Neuer Wagen in vier TagenSo sieht das Elektromobil aus, das Sie mitentwickelt haben
Schweizer Studierende haben mit Ihrer Hilfe ein neues Elektrofahrzeug für kurze Strecken entworfen. Wir dokumentieren den Weg dorthin mit sechs Designs.
Unsere Leserschaft hat eine klare Vorstellung davon, wie ein neues Elektrofahrzeug für kurze Strecken aussehen sollte: komfortabel, zwei Sitze, geheizt, Stauraum mit Platz für einen Reisekoffer und eine maximale Höchstgeschwindigkeit von 65 Kilometern pro Stunde.
Der Wagen sollte ausserdem über ein Lenkrad verfügen und über Türen auf der Seite zugänglich sein. Eine Batterieladung sollte für eine Reichweite von bis zu 100 Kilometern genügen. Externe öffentliche Ladestationen sind aus Sicht der Leserinnen und Leser ausreichend. Als Extra im Gefährt bevorzugen sie einen USB-Anschluss.
Das sind die Ergebnisse von drei Onlineumfragen, welche diese Zeitung zusammen mit der Berner Fachhochschule durchgeführt hat. Die Resultate sind in die Entwicklungsarbeit von 23 Studenten eingeflossen, die im Rahmen einer Projektwoche Entwürfe für ein neues Elektromobil erarbeitet haben.
Studenten entwerfen fünf Designs
In einem ersten Schritt entwarfen die angehenden Entwickler und Ingenieure fünf Designs, die wir nachfolgend zeigen. Zu jedem Konzept folgt ein kurzer Beschrieb. Darin führen die Studenten und Lehrpersonen aus, inwieweit die Wünsche der Leserinnen und Leser berücksichtigt werden konnten.
Zap-T
Konsequent nach der Designregel «Die Form folgt der Funktion»: Das Team rund um Zap-T setzte die gewohnten Seitentüren, den komfortablen hohen Einstieg und einen einfach zugänglichen Kofferraum im Heck um. Trotz seiner schmalen Spurbreite soll das Fahrzeug sicher durch die Kurven fahren. Eine Sitz- und Lenkradheizung sorgt im Winter für ein angenehmes Klima beim Autofahren, trotz ungeheizter Kabine.
E-Wheelz
Urbane Mobilität querdenken: Das Team E-Wheelz hat konventionelle Ansätze hinter sich gelassen und liess sich von der Zukunft inspirieren. So futuristisch dieses Konzept auch wirkt, grundsätzlich wäre ein solches Fahrzeug umsetzbar, wenn auch mit einigen Einschränkungen.
E-Volution
Das Team um das Konzept E-Volution verfolgte einen konsequenten Ansatz einer innerstädtischen Mobilitätslösung. Durch die zwei parallelen Raupen bleibt für die Fahrgastzelle zwischen dem Antrieb viel Raum. Das Fahrzeug wird durch unterschiedliche Drehgeschwindigkeiten, ähnlich einem Raupenfahrzeug gelenkt, was auch einem Drehen im Stand bei engen Parkverhältnissen zugutekommt. Aufgrund der anspruchsvollen Steuerung des selbstbalancierenden Fahrzeugs ist die maximale Geschwindigkeit jedoch auf 25 km/h beschränkt.
E-Vector
Die sportliche Form des Konzepts E-Vector fällt auf. Trotz einer Spurbreite von nur einem Meter soll sich das Fahrzeug dank einem Neigefahrgestell auch bei höheren Geschwindigkeiten sicher, das heisst ohne Kippgefahr, durch die Kurven lenken lassen. Gesteuert wird das Fahrzeug mit einem Joystick, damit trotz engen Platzverhältnissen im Cockpit ein grosszügiges Raumgefühl entsteht. Der sportliche Einstieg über das aufklappbare Dach erfüllt jedoch wohl nicht alle Komfortansprüche.
U-Way
Eine hohe Stirn und viel Glas für einen optimalen Überblick von Kopf bis Fuss, ein integrierter Einstiegstritt sowie viel Kopffreiheit ermöglichen trotz den kleinen Abmessungen einen unerwarteten Komfort. Zwei unabhängige Antriebsmotoren in den Vorderrädern sowie ein Schlepprad am Fahrzeugheck erlauben auch hier eine Manövrierfähigkeit auf engsten Raum. Der hohe Schwerpunkt und das agile Fahrwerk beschränken aber bei diesem Konzept die Maximalgeschwindigkeit auf 25 km/h.
Aus fünf Designs wird ein einziges Konzept
In einem zweiten Schritt führten die Studenten die fünf Konzepte zu einem einzigen und endgültigen Entwurf zusammen. So sieht dieser aus:
Das definitive Design (bislang namenlos)
Einige Erkenntnisse aus der Projektwoche haben sich im zusammengeführten Konzept mit einem einzigen Sitz und einem Joystick als Steuerelement verdichtet. So soll das für den Nah- und Pendelverkehr optimierte Fahrzeug eine Spurweite von nicht mehr als einem Meter aufweisen. Damit sollen die Vorteile des reduzierten Platzanspruchs und die Gewährung des Verkehrsflusses auch bei reduzierter Geschwindigkeit erreicht werden.
Die verbaute Batterie soll eine Reichweite von 80 Kilometern im Sommer und 40 Kilometern im Winter ermöglichen – bei eingeschalteter Heizung von Sitz, Bedienelementen und Windschutzscheibe für bedarfsgerechte Wärme und klare Sicht. Der Fronteinstieg wurde aus dem U-Way-Konzept übernommen, das Neigefahrwerk aus den beiden Projekten der Teams E-Vector und Zap-T.
Auch soll der altbekannte «Reservekanister» wieder Einzug in den Elektroflitzer halten. Ein tragbarer und herausnehmbarer Zusatzakku soll zusätzlich zur fix integrierten Hauptbatterie eine Extrareichweite bis zu 15 Kilometer ermöglichen. Allein mit diesen zusätzlichen 15 Kilometern Reichweite lassen sich die statistischen 75 Prozent aller täglichen Fahrten auch ohne Zugang zur Steckdose am Parkplatz ermöglichen.
Leserwunsch nach Komfort berücksichtigt
Bleibt die Frage: Wo liessen sich die Vorstellungen der Leserschaft berücksichtigen und an welcher Stelle nicht? «Nach Durchsicht der Umfrageresultate mussten wir uns eingestehen, dass bei diesem Alltagsfahrzeug für die Leserinnen und Leser Komfort mit grossem Abstand an erster Stelle stehen soll», sagt Projektleiter Peter Affolter. Er ist Professor für Fahrzeugelektronik an der BFH und leitet den Bereich Automobil- und Fahrzeugtechnik. Sportliche und aerodynamische Linien seien deshalb dem Komfortanspruch der Leser «klar untergeordnet» worden.
Im Gegenzug haben sich die Studenten laut Affolter jedoch die Freiheit herausgenommen, gewisse Wünsche der Leserschaft kritisch zu hinterfragen und Neuland zu betreten. So geschehen beim Lenkrad, das sich eine Mehrheit der Leser wünschte. Diese Art der Steuerung wurde im endgültigen Konzept zugunsten eines Joysticks verworfen.
«Ein Steuerrad nimmt einen beträchtlichen Raum im Cockpit ein, schmälert damit die Zugänglichkeit zum Fahrersitz und verringert das Raumgefühl beträchtlich», begründet Affolter den Entscheid. Weiter sorge ein Lenkrad für beträchtliche Verletzungsgefahr bei einer Frontalkollision.
Die Berner Fachhochschule prüft nun, inwiefern sie das endgültige Konzept kommerzialisieren kann. Unter anderem geht es darum, Partner aus der Privatwirtschaft zu finden. Ein genaues Stichdatum für den Entscheid ist noch offen, dieser soll aber zeitnah gefällt werden.
Fest steht hingegen, dass gewisse Ansätze aus diesem Projekt im Rahmen von Projekt- und Diplomarbeiten weiterverfolgt werden sollen. Dazu gehören etwa eine verbesserte Heizung für Leichtbaufahrzeuge und die Fahrzeuglenkung mit einem Joystick.
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