Beziehungsgeflecht beim DatenleckSo sind die Hauptpersonen in der Corona-Affäre verstrickt
Ein Zufallsfund legte den Datenfluss von Alain Bersets Vorzimmer zum Ringier-Verlag offen. Vier Männer prägen die Affäre. Doch den wichtigsten Entscheid fällt nun eine Frau.
Ab der ersten Pandemiewelle bestand zwischen der Spitze des Departements von Gesundheitsminister Alain Berset und der Leitung des Ringier-Verlags («Blick», «SonntagsBlick», «Schweizer Illustrierte») ein reger Informationsaustausch. Es steht der Vorwurf im Raum, dass damit die Corona-Politik des Bundesrates beeinflusst werden sollte. Hier die wichtigsten Akteure und ihre Rolle in der am Wochenende publik gewordenen Affäre:
Peter Lauener
Der frühere Kommunikationschef Bersets soll während der Pandemie Dreh- und Angelpunkt des Informationsflusses vom Innendepartement zum Medienkonzern gewesen sein. Mehr als 180 Kommunikationsvorgänge soll es nach bisherigen Erkenntnissen zwischen Peter Lauener und dem Ringier-Verlagsleiter Marc Walder gegeben haben. Dabei sollen Walder auch vertrauliche Informationen zu den Corona-Plänen Bersets zugespielt worden sein, etwa im Vorfeld von Bundesratsentscheiden. Unklar ist, ob Lauener dies im Wissen seines Chefs tat. Laueners Funktion im Innendepartement ging jedenfalls über die Aufgabe eines Kommunikationschefs hinaus. Während zehn Jahren war Lauener loyaler und stetiger Begleiter Bersets. Der 53-Jährige war Bersets Spindoktor im Hintergrund, der die Politik seines Chefs in ein möglichst gutes Licht zu stellen suchte.
Alain Berset
Der SP-Magistrat steht erneut im Fokus einer Affäre, diesmal wegen der medialen Begleitung seiner Corona-Politik durch die Ringier-Medien. Er hatte während der Pandemie die Federführung im Bundesrat bei der Erarbeitung der Corona-Massnahmen. Dabei gelangten im Vorfeld der Bundesratsentscheide immer wieder Informationen über geplante Massnahmen an die Presse. So publizierte der «Blick» frühzeitig und exklusiv zur Impfstoffbeschaffung. Für Berset kommen die Vorwürfe zu einem ungünstigen Moment. Denn als Bundespräsident mit ohenhin schwachem Wahlresultat repräsentiert er die Landesregierung im laufenden Jahr im In- und Ausland. Bei einer allfälligen parlamentarischen Aufarbeitung wird die Frage nach Bersets Rolle im Zentrum stehen. Der 50-Jährige ist mittlerweile der amtsälteste Bundesrat. Zwar bekundete er unlängst in Interviews, dass er keineswegs amtsmüde sei. Dennoch könnte die Affäre je nach Ausgang dazu führen, dass er sich im nächsten Dezember nicht mehr zur Wiederwahl stellt.
Marc Walder
Ringier-CEO Marc Walder war der Empfänger von exklusiven Informationen zur Corona-Politik aus dem Departement Berset. Der 57-jährige Manager hat nach eigenen Aussagen während der Pandemie einmal wöchentlich mit Bersets Kommunikationschef Peter Lauener Kontakt gehabt. Allerdings bestreitet die «Blick»-Chefredaktion, dass sie dank der Corona-Standleitung zwischen Lauener und Walder zu exklusiven Storys gelangt sei. Aufgrund der bekannt gewordenen Ermittlungen durch Sonderstaatsanwalt Peter Marti steht jedoch der Verdacht im Raum, dass Ringier-Medien von Lauener vorab beliefert wurden und im Gegenzug die Corona-Politik wohlwollend begleiteten.
Walder hat sich bei Ringier vom Praktikanten und Sportjournalisten zum Chefredaktor des «SonntagsBlicks» bis zum Posten des CEO hochgearbeitet. Er hatte bereits vor der Pandemie einen guten Draht zu Alain Berset. Vor einem Jahr hatte ein Video mit Walders Bekenntnis für Aufsehen gesorgt, in dem er sich für eine unterstützende mediale Begleitung der Corona-Politik aussprach.
Peter Marti
Der pensionierte Zürcher Oberrichter hat mit seinen Ermittlungen ein politisches Beben ausgelöst. Die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) hatte Peter Marti ursprünglich eingesetzt, um mögliche Amtsgeheimnisverletzungen bei einer Parlamentsuntersuchung zur Crypto-Affäre zu untersuchen. Als ausserordentlicher Staatsanwalt des Bundes stiess Marti zufällig auf die vielen Corona-E-Mails zwischen Lauener und Walder. Er liess sich von der AB-BA auch für diesen Fall einsetzen. Im Mai liess Marti Lauener kurzzeitig verhaften, und er befragte Walder und Berset als Auskunftspersonen.
Allerdings ist fraglich, ob der Sonderermittler damit seine Kompetenzen überschritt und sogar sein Amt missbrauchte. Lauener hat gegen Marti eine entsprechende Strafanzeige eingereicht. Um die Vorwürfe zu untersuchen, hat die AB-BA einen weiteren Sonderermittler eingesetzt: den Luzerner Rechtsanwalt Stephan Zimmerli, der nun gegen Sonderermittler Marti ermittelt.
Der wichtigste Entscheid in der ganzen Affäre obliegt nun aber einer Frau: Lorena Rampa wurde vergangenes Jahr ans Zwangsmassnahmengericht Bern gewählt. Als Präsidentin ist sie nun federführend beim Urteil darüber, ob Marti die sichergestellten Kommunikationsmittel verwerten darf. Bei einem Nein ist sein ganzes Strafverfahren gefährdet.
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