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Geleaktes Video
Ringier-Chef trimmte seine Medien auf Regierungskurs

Zu viel Nähe? Der damalige SBB-Chef Andreas Meyer, Bundesrat Alain Berset und Ringier-CEO Marc Walder 2018 im Zürcher Hauptbahnhof.  
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An Silvester liess es Philipp Gut knallen. Der PR-Berater und Ex-Vizechefredaktor der «Weltwoche» stellte ein Video online, das nun Ringier-CEO Marc Walder um die Ohren fliegt. Die explosive Sequenz könnte auch Auswirkungen haben auf die eidgenössische Abstimmung über das Mediengesetz vom 13. Februar. Denn es geht um die Frage, wie unabhängig Journalismus in der Schweiz von der Politik sein soll. 

Der Knaller ist ein Spätzünder. Marc Walder war nämlich bereits im Februar 2021 im «Inspirational Talk» der Schweizerischen Management Gesellschaft gefragt worden, wie er die Aufgabe der Medien in der Pandemie sehe.

Walder schickte voraus, er wäre «froh, wenn das in diesem Kreis bleibt». «Wir hatten in allen Ländern, wo wir tätig sind», verriet er dann, «auf meine Initiative hin gesagt: ‹Wir wollen die Regierung unterstützen durch unsere mediale Berichterstattung, dass wir alle gut durch die Krise kommen.›» Und weiter: «Das mag Sie jetzt überraschen.»  

Support für Orban und Generäle?

Viele Medien haben sich eher der Aufgabe verschrieben, den Mächtigen auf die Finger zu schauen. Aber Ringier soll nun den Kurs so unterschiedlicher Exekutiven wie des Schweizer Bundesrats, des ungarischen Premierministers Viktor Orban oder der Militärmachthaber in Burma unterstützen?  

Marc Walder ist dank Titeln wie «Blick», «SonntagsBlick» oder «Schweizer Illustrierte» nicht nur einer der mächtigsten Männer im Schweizer Medienbusiness. Er hat auch international Einfluss, denn Ringier ist auch in Osteuropa, zum Beispiel im Baltikum oder im vom Orban regierten Ungarn, stark und in Teilen Afrikas und Asiens (dort in Burma und Vietnam).  

Im «Inspirational Talk» versuchte Walder, sein Pandemie-Credo mit einem heimatlichen Beispiel zu erklären: «Auch die ‹Blick›-Gruppe, die jetzt in der Schweiz sehr prägend ist in der Covid-Berichterstattung, könnte deutlich härter sein – und vielleicht sagen einige von Ihnen: ‹Ja, machts doch bitte, die schlafen alle, die packens nicht›.» Der deutsche Boulevard gehe «wahnsinnig hart» mit Angela Merkels Regierung ins Gericht. «Das nützt im Moment niemandem etwas», führte Walder aus. 

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Die Ringier-Titel waren oft, aber nicht immer durch eher zurückhaltende Corona-Berichte und -Kommentare aufgefallen (hier und hier verfasste der CEO jedoch selber regierungskritische «Gastkommentare» im eigenen Blatt). Eine besondere Nähe pflegen Walder und sein Verlag zu Gesundheitsminister Alain Berset. In der Erpressungsaffäre beispielsweise nahm «Blick» den SP-Bundesrat publizistisch stärker in Schutz als andere Medien. Für ein neues Interview-Magazin Ringiers stand Berset kürzlich sogar als Fragesteller im Einsatz. Fürs Impfen warb das Bundesamt für Gesundheit mit den fast identischen rund 80 Promis wie der «Blick».  

Das Spiel mit der Macht und viel Nähe gehören genauso wie vernichtende Kampagnen traditionell zur Regenbogen-Presse. Trotzdem haben Walders Aussagen über das Neujahrswochenende nicht nur Empörung in den sozialen Medien ausgelöst. Sondern auch Verunsicherung bei der Ringier-Belegschaft.  

Der Verlag sah sich am Sonntagnachmittag zu einer internen Stellungnahme gezwungen, die dieser Zeitung vorliegt. Walder und weitere Chefs schreiben darin, dass Medien «in einer solchen historischen Krise eine zusätzliche Dimension an Verantwortung» trügen: «Unsere Redaktionen wollen keinen Keil zwischen die Gesellschaft und die Regierung treiben» und keinen «billigen Empörungsjournalismus» liefern. «Selbstredend sollen unsere Medien die Arbeit der Regierung auch kritisch hinterfragen.»

Walder tausche sich über die Grundhaltung in der Pandemie-Berichterstattung regelmässig mit den Chefredaktionen aus, die entscheiden, was publiziert wird. 

Philipp Gut spricht mit Kabarettist Andreas Thiel, mit Täschchen, an einer Kundgebung gegen Corona-Massnahmen in Winterthur am 18. September 2021. 

Weiter heisst es, dass Walders Aussage «verdichtet» gewesen sei. «Aus dem Zusammenhang gerissen» könne sie «falsch interpretiert werden». Allerdings hat PR-Berater Philipp Gut Walders Antwort auf die Frage zur Rolle der Medien in der Pandemie vollständig veröffentlicht. 

Link wird «deaktiviert»

Gut sagt, der gesamte «Inspirational Talk», der auch dieser Zeitung vorliegt, sei bis vor kurzem auf Youtube für jedermann einsehbar gewesen. Dem widerspricht Catrin Wetzel. Die Geschäftsführerin der Schweizerischen Management Gesellschaft schreibt, der Mitschnitt sei «nie öffentlich» und nur ihren Mitgliedern zugänglich gewesen: «Das Video wird aktuell ohne unsere Zustimmung missbräuchlich verwendet.» Nun habe man «den Link deaktiviert, bis unsere Untersuchungen abgeschlossen sind».  

Gut sagt, er sei vor wenigen Wochen auf die Aufnahme aufmerksam gemacht worden. Für ihn ist Walders Aussage ein gutes Argument für eine Ablehnung des Mediengesetzes, weil es zeige, wie schädlich die Nähe von Journalismus und Politik sei.

Nun beginnt die heisse Phase im Abstimmungskampf. Gut ist Geschäftsführer des Nein-Komitees. Zu den Mitgliedern des Komitees, das gegen mehr staatliche Unterstützung für die Verlage ist, gehören die Herausgeber von «Nebelspalter» und «Die Ostschweiz». Sie haben Guts Text in identischer Form wie auf der Komitee-Webseite veröffentlicht.