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Doping-Affäre im Skiweltcup
Sie war die Nummer 4 der Welt – und musste betteln gehen

United States' Breezy Johnson gets to the finish area after completing an alpine ski, women's World Cup downhill in Soldeu, Andorra, Wednesday, March 15, 2023. (AP Photo/Alessandro Trovati)
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Zu lesen waren Schlagzeilen wie «Von Skistar fehlt jede Spur» oder «Abfahrerin ist untergetaucht». Und «Mysteriös: Warum fehlt die Speed-Lady?»

Vor einem Jahr gab während der Weltcuprennen in St. Moritz eine Frau zu reden, die gar nicht da war. Die Abwesenheit von Breezy Johnson, einst die Nummer 4 der Abfahrtsweltrangliste und siebenmal auf dem Podest, bot Spielraum für Spekulationen. Zumal sie gesund war und die amerikanischen Trainer auf Nachfragen unbeholfen reagierten. Eine Onlineplattform berichtete gar von der Möglichkeit eines Verbrechens. Johnson sei in eine Untersuchung der US-Anti-Doping-Behörde verwickelt, deckte derweil Skinews.ch auf und schuf Klarheit. Wobei an und für sich noch vieles unklar war.

Drei unverzeihliche Fehler

Wieder St. Moritz, ein Jahr danach: Nun ist Johnson da, sie spricht über die letzten Monate, «die so kompliziert waren und in denen ich mich manchmal wie eine Kriminelle fühlte, weil mein Name nur im Zusammenhang mit verbotenen Handlungen und möglichen Strafen genannt wurde».

Johnson hat es fertiggebracht, der Anti-Doping-Behörde ihren Aufenthaltsort innerhalb eines Jahres dreimal nicht korrekt anzugeben. Sämtliche Fahrerinnen müssen pro Tag einen bestimmten Zeitpunkt und Ort angeben, an dem sie für einen Test zur Verfügung stehen. Am 29. Oktober 2022, 13. Juni 2023 und 10. Oktober 2023 versäumte dies Johnson, der Tester musste zu lange auf sie warten, was einem Meldeverstoss gleichkam.

Blick nach vorne: In St. Moritz gehört Breezy Johnson wieder zum US-Skiteam.

Unverzeihlich sei das, sagt sie. Beim ersten Mal habe sie schlichtweg vergessen, die Angaben zu erfassen, «ich wurde fahrlässig, weil jahrelang nie etwas schiefgelaufen war». Beim zweiten Vergehen habe sie eine Aktualisierung an eine falsche Nummer geschickt, sagt sie. Der dritte Fauxpas sei wegen eines Fehlers in der App passiert, sie habe eine bestimmte Adresse angeklickt, was offenbar nicht funktionierte.

Klingt irgendwie plausibel, und wirkt doch sonderbar. Es stellt sich zumindest die Frage, weshalb sich Johnson spätestens nach dem ersten Vergehen nicht besonders um Exaktheit bemühte. Die Konsequenz: 14 Monate Sperre, sie endete am 10. Dezember.

Die Folgen sind fatal

Dopingfälle bei den Alpinen sind sehr selten. Die Französin Christelle Guignard etwa wurde 1989 als Dritte aus dem WM-Riesenslalom gestrichen, dem Schotten Alain Baxter 2002 Olympia-Bronze aberkannt. ORF-Experte Hans Knauss beendete nach einem kontroversen positiven Befund 2005 seine Karriere.

Johnson ihrerseits hat nie auch nur eine verdächtige Probe abgegeben. An den Daten, an denen sie den Aufenthaltsort schludrig erfasst hatte, liess sie sich jeweils noch testen, einfach verspätet – die Ergebnisse waren negativ. Und doch waren, ja sind die Folgen fatal: Ein Grosssponsor kündigte sein Engagement, monatelang durfte sie nicht mit dem amerikanischen Team trainieren.

Hilfe erhielt sie aus der Schweiz: Als Trainer engagierte sie den SRF-Experten Stefan Abplanalp, er vermittelte Pisten und organisierte zwei Assistenten, einen Servicemann und Physiotherapeuten. In Saas-Fee und in den USA trainierte er Johnson während 45 Tagen. Die Athletin spricht von der idealen Lösung in schwierigen Zeiten: «Die Trainings so ganz allein waren herausfordernd, es drückte ein wenig auf die Motivation.»

Abplanalp, der von 2014 bis 2016 die Amerikanerinnen um Lindsey Vonn trainierte, sagt, er habe sich mit dem Fall eingehend beschäftigt. «Wenn es sich um eine gedopte Athletin gehandelt hätte, wäre ich nicht zur Verfügung gestanden.» Was geschehen sei, dürfe einer Athletin nicht passieren, sagt der Berner. «Aber Breezy ist eine sehr intelligente Frau. Sie befasst sich mit Dingen, die weit über den Skisport hinausgehen. Sie hatte den Kopf wohl einfach nicht beim Wesentlichen.»

In den Startlisten ist sie weit zurückgefallen, doch nicht nur deshalb zahlt sie für ihr dreifaches Malheur teuer. Nur dank einem Crowdfunding konnte sie die Saisonvorbereitung finanzieren; Löhne, Reisen, Trainings-Infrastruktur, das alles kostete über 200’000 Franken. «Ich habe viel von meinem Ersparten ausgegeben», sagt die 28-Jährige. Sie kenne einige einflussreiche Leute, die sie um Unterstützung habe anfragen können. «Ich musste betteln gehen. Es dauerte jeweils, bis ich Antworten erhielt – in dieser Zeit gab es schlaflose Nächte. Auswärts essen, das gab es bei mir lange nicht mehr.»

Der Albtraum soll ein Ende haben

Mittlerweile darf Johnson wieder mit den Amerikanerinnen trainieren, vergangene Woche gab sie in Beaver Creek mit Rang 13 in der Abfahrt ein ansprechendes Comeback. Abplanalp sagt, Johnson habe alles, um erfolgreich zu sein, die Technik, den Kopf, die Athletik. Während der Zwangspause arbeitete sie mehr denn je an ihrer Fitness, sie brach aber auch aus, lüftete den Kopf, sie spricht von einer Art Sabbatical.

United States' Breezy Johnson skis during a women's World Cup downhill training run, Friday, Dec. 13, 2024, in Beaver Creek, Colo. (AP Photo/Robert F. Bukaty)

Mit 14 Monaten hat Johnson eine der tiefstmöglichen Sperren erhalten. Sie beklagt sich nicht, im Gegenteil, tut sich aber etwas schwer, wenn sie an die Sanktionen der Tennis-Stars Iga Swiatek und Jannik Sinner denkt, die tatsächlich positiv getestet wurden, aber quasi straffrei davongekommen sind.

Negative Stimmen zu ihrer Rückkehr sind in der Szene so gut wie keine zu vernehmen, an der Mannschaftsführersitzung in St. Moritz sagt ein Trainer hinter vorgehaltener Hand nur, es sei ein Fall, bei dem einige Fragezeichen bestehen bleiben würden. Andere wollen gar nicht erst aufs Thema eingehen.

Nun ja, Reaktionen aller Art ist sich Johnson gewohnt, spätestens seit Herbst 2022, als sie ihre Bisexualität öffentlich machte. Sie hofft, dass ihr Name irgendwann nicht mehr im Zusammenhang mit Doping genannt werde.

Die Anti-Doping-Behörde habe die App erneuert, sagt sie, es sei nun alles verständlicher. Und sie hat sich ihr eigenes Sicherheitssystem gebaut mit Erinnerungszetteln und Bekannten, die sie vor dem Schlafengehen darauf hinweisen, doch bitte nochmals alles zu kontrollieren.

Johnson sagt: «Ich will diesen Albtraum ja nicht nochmals erleben.»