Drohnen in KitzbühelSie sorgen für die spektakulärsten Bilder im Ski-Weltcup
André Theis und Daniel Ausweger sind auf der Streif für die Drohnenaufnahmen zuständig. Die Bilder begeistern auch Athleten und Trainer – und stimmen selbst Kritiker im Nu um.
Sie ist ein Mythos im alpinen Skisport, ein Koloss gleich zu Beginn der gefährlichsten Abfahrt der Welt. Als Beat Feuz vor seinem ersten Trainingslauf in Kitzbühel sah, wie ein anderer Fahrer bei der Mausefalle abflog, bekam er ein ungutes Gefühl. Es sei ein Fehler gewesen zuzuschauen, sagte er einmal.
Um diese für die Athleten so gewaltige Aufgabe noch besser in Szene zu setzen, kreiste dieses Jahr in Kitzbühel erstmals eine Drohne über dem Startbereich. Was die Fahrer hier leisten, der 40-Meter-Sprung bei vollem Tempo und die anschliessende Linkskurve, wirkt so noch eindrücklicher.
Die Bilder von der Mausefalle sind eine Neuheit. Bisher waren in Kitzbühel jeweils zwei Drohnen im Einsatz, die eine zwischen Lerchenschuss und Hausbergkante, die andere von der Traverse bis in den Zielhang. Nun ist eine dritte dazugekommen. Das passt zu diesem Rennen, keines im Weltcup wird so vermarktet wie dieses.
André Theis und Daniel Ausweger sind zwei der Köpfe hinter den spektakulären Bildern. Theis ist der Chef, Geschäftsführer der Firma Theis Media, die vom ORF beauftragt wurde. Der Deutsche kommt aus der Medienbranche, war früher als Bildingenieur unterwegs und später im Videobereich tätig, wo er die technische Entwicklung verfolgte. Das Potenzial der sogenannten First-Person-Viewer-Drohne erkannte er früh.
Ausweger, der Theis gegenübersitzt, ist einer der Piloten vor Ort. Er kommt ursprünglich aus der Fotografie, setzte dann vor zehn Jahren auf Drohnen. «FPV habe ich vor etwa vier Jahren entdeckt», sagt er, «ich habe erkannt, dass man da dabeibleiben sollte.» Seine Drohne baut er selbst, die Kamera kommt von Theis Media. Die Fotografie hat er aufgegeben.
Das Team von Theis und Ausweger besteht aus acht Leuten. Neben Theis ist ein weiterer Techniker dabei, dazu kommen noch zwei Piloten und drei Spotter, die stets bei den Piloten sind, den Luftraum im Auge behalten und die Akkus wechseln. Eine Ladung reicht ungefähr für einen Flug hinter einem Athleten. Geflogen wird die Drohne per Fernsteuerung, Pilot Ausweger trägt eine Brille, er sieht das, was die TV-Zuschauenden sehen.
Theis Media hat schon diverse Aufträge im alpinen Skisport ausgeführt, Theis und Ausweger waren auch bei der WM 2023 in Méribel und Courchevel dabei. Zum Portfolio gehören aber auch noch ganz andere Sportveranstaltungen. «Abgesehen von den Temperaturen sind Skirennen für mich das Lässigste», sagt Ausweger, «wir haben viel Platz, eine abgesperrte Piste und hohe Geschwindigkeiten.»
Der berühmte Fall Hirscher
Die Drohne war im alpinen Skisport lange nicht gern gesehen, weil es im Dezember 2015 zu einem Zwischenfall kam. Beim Nachtslalom von Madonna di Campiglio fiel eine Drohne vom Himmel, beinahe auf den Kopf von Marcel Hirscher, dem damaligen Dominator in den technischen Disziplinen. Hirscher schimpfte und sagte, er hätte sterben können. Danach wurden Drohnen im alpinen Skisport verboten.
Hirschers Annahme war wohl gar nicht so falsch, das Teil, das ihn knapp verfehlte, war rund 10 Kilogramm schwer. Heute sind die Drohnen geschmeidiger, kleiner und leichter, wiegen noch etwa 800 Gramm. Sie fliegen bis zu 200 Stundenkilometer schnell, halten also auch auf den schnellsten Strecken im Weltcup locker mit. Sie erreichen die maximale Geschwindigkeit in wenigen Sekunden, genauso schnell bremsen sie ab.
Mit dem Ungetüm von 2015 ist das nicht zu vergleichen, entsprechend lange dauerte es, bis die Drohne zurück in den Weltcup kam. 2022 war es so weit, und das gleich auf der Streif. Theis und Ausweger waren da schon dabei, Wegbereiter war Michael Kögler, der Regisseur beim ORF. Etwas Skepsis war da, das Portal heute.at zum Beispiel titelte: «Drohne kehrt sechs Jahre nach Hirscher-Attentat in den Weltcup zurück.»
Die Bilder aber stiessen auf grosse Begeisterung, viele Länder zogen nach, zuletzt auch die Schweiz. Seit Januar 2023 gelten auch hier die Drohnenregulierungen der EU. In Zermatt waren Drohneneinsätze geplant, aber die Rennen wurden abgesagt. In St. Moritz dann folgte die Schweizer Premiere bei der Abfahrt der Frauen, auch die Rennen der Männer in Adelboden und Wengen wurden begleitet.
Der Stellenwert steigt
Das Feedback ist gut, wohin man auch hört. Vor einigen Wochen drehte Ausweger mit dem nun verletzten Aleksander Kilde einen Werbespot, der Norweger sagte, er habe die Drohne nie gehört. Zu laut ist der Wind, der den Fahrern um die Ohren peitscht, wenn sie mit weit über 100 Stundenkilometern über die Pisten donnern.
Anders ist das Gefühl für die Zuschauenden am Fernseher, das Surren der Drohnen lässt sich nicht verhindern. Und in einem Slalom, wie zuletzt in Adelboden, können die Bilder wegen der vielen Richtungswechsel etwas gar fest rütteln. Die Technik wird aber von Jahr zu Jahr besser.
Ansonsten gibt es kaum negative Stimmen. Und wenn, dann verstummen sie schnell. Bei der WM in Méribel verlangte ein Trainer einmal mehr Abstand von den Athletinnen. «Als er die Aufnahmen sah, war er von den Socken und sagte: ‹Fliegt so nah ran, wie ihr könnt›», erzählt Theis. Ein anderer Trainer sei gar mal beleidigt gewesen, weil seine Athletin nicht auf den Bildern zu sehen war. Die Startintervalle waren zu eng geworden, um jede Athletin zu verfolgen. Dabei hätte der Trainer die Aufnahmen zur Analyse der Fahrt gut brauchen können.
Das zeigt den Stellenwert, den die Drohnen mittlerweile haben. Theis sagt, er sei ganz schön baff gewesen, als er das bei einem Treffen der TV-Sender gemerkt habe. Dort sei sogar diskutiert worden, Bandenwerbung künftig so auszurichten, dass sie auf den Drohnenaufnahmen besser zu sehen sei.
Die Drohne hat sich definitiv festgesetzt im Ski-Weltcup – und das, nachdem sie so lange verpönt war.
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