlich; wer und wie man es lösen kann, ist weniger klar.

Tödliche Würgegriffe verbieten

Das beginnt zunächst mit der Zuständigkeit. In den USA ist die Polizei eine Angelegenheit der Bundesstaaten, der Städte und Gemeinden. Sogar einzelne Institutionen wie Universitäten können Polizeikräfte unterhalten. Die Bundesregierung und der Präsident in Washington haben da wenig mitzureden.

Zudem ist Polizeibrutalität keine simple Sache der Parteizugehörigkeit. Im Gegenteil: Die meisten Städte, in denen überproportional viele Schwarze von Polizisten getötet werden, werden von Demokraten regiert. Derek Chauvin, der weisse Polizist, der voriges Jahr den Schwarzen George Floyd umgebracht hat und dessen Prozess an diesem Montag beginnt, gehörte dem Minneapolis Police Department an. Die Stadt hat einen demokratischen Bürgermeister und einen schwarzen Polizeichef. So zu tun, als sei Polizeibrutalität nur ein republikanisches Problem, führt daher in die Irre.

Als Kandidat im Wahlkampf hat Biden versprochen, das Problem anzupacken. Bisher hat er allerdings seinen Parteifreunden im Kongress den Vortritt überlassen. Die Demokraten im Abgeordnetenhaus verabschiedeten vorige Woche den «George Floyd Justice in Policing Act».

Biden hat den Ton im Kampf gegen Polizeigewalt geändert: Protest in Los Angeles, Kalifornien. 

Durch dieses Gesetz sollen einige besonders umstrittene Polizeipraktiken landesweit verboten werden. Dazu gehören zum Beispiel Würgegriffe wie jener, der Floyd das Leben gekostet hat, oder sogenannte No-knock-warrants. So werden Dursuchungsbefehle genannt, bei denen Polizisten Türen aufbrechen dürfen, ohne sich vorher zu identifizieren. Das Gesetz enthält ausserdem Klauseln, die die rechtliche Immunität von Polizisten einschränken sollen.

Biden unterstützt das Gesetz. Die Tatsache, dass die Demokraten es jetzt, nach einem ersten Anlauf im vergangenen Jahr, bereits zum zweiten Mal verabschiedet haben, zeigt aber auch, wie schwierig eine Polizeireform in der Realität ist. Die Republikaner lehnen den George Floyd Act ab. Ob auch der Senat das Gesetz verabschieden wird, ist unklar.

Auch viele Schwarze und Latinos, die am meisten unter Polizeibrutalität leiden, wünschen sich nicht weniger Beamte.

Ein grosses Problem, das Biden in taktischer Hinsicht hat, ist sein eigener linker Parteiflügel. Dieser ging im vergangenen Sommer nach Floyds Tod mit dem Schlachtruf «Defund the Police» auf die Strasse – «Nehmt der Polizei das Geld weg». Diese Forderung war zwar nie die offizielle Position der Demokratischen Partei, Biden selbst hat sich davon klar distanziert. Er hat immer gesagt, dass die meisten Polizisten anständig, die Gewalttäter nur einige «schlechte Äpfel» seien. Aber es gab genügend Demokraten, die mit dem Slogan sympathisierten, um ihn für die Republikaner zu einer sehr wirkungsvollen Wahlkampfwaffe werden zu lassen.

Das gilt bis heute. Was immer Biden daher tut, um die Polizei zu reformieren – er darf den Republikanern keinen Vorwand für die Behauptung geben, er wolle die Polizei kaputtsparen. Das wäre in den liberalen, wohlhabenden Vororten keine besonders populäre Position. Aber auch viele Schwarze und Latinos, die am meisten unter Polizeibrutalität leiden, wünschen sich eher eine andere, bessere Polizei als weniger Beamte.

Was Biden auf jeden Fall tun kann – und schon getan hat –, ist, den Ton zu ändern. Nicht jeder tödliche Polizeieinsatz ist ein Mord. Aber dass es viel zu viele Fälle gibt, in denen unbewaffnete und unschuldige Schwarze nur wegen ihrer Hautfarbe Opfer von schiesswütigen oder brutalen Polizisten werden, ist ebenso unbestreitbar. Das anzusprechen, die Familien der Opfer zu trösten und die gesellschaftliche Ungerechtigkeit anzuprangern, die zu den Todesfällen beiträgt, gehört zu den Aufgaben des Präsidenten.