Corona-Medienkonferenz«Kein Wunschkonzert»: Bürger haben beim Impfstoff keine Wahl
Die Experten von Bund und Taskforce haben sich zur hoch ansteckenden Corona-Mutation und zur Impfkampagne geäussert. Die Pressekonferenz zum Nachlesen.
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Das Wichtigste in Kürze:
Die Pandemie nimmt laut der Covid-Taskforce in der ganzen Schweiz einen «stabilen bis ansteigenden» Verlauf.
Die Belastung für das Gesundheitssystem und die Zahl der täglichen Todesfälle sei in vielen Kantonen nach wie vor hoch.
Es bestehe das Risiko, «dass sich die in Grossbritannien festgestellte Virus-Mutation in den nächsten Tagen und Wochen auch in der Schweiz ausbreitet.»
Die ersten 107'000 Impfstoff-Dosen von Pfizer/Biontech sind in der Schweiz eingetroffen.
Zusammenfassung der PK
Die wissenschaftliche Covid-Taskforce des Bundes geht davon aus, dass die geltenden Massnahmen nicht ausreichen würden, um die Ausbreitung der neuen Variante des Virus zu stoppen. Für den Fall, dass das Virus in der Schweiz Fuss fasst, stellt die Taskforce weitere Massnahmen in Aussicht.
«Wir beobachten die Situation ständig und werden dann besprechen, welche neuen Massnahmen unter Umständen angezeigt sein werden», sagte Martin Ackermann, Präsident der Taskforce.
Schätzung gingen davon aus, dass die Mutation die Reproduktionszahl um 0,4 erhöhe, sagte Ackermann. Damit würde die Zahl der Neuinfektionen wahrscheinlich wieder stark steigen, wenn sich das Virus in der Schweiz ausbreitet.
R-Wert über 1
Der R-Wert in der Schweiz liegt derzeit über 1 – trotz der zusätzlich ergriffenen Massnahmen. Im Spätherbst sei der R-Wert mit den Massnahmen von Ende Oktober gesunken, sagte Tanja Stadler, ebenfalls Mitglied der Taskforce. Aber «alles, was in den vergangenen zehn Tagen unternommen wurde, hat den R-Wert nicht unter 1 senken können», sagte Stadler. «Auch in der Romandie, wo der R-Wert stark unter 1 war, bewegt er sich wieder um 1.»
Ob das mutierte Virus bereits in der Schweiz ist, ist aber noch nicht klar respektive konnte noch nicht nachgewiesen werden. In der Schweiz seien nun viele Labors daran, sehr viele Proben von Infizierten zu sequenzieren, damit die neue Variante des Virus erfasst werden können, sagte Stadler. «So hoffen wir, über die Feiertage mehr Informationen zu haben dazu, ob die Variante bereits angekommen ist.»
Ende
Die Pressekonferenz ist beendet. Besten Dank für Ihr Interesse.
Wann erhält die Schweiz die nächste Lieferung an Impfdosen?
«Mit hoher Wahrscheinlichkeit kommen 250'000 Dosen wohl im Verlauf des Januars an», sagt Virginie Masserey. Das sei jedoch noch nicht ganz offiziell bestätigt.
Könnten Patienten selbst wählen, wenn mehrere Impfstoffe zur Verfügung stehen?
«Zuerst müssen wir mal mehr als einen Impfstoff haben», sagt Christoph Berger. «Personen werden nicht wählen können, welchen Impfstoff sie bekommen. Es wird kein Wunschkonzert geben.» Dies sei auch auf logistische Gründe zurückzuführen.
In welchen Ländern wurde das mutierte Virus bereits nachgewiesen?
«Dänemark, Italien, Niederlande und Australien konnten die britische Mutation nachweisen», sagt Tanja Stadler. «Die südafrikanische Variante wurde erst in Südafrika nachgewiesen.»
Wie soll die ältere Bevölkerungsschicht fürs Impfen mobilisiert werden?
«Wir möchten die betroffenen Personen nicht unter Druck setzen», antwortet Christoph Berger. «Aber unser Ziel ist die Leute zu informieren, dass eine Impfung für sie gut wäre.»
Wie läuft die Lokalisierung der britischen Touristen in der Schweiz ab?
«Die Passagierdaten sind zum grössten Teil erhoben», antwortet Patrick Mathys. Diese würden an die Kantonen verteilt, um die Massnahmen ergreifen zu können. «Allen Besitzern einer SIM-Karte aus Grossbritannien und Südafrika wird zudem eine SMS mit Informationen geschickt. Darin sind auch Informationen enthalten, wo sie sich melden können.»
Rudolf Hauri fügt hinzu, dass sich auch viele Personen schon von sich aus bei den zuständigen Behörden melden.
Welche Risiken bringt die Impfung für Allergiker?
«Ich bin froh um diese Frage», sagt Christoph Berger. Nicht einfach alle Allergiker seien von der Warnung betroffen, sich nicht impfen zu lassen. «Es geht dabei nur um bestätigte Allergien gegen Impfstoff-Bestandteile.» Das sei insbesondere der Stoff PEG: Polyethylenglykole.
Hatten die Massnahmen des Bundesrates einen Einfluss auf den R-Wert?
«Mit den Massnahmen von Ende Oktober sind die Werte gesunken», antwortet Tanja Stadler. «Seitdem stagnieren wir aber über 1. Auch in der Romandie sinkt der R-Wert aktuell nicht mehr, er pendelt um 1 herum.»
Was sagt das BAG zu den Beizen-Schliessungen in der Romandie?
«Ich begrüsse den Entscheid der Westschweizer Kantone», sagt Virgine Masserey. «Die Lage ist weiterhin angespannt.»
Diskriminierung von Nicht-Geimpften?
«Ein Impf-Obligatorium ist im Gesetz nicht vorgesehen. Die Garantie dagegen ist das Gesetz», erläutert Susanne Kuster. Wenn bei einer staatlichen Leistung eine Differenzierung gemacht werden würde, müsste der Gesetzgeber zuerst aktiv werden.
«Im Verhältnis zwischen Privaten gilt die Vertragsfreiheit, was zu Einschränkungen führen kann», so Kuster. «Allerdings gelten auch dort Diskriminierungsverbot und Persönlichkeitsschutz.»
Wie wird die neue Mutation den R-Wert beeinflussen?
«Schätzungen gehen davon aus, dass es den Wert um etwa 0,4 erhöhen wird», antwortet Martin Ackermann. «Die aktuellen Massnahmen werden nicht ausreichen, um diese Mutation zu stoppen.»
Nimmt R-Wert über die Festtage stark zu?
Nun stellen die anwesenden Journalisten ihre Fragen. Laut Tanja Stadler kann es über die Festtage zu einem Anstieg der Infektionen kommen. «Es kommt aber auch darauf an, ob sich die Leute testen lassen. Wenn nicht, steigen zwar die Infektionen, nicht aber der sichtbare R-Wert.»
«Der Zivilschutz steht in einem Grosseinsatz»
Christoph Flury vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz: «Der Zivilschutz steht in einem Grosseinsatz bei der Bewältigung der zweiten Welle. Allein in dieser Woche sind 1400 Zivilschutzdienstleistende engagiert», sagt Flury.
Laut Flury sei sich der Bund bewusst, dass es für Betriebe belastend ist, wenn Mitarbeiter ausfallen. «Der Zivilschutz kommt aber nur dann zum Einsatz, wenn die Betroffenen —beispielsweise aus dem Gesundheitspersonal — überlastet sind.»
Zivilschützer komme vor allem im Gesundheitswesen, in Alters- und Pflegeheimen zum Einsatz, wo sie das Pflegepersonal entlasten sollen. «Der Zivilschutz hat auch in der zweiten Welle Testzentren aufgebaut und wird auch im nächsten Jahr eingesetzt werden.»
Virus-Mutation wohl schon in Schweiz
Laut Stadler konnte die Virus-Mutation in den Proben bis zum 10. Dezember in der Schweiz bisher nicht festgestellt. «Doch in der letzten Woche sind 90 Flüge von Grossbritannien in der Schweiz angekommen», so Stadler. Daher sei es naheliegend, dass das mutierte Virus schon in der Schweiz sei.
«Wissenschaftler aus London nehmen an, dass sich die Reproduktionszahl um den Wert von 0,4 erhöhen», erläutert Stadler. «Die Infektionen mit dieser Mutation können sich um jede Woche verdoppeln. Dazu kommen noch die Infektionen, die wir ohnehin schon haben. Wir können uns das nicht leisten.»
Stadler nennt drei Massnahmen, um mehr Zeit zu gewinnen und erreichen, dass die neue Variante das Infektionsgeschehen in der Schweiz nicht verschlechtert:
Der Import der Variante sollte gestoppt werden
Kontakte müssen reduziert werden
Die Infektionszahlen müssen gesenkt werden
«Eine neue Variante allein ist kein Grund zur Panik»
Tanja Stadler von der wissenschaftlichen Corona-Taskforce äussert sich zum mutierten Coronavirus. «Viren mutieren ständig», erläutert Stadler. Ein mutiertes Virus allein sei noch nicht besorgniserregend. «Alleine in der Schweiz haben wir hunderte Varianten nachgewiesen.»
Zudem gibt es laut Stadler bisher keine Hinweise dafür, dass die neue Variante mehr Symptome verursacht oder einen tödlicheren Verlauf hat. «Eine neue Variante allein ist kein Grund zur Panik.»
Hauri: «Impfen kein Wettrennen unter den Kantonen»
Es sei gut, dass in der Schweiz bald mit dem Impfen begonnen werden könne, sagte Rudolf Hauri, Zuger Kantonsarzt und Präsident der Vereinigung der Kantonsärztinnen und Kantonsärzte, am Point de Presse. Es dürfe aber keinen Wettbewerb unter den Kantonen geben.
«Wir befinden uns nicht in einem Rennen, in dem es um Sekunden geht», sagte Hauri. Die Prüfung der Impfstoffe, die Instruktion und die Infrastruktur müsse einwandfrei sein. Es geh darum, dass alle gut aufgestellt seien, damit mit dem Impfen begonnen werden könne.
Es müsste ausreichend Personal rekrutiert werden und die Lagerung und Feinverteilung des Impfstoffes müsse organisiert sein. Impfungen ausserhalb von Zentren und Arztpraxen seien erst möglich, wenn genügend Impfstoffe da seien.
Trügerische Stabilität
Grundsätzlich sei die Lage weiterhin angespannt, die Stabilität könne trügerisch sein, sagte Hauri. Zudem werfe die Mutation des Virus nun Fragen auf. Auch wenn das mutierte Virus wahrscheinlich nicht stärker krank mache, sei die schiere Anzahl der Übertragungen ein Problem: Weil es sich offenbar schneller ausbreite, könne das Virus einen weiteren Anstieg der Hospitalisierungen nach sich ziehen.
Wer also Corona-Massnahmen umgehen und seinen Aktivitäten in anderen Kantonen nachgehen wolle, handle kurzfristig und wenig solidarisch, denn das trage zur Ausbreitung bei, sagte Hauri. Das Einhalten der Regeln während der Feiertage sei unerlässlich.
Auch das Contact Tracing laufe derzeit auf Hochtouren, sagte Hauri. Die Testzentren seien gut ausgelastet, «im Moment häufig auch wegen Ferienreisenden». Teilweise hätten Personen warten müssen und es sei stellenweise eine Priorisierung vorgenommen werden, sagte Hauri. Die Situation beruhige sich aber langsam wieder. Es solle weiterhin möglichst viel getestet werden, betonte Hauri.
«Informieren Sie sich!»
Generell wird eine Impfung auch Personen empfohlen, die bereits eine Corona-Infektion überstanden haben. «Nur wenn sie eine schwere Allergie gegen Bestandteile des Impfstoffs haben, sollten sie sich nicht impfen lassen», sagt Berger weiter.
«Wenn alle Risikopersonen, die das wollen, geimpft wurden, steht die Impfung der gesamten Bevölkerung offen», ergänzt Masserey. «Ob man sich impfen lassen will, ist ein Entscheid, der jeder und jede selber treffen muss.»
Adrian Kammer, Leiter Sektion Gesundheitsinformationen und Kampagnen, BAG, sagt: «Ein wichtiges Ziel unserer Kampagne ist es, dass jeder und jede — gut informiert — einen persönlichen Entscheid treffen kann, ob er oder sie sich impfen lassen will. Informieren Sie sich also!»
Das BAG will Informationen über die Impfung mit einer Informationskampagne verbreiten um Vertrauen in der Bevölkerung aufzubauen. Informationen gibt es unter www.bag-coronavirus.ch/impfung.
Unterteilung der gefährdeten Personen
Zuerst könne in der Schweiz die besonders gefährdete Gruppe geimpft werden, sagt Christoph Berger, das seien Personen ab 75 Jahren. «Danach folgen Erwachsene mit chronischen Krankheiten mit höchstem Risiko.» Dazu zählten zum Beispiel Herz-, Atemwegs- und Nierenerkrankungen sowie Diabetes, Übergewicht oder sonstige Abwehrschwächen.
Zweite Priorität hat das Gesundheits- und Betreuungspersonal und als dritte enge Kontakte von gefährdeten Personen. In vierter Priorität kommen Gemeinschaftseinrichtungen wie Altersheime, Pflegeheime oder Gefängnissen.
Impfungen sind grundsätzlich nur für über 16-Jährige möglich. Auch Menschen, die eine Infektion durchgemacht haben, wird empfohlen, eine Impfung zu machen. Eine Einschränkung gibt es: Wer allergisch auf Inhaltsstoffe der Impfung ist. sollte darauf verzichten.
«Die Impfung wirkt»
Christoph Berger, Präsident, Eidgenössische Kommission für Impffragen EKIF, erklärt die aktuelle Situation der Impfstrategie. «Die Impfung wirkt. Sie wurde in weitreichenden Studien getestet.»
Ebenso wie bei anderen Impfungen gibt es auch beim Corona-Impfstoff Nebenwirkungen wie Muskelschmerzen, Abgeschlagenheit oder Fieber. Die Impfung sei aber nicht gefährlich.
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