Kritik an der Null-Covid-PolitikSo reagiert China auf die Protestwelle
Chinas Regierung verteidigt ihre Corona-Politik. Doch Pekings Behörden kündigen nach dem tödlichen Brand in Urumqi Lockerungen an. Und in den Staatsmedien gibt es kritische Zwischentöne.
Chinas wichtigste Staats- und Parteimedien haben die grössten Proteste seit Jahrzehnten weitgehend ignoriert und am Montag Taiwans Kommunalwahlen oder eine von Chinesen gebaute Solaranlage in Katar auf die Titelseiten gehievt. Allerdings haben fast alle Medien am Montag in Meinungsbeiträgen noch einmal die strikte Null-Covid-Politik der Regierung thematisiert.
«Renmin Ribao», das offizielle Sprachrohr der Kommunistischen Partei, rief in einem Leitartikel dazu auf, die Anti-Virus-Strategie weiter umzusetzen – ein Hinweis darauf, dass die Regierung Xi keine Kursänderung plant. Die Zeitung schrieb, dass die frühzeitige Ausrottung von Ausbrüchen entscheidend bleibe für den Erfolg. Dazu brauche es die rechtzeitige Erkennung infizierter Personen. «Die Fakten haben bewiesen, dass jede Version des Präventions- und Kontrollplans dem Praxistest standgehalten hat».
Auch «Xinhua», die offizielle Nachrichtenagentur der Regierung, wich nicht von der bisherigen Parteilinie ab. Sie veröffentlichte laut «Guardian» einen Leitartikel, der das Land aufforderte, «unerschütterlich» am Grundsatz festzuhalten, «das Leben der Menschen an die erste Stelle zu setzen» und «den Viren-Import aus Übersee» zu verhindern.
Es gab allerdings auch kritische Zwischentöne. Die staatliche Zeitung «Global Times» warnte davor, dass dem Land «ein extrem herausfordernder Winter bevorstehen könnte», während das Land seine Covid-Massnahmen «fein abstimmt». Im Artikel wird eine strikte Lockdown-Strategie als genauso fehlerhaft bezeichnet wie der Ansatz, das Virus nicht mehr mit Massnahmen zu bekämpfen.
Die Zeitung zitiert zudem einen nicht namentlich genannten Experten aus Peking, der China einen «im Vergleich zu den letzten zwei Jahren viel härteren Kampf gegen das Virus prophezeit. Es sei nun wichtig, die Massenimpfung zu beschleunigen, gefährdete Gruppen zu schützen und auf noch schlimmere Szenarien vorbereitet zu sein, mahnt der Experte.
In einem in der gleichen Zeitung veröffentlichten anonymen Meinungsbeitrag werden westliche Medien für ihre angeblich parteiische Berichterstattung gerügt. «Einige westliche Kräfte neigen dazu, alle Bemühungen und Errungenschaften Chinas zur Eindämmung des Virus zu missachten, während sie die Mängel unter die Lupe nehmen, um Konfrontationen zu provozieren und Chaos auf chinesischem Boden zu schüren. Für sie wäre es am besten, wenn Chinas Entwicklung sich verlangsamen oder stagnieren würde.» Im gleichen Kommentar wird darauf hingewiesen, dass China offiziell bislang lediglich 5200 Covid-Todesopfer zu beklagen habe, während es in den USA über eine Million seien.
Peking reagiert auf Brand in Urumqi
Die Wut über die strikte Null-Covid-Politik in China hatte sich in den vergangenen Tagen in landesweiten Protesten entladen. Auslöser war ein Wohnhausbrand mit zehn Toten in der Stadt Urumqi. «Was Sie ansprechen, spiegelt nicht wider, was in Wirklichkeit passiert ist», sagte Aussenamtssprecher Zhao Lijian am Montag in Peking auf eine Journalistenfrage nach dem Unmut vieler Bürger und den Demonstrationen mit Tausenden Teilnehmern in mehreren Metropolen. In seiner auffällig kurzen Reaktion äusserte sich der Sprecher zudem überzeugt, dass der Kampf gegen die Corona-Pandemie erfolgreich sein werde – «unter der Führung der Kommunistischen Partei und mit der Unterstützung des Volkes».
Im Internet war vermutet worden, dass die Opfer in Urumqi wegen der Covid-Beschränkungen nicht entkommen oder die Einsatzkräfte nicht schnell genug eingreifen konnten. Bei der Isolation ganzer Wohnblocks werden in China oftmals nicht nur Türen, sondern auch Notausgänge verriegelt.
Die staatliche Zeitung «China Daily» behauptet nun, dass die Todesopfer nicht auf die Covid-Beschränkungen zurückzuführen seien. In einem Bericht räumte sie zwar ein, dass die Wut in der Öffentlichkeit über den Vorfall gross sei. Der lokale Beamte Hamit Memetmin durfte dann aber ohne Beweise behaupten, dass im Internet verbreitete Videos, die versiegelte Türen zeigen, an anderer Stelle gefilmt und «in böser Absicht mit Filmmaterial des Unfalls zusammengefügt» worden seien.
Eine erste chinesische Behörde scheint nun direkt auf das tödliche Unglück zu reagieren: Die Stadtverwaltung in Peking kündigte am Montag an, sie werde keine Zäune mehr aufstellen, um den Zugang zu Wohnanlagen zu blockieren, in denen Corona-Infektionen bestätigt wurden. Die Durchgänge müssen für medizinische Transporte, Flucht und Rettung frei bleiben», sagte der für die Seuchenbekämpfung zuständige Wang Daguang laut «dpa» der Nachrichtenagentur «China News Service». Aus Guangzhou hiess es zudem, dass einige Einwohner nicht mehr zu Massentests verpflichtet würden. In Urumqi dürfen die die zuvor teils wochenlang eingeschlossenen Einwohner ab Dienstag wieder Bus fahren, um Besorgungen in ihren Wohnbezirken zu erledigen,
Die Infektionszahlen in China steigen unterdessen weiter an. Am Montag wurden mehr als 40’000 neue Fälle gemeldet, darunter 36’500 ohne Symptome.
AFP/nlu
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