Produktiv und stressarm arbeitenSo verzetteln Sie sich nicht im Homeoffice
Organisation und Effizienz sind beim Arbeiten wichtig – das gilt ganz besonders in Zeiten von Corona und Homeoffice.
Für das neue Jahr haben viele von uns wieder gute Vorsätze gefasst. Höchste Zeit also, sich zu überlegen, wie man sie auch umsetzen kann. Wer sich bei der Arbeit besser organisieren möchte, muss wissen, wie das geht. Und gerade sehr aktuell: Stimmt es, dass die Leute weniger effizient sind, wenn sie von zu Hause aus ausarbeiten?
«Verschiedene Studien zeigen durchwegs einen positiven Effekt von Homeoffice auf die selbsteingeschätzte Produktivität», sagt Professor Hartmut Schulze, Dozent an der Hochschule für Angewandte Psychologie der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) in Olten SO. Er ist auch Experte für Homeoffice und mobil-flexible Arbeit.
Unter dem Einfluss der Pandemie wandelt sich nicht nur unser Alltag, sondern ebenso die Gesellschaft und die Arbeitswelt. In einer Studie der Forschungsgruppe «Gestaltung flexibler Arbeit» an Schulzes Hochschule gaben 77 Prozent der Befragten an, daheim produktiver zu sein. «Selbst das Nonstop-Homeoffice während der Pandemie hatte bei vielen einen insgesamt positiven Effekt», erklärt der Fachmann. «Die Einschätzung von Führungskräften wurde in einigen Studien ebenfalls erfasst: Diese bestätigen das Bild.»
Chancen und Herausforderungen
Natürlich ist nicht einfach alles nur eitel Sonnenschein am heimischen Arbeitstisch. Den meisten Betroffenen fehlen im Homeoffice die Begegnungen mit den Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen, die Teamarbeit ist häufig erschwert und der Abstand zum Büro nicht in jedem Fall förderlich für die Identifikation mit der Firma.
Als besonders problematisch gestaltet sich konzentriertes Arbeiten für jene, die zu Hause kein Arbeitszimmer haben und bei denen gleichzeitig Kinder betreut werden müssen. Schulze: «Es ist schwierig, ruhig und konzentriert zu arbeiten, wenn man öfter unterbrochen wird oder nur wenig Zeiten hat, in denen man ungestört zu Werke gehen kann.»
Allerdings gibt es viele Menschen, die angeben, zu Hause ungestörter arbeiten zu können, weil sie nicht im turbulenten Grossraumbüro sitzen müssen und weniger Anrufe oder E-Mails bekommen. «Für bestimmte Personengruppen stellt Homeoffice eine für ihr Leistungsvermögen förderliche Arbeitsmöglichkeit dar», sagt der Experte. «Der grösste dabei wahrgenommene Vorteil ist das Arbeiten in Ruhe – bei relativ grosser Autonomie, wann genau man welche Aufgaben erledigt.»
Disziplin braucht es jedoch überall – egal, ob man seinen Job im Betrieb oder zu Hause macht. Die Gefahr, sich zu verzetteln und (ungeliebte) Aufgaben vor sich herzuschieben, besteht ebenfalls ortsunabhängig. Es gilt daher, eins nach dem anderen zu erledigen und Unangenehmes möglichst zeitnah anzupacken. Eine der wichtigsten Tugenden überhaupt besteht jedoch darin, die richtigen Prioritäten zu setzen.
Selbstbeherrschung ist nicht zuletzt eine Typfrage, man kann sie aber auch trainieren. Hilfreich sind hierbei Checklisten sowie Tages- und Wochenprogramme mit zu erledigenden Aufgaben, ebenso wie Zeitpläne mit klaren Arbeitszeiten und Pausen. Zeit und Nerven schont zudem Ordnung in den Unterlagen, damit sich Dokumente und Dateien rasch finden lassen, sowie die Angewohnheit, gleichartige Aufgaben möglichst in Blöcken abzuarbeiten.
«Im Homeoffice hängt eine hohe Leistungsfähigkeit einerseits von der Passung zum Lebensumfeld der Betroffenen ab und andererseits davon, ob jemand die nötigen Kompetenzen für die Arbeit zu Hause erwerben konnte», erklärt Hartmut Schulze.
Bessere Work-Life-Balance macht produktiv
Neben den bereits angesprochenen Vorteilen schätzen Angestellte am Homeoffice am meisten den Zeitgewinn durch den Wegfall des Arbeitswegs. Dadurch bleibt mehr Raum für Familie, Freizeit und Haushalt. Kein Wunder also, dass in der FHNW-Studie zwei Drittel der Befragten angaben, dass sie dank Homeoffice nicht nur motivierter für die Arbeit seien, sondern auch Job und Privates besser vereinbaren könnten.
Ganz wichtig dabei: Es braucht ein Gleichgewicht zwischen An- und Entspannung: Nur wer sich regelmässig erholt, bleibt fit für den Job. Stimmt die Work-Life-Balance der Arbeitnehmenden, profitieren die Arbeitgebenden mindestens im gleichen Mass. Denn sie können dadurch auf resilienteres, produktiveres und engagierteres Personal zählen.
Trotzdem gibt es Chefs, die fürchten, ihre Leute seien zu Hause weniger fleissig als im Büro.
«Hier kommt es dann auch auf eine passende Rhythmik an zwischen kollaborativer Arbeit vor Ort und der Arbeit in Ruhe im Homeoffice», so Hartmut Schulze. «Einige Organisationen, mit denen wir zusammenarbeiten, bieten daher auch verschiedene Mobilitätsprofile an, für die sich Mitarbeitende entscheiden können.»
Trotzdem gibt es Chefs, die fürchten, ihre Leute seien zu Hause weniger fleissig als im Büro. «Das ist aufgrund der Datenlage weitgehend unbegründet», erklärt Schulze. «Aus meiner Sicht weisen solche Vorbehalte von Führungskräften auf eigene Vorbehalte und gegebenenfalls auch zu wenig ausgebildete Kompetenzen hin. Eine gefühlte Nähe trotz räumlicher Distanz herstellen und pflegen zu können, stellt jedenfalls eine neue Anforderung an Vorgesetzte dar.»
Arbeitsmodell mit Zukunft
Eine Fähigkeit, die noch wichtiger werden wird. Denn im letzten SRG-Corona-Monitor sagten rund 90 Prozent der Befragten, künftig teilweise oder sogar ganz im Homeoffice arbeiten zu wollen, wenn sie die freie Wahl hätten. Dieser Trend spiegelt sich zunehmend in Stelleninseraten wider, wo die Möglichkeit zur Arbeit von zu Hause aus explizit angeboten und beworben wird.
Mehr Homeoffice auch nach der Pandemie wäre übrigens nicht nur aus gesundheitlichen Gründen (unter anderem Stressreduktion) für die Arbeitnehmenden sinnvoll, sondern auch, weil der ganz oder teilweise wegfallende Arbeitsweg ein Beitrag zum Klimaschutz ist. Erstaunlicherweise hat dieses Argument aber noch keine Firma für ihr Image entdeckt.
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