Slalom in Chamonix«War schon fast im Hotel»: Daniel Yule gewinnt, wie das noch nie einer tat
Dem Walliser gelingt in den Savoyen eine einmalige Aufholjagd. Er siegt – und das vor einem Schweizer Teamkollegen.
Der Slalom ist gemacht für verrückte Geschichten. Chamonix ist gemacht für verrückte Geschichten. Gerade für die Schweizer. Luca Aerni ist hier einmal von Platz 29 im ersten Lauf auf den 4. Rang vorgeprescht. Sandro Simonet holte hier vor drei Jahren als Dritter seinen bislang einzigen Podestplatz auf oberster Stufe – nach Rang 30 zur Halbzeit.
Doch an diesem Sonntag, da schreibt einer eine Geschichte, wie es sie noch gar nie gegeben hat in der bald 60-jährigen Geschichte des Weltcups.
Daniel Yule hat es am frühen Morgen gerade noch so in den zweiten Durchgang geschafft. Sechs Hundertstel langsamer, und sein Arbeitstag wäre vorbei gewesen. «Ich habe alle meine Sachen schon gepackt und war schon fast im Hotel. Plötzlich erhielt ich doch noch eine zweite Chance», sagt der Walliser später in die Fernsehkamera. Das Rennen ist da schon vorbei und Yule nicht mehr «richtig hässig» wie noch nach dem ersten Lauf, als ihm just vor dem Flachstück ein grosser Fehler unterlaufen ist. Nein, diesmal strahlt er vor dem Mikrofon.
Als Dreissigster und Letzter hat er es in den zweiten Durchgang geschafft – und nutzt die gute Ausgangslage mit frischer Piste bei frühlingshaften Temperaturen perfekt. Fahrer um Fahrer scheitert an der Zeit des 30-Jährigen. Und als auch noch Clément Noël im Ziel ist, der das französische Publikum auf den Tribünen zum Schreien und letztlich Aufschreien bringt, da steht fest: Daniel Yule ist eine einzigartige Aufholjagd gelungen: von Rang 30 auf Rang 1, das gab es noch nie.
Einen Doppelsieg gab es erst einmal
Den bisherigen Rekord hielt der jüngst zurückgetretene Norweger Lucas Braathen, der sich 2022 in Wengen von Platz 29 zum Sieg zauberte. Nun also hält diesen Bestwert Yule. «Unglaublich, es ist schwierig, das zu verstehen», sagt er, «ich hatte aber auch richtig viel Glück. Manchmal sind die Hundertstel auf meiner Seite, manchmal nicht. Ich wollte meine zweite Chance einfach nutzen.» Und wie er das tat.
Noël, dem Halbzeitführenden, reichen selbst 1,93 Sekunden Vorsprung nicht, um Yule von der Spitze zu verdrängen – auch weil die Piste bei seiner Fahrt schon gezeichnet ist wegen der sieben Grad, die herrschen in den Savoyen. Weil der Franzose auch noch hinter Loïc Meillard auf Rang 3 fällt, ist der Tag aus Schweizer Sicht noch etwas kitschiger.
Yule vor Meillard, ein Doppelsieg im Slalom, das gab es überhaupt erst ein einziges Mal – und das ist fast ein halbes Jahrhundert her. 1978 siegte Martial Donnet in Madonna di Campiglio vor Peter Lüscher.
Nun also stehen Yule und Meillard gemeinsam im Ziel während der Fahrt von Noël – und liegen sich letztlich in den Armen, als dieser mit Rückstand einfährt.
Die Bühne ohne Abfahrer
Es ist ein grosses Lebenszeichen des Slalomteams, das bislang einen nicht ganz einfachen Winter erlebt hat. Yule war vor Chamonix mit Rang 3 in Kitzbühel der einzige Schweizer Podestfahrer. Die Bilanz sieht nun, nach sieben von zwölf Rennen, deutlich rosiger aus.
Yule und Meillard haben die Bühne perfekt genutzt, die sich ihnen bot. Weil die Frauen in Garmisch-Partenkirchen wegen der hohen Temperaturen ihre Abfahrt und den Super-G nicht bestreiten konnten und die Abfahrer auch ihre zwei Rennen in Chamonix nicht, ist das Scheinwerferlicht für einmal ganz auf die Slalomfahrer gerichtet.
Nicht alle präsentieren sich darin so, wie sie sich das vorgestellt haben. Die Ränge 17 und 18 für Ramon Zenhäusern und Marc Rochat sind für die beiden zumindest eine leichte Enttäuschung. Der Hang in Chamonix liegt Zenhäusern eigentlich, die letzten drei Mal ist er hier auf dem Podest gelandet, im Vorjahr hat er gar gewonnen. Nun holte der gross gewachsene Walliser immerhin wieder einmal Punkte, nachdem er in Wengen gestürzt war, Kitzbühel wegen Rückenschmerzen ausgelassen hatte und in Schladming ausgefallen war. Mit Luca Aerni (22.) und Tanguy Nef (24.) schaffen es noch zwei weitere Schweizer in die Top 30.
Sie alle aber sind an diesem Sonntag in Chamonix nur Staffage. Für Daniel Yule und Loïc Meillard, die ein Schweizer Ski-Märchen schreiben.
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