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Krieg in der Ukraine
So will die Schweiz Zehntausende Ukraine-Flüchtlinge aufnehmen

Ukrainische Flüchtlinge kommen am Zürcher Hauptbahnhof an. Bis am Freitag haben sich 2111 Personen in der Schweiz registrieren lassen.
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Es sind gigantische Zahlen. 2,5 Millionen Menschen sind bereits aus der Ukraine geflohen. Die UNO schätzt, dass bis zu 15 Millionen vertrieben werden. In der Schweiz haben sich bis am Freitag 2111 Personen aus der Ukraine registrieren lassen – mehrheitlich Frauen und Kinder. Wie viele noch kommen, weiss niemand. Doch Justizministerin Karin Keller-Sutter machte vor den Medien klar, dass es nicht einfach wird. Die aktuelle Solidaritätswelle sei erfreulich, sagte sie. Aber: «Wir müssen die Solidarität dann auch über längere Zeit behalten.»

Keller-Sutter rief auch dazu auf, in dieser Ausnahmesituation von alten Denkmustern abzurücken. «Es wird nicht alles auf Anhieb perfekt sein», sagte die Justizministerin. «Wir müssen flexibel und pragmatisch sein.» Marianne Lienhard, die Vizepräsidentin der Konferenz der kantonalen Sozialdirektoren, sagte es so: «Jetzt ist nicht der Moment, das Haar in der Suppe zu suchen.» Und Fredy Fässler, der Präsident der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren, mahnte, den Fokus aufs Wesentliche zu richten. Nämlich darauf, dass Flüchtlinge aus der Ukraine Schutz erhalten.

Der Bundesrat beschloss am Freitag, für die Geflüchteten den Schutzstatus S zu aktivieren. In der Konsultation wurde dieses Vorgehen laut Keller-Sutter einstimmig gutgeheissen. In einigen noch offenen Punkten entschied sich der Bundesrat für die jeweils grosszügigere Variante. 

Was der Bundesratsentscheid für Flüchtlinge aus der Ukraine bedeutet. 

Was ist der Schutzstatus S und wie müssen ukrainische Flüchtlinge vorgehen, um diesen zu erhalten?

Mit dem Schutzstatus S erhalten die Geflüchteten ab Samstag rasch ein Aufenthaltsrecht, ohne dass sie ein ordentliches Asylverfahren durchlaufen müssen. Sie sollten sich in einem Bundesasylzentrum melden, wo Ausweise und Angaben geprüft werden. Ab der Registrierung sind die Geflüchteten krankenversichert. Registrierung und Sicherheitsprüfung dauern bis zu drei Tage. Danach werden die Schutz suchenden Personen einem Kanton zugewiesen. Mit dem Status S erhalten sie einen Ausweis S, nach frühestens fünf Jahren eine Aufenthaltsbewilligung B. 

Welcher Personenkreis erhält den Schutzstatus S?

Vorübergehenden Schutz erhalten neben ukrainischen Staatsangehörigen auch Personen aus Drittstaaten, die das Land wegen des Krieges verlassen haben. Voraussetzung ist, dass sie sich legal in der Ukraine aufhielten und dass sie nicht in ihr Heimatland zurückkehren können. Das gilt auch für Personen, die sich nicht dauerhaft in der Ukraine aufhielten. Damit erfüllt der Bundesrat eine Forderung von Flüchtlingsorganisationen. Nicht unter den Schutzstatus S fallen Personen, denen bereits in einem EU-Staat der Schutzstatus zugesprochen worden ist.

Können individuell Verfolgte den Flüchtlingsstatus erhalten?

Bei Personen, denen offensichtlich individuelle Verfolgung droht, wird das ordentliche Asylverfahren durchgeführt. Sie können also den Flüchtlingsstatus erhalten. Bei allen anderen ist das Asylverfahren sistiert, bis der Schutzstatus S aufgehoben wird.

Gibt es genügend Unterbringungsplätze?

Bund und Kantone verfügen im Rahmen der Notfallplanung über bis zu 9000 Plätze. Weitere Möglichkeiten werden geprüft. Die Flüchtlinge können aber auch privat unterkommen. Laut der Organisation Campax haben sich bisher über 17’000 Haushalte mit 40’000 Betten registriert. Hinzu kommen Hotelbetten. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) mit ihren Mitgliedsorganisationen vermittelt Flüchtlinge an Private und stellt die weitere Begleitung sicher. Gastfamilien sollten sich auf mindestens drei Monate einstellen.

Ist eine private Unterbringung für Geflüchtete sicher?

Die SFH-Hilfswerke oder die kantonalen Stellen besuchen die Gastfamilien, um das Angebot zu überprüfen. Die Vermittlung erfolgt im Bundesasylzentrum. Die SFH rät Geflüchteten davon ab, private Angebote direkt an einem Ankunftsbahnhof anzunehmen. Auch Gastfamilien sollten nicht zum Bahnhof fahren, um Geflüchtete aufzunehmen. So soll vermieden werden, dass ukrainische Frauen an Kriminelle geraten und ausgebeutet werden. Geplant sind zudem Informationsflyer. 

Werden Private für die Unterbringung entschädigt?

Die Kantone erhalten vom Bund eine Globalpauschale von 18’000 Franken im Jahr für die Unterbringung und Betreuung der Aufgenommenen. Ob sie davon etwas für die Beherbergung an Private weitergeben, liegt in ihrer Kompetenz.

Können die Geflüchteten arbeiten und zur Schule gehen?

Sämtliche Personen mit Schutzstatus S bekommen Sozialhilfe vom Kanton. Allfällige Vermögenswerte werden nicht eingezogen. Die Geflüchteten können ohne Wartefrist einer Arbeit nachgehen, auch als Selbstständigerwerbende. Die Kinder werden zur Schule gehen. Denkbar ist, dass manche Kinder zunächst in ukrainischer Sprache unterrichtet werden, wenn möglich von Lehrpersonen unter den Flüchtlingen oder Eltern. Dass es Sprachkurse brauchen wird, ist unbestritten. Ob und in welchem Umfang der Bund diese mitfinanziert, wird noch diskutiert. Andere Integrationsmassnahmen sind vorerst nicht geplant. Traumatisierte Personen sollen psychologische Unterstützung erhalten.

Dürfen Ukrainerinnen und Ukrainer mit Status S reisen?

Personen mit dem S-Status dürfen im Schengen-Raum ohne Reisebewilligung reisen. Damit sind sie bessergestellt als beispielsweise Syrerinnen und Syrer mit einer vorläufigen Aufnahme, denen Auslandsreisen grundsätzlich untersagt sind.

Könnten Kriminelle die Situation ausnutzen und sich als Ukraine-Flüchtlinge ausgeben?

Eine Sicherheitsüberprüfung der einzelnen Personen ist vorgesehen – allerdings eine verkürzte, da das Ziel eine rasche und unbürokratische Aufnahme ist. Laut Keller-Sutter finden aber auch an der Schengen-Aussengrenze Sicherheitsüberprüfungen statt.

Dürfen die Geflüchteten weitere Familienmitglieder in die Schweiz holen?

Die Familienzusammenführung ist gleich geregelt wie bei anerkannten Flüchtlingen. Ukrainerinnen und Ukrainer können aber ohnehin selbstständig und frei in die Schweiz einreisen.