Saisonstart in SöldenJungunternehmer und muskulöser als je zuvor: Marco Odermatt wird zum Ski-Giganten
Der Nidwaldner ist vor diesem Winter in der Form seines Lebens. Er wurde mit einem Vertrag geadelt – und investiert sein Geld in eine Schweizer Firma.
- Marco Odermatt ist der grosse Favorit beim Saisonauftakt in Sölden.
- Der Nidwaldner hat noch einmal an Muskelmasse zugelegt.
- Bei seinem Hauptsponsor hat er einen ganz speziellen Vertrag unterschrieben.
Es ist nur ein Satz von Marco Odermatt an diesem Freitagabend im Teamhotel der Schweizer. Doch er sagt alles darüber aus, was seine Gegner auch in diesem Winter erwarten dürfen. «Eigentlich mag bei jedem Rennen jemand – wenn gerade alles zusammenpasst – irgendwie mithalten.» So also lautet der etwas holprige Satz des Nidwaldners.
Es sind die Einschübe, die so bezeichnend sind. «Eigentlich», «irgendwie», «wenn gerade alles zusammenpasst». Doch unter normalen Umständen, so kann dieser Satz auch gedeutet werden, da kommt keiner an ihm vorbei. Gerade im Riesenslalom nicht, seiner Paradedisziplin, mit der die Männer in Sölden in ihre Saison starten – im letzten Winter gewann er neun von zehn Rennen.
Und, so absurd es klingt nach einem Winter der Superlative mit dem Sieg in der Riesenslalom-Wertung, im Super-G und der Abfahrt, mit dem Triumph im Gesamtweltcup: Wer den Nidwaldner vor dem Auftakt sieht, bringt den Gedanken nicht weg, dass er über den Sommer noch stärker geworden ist.
Die zwei Kilogramm Muskelmasse, die er sich zusätzlich antrainiert hat, sind gut erkennbar unter dem grauen Pullover, mit dem er am Tisch mit den paar Journalisten sitzt. Bei den Kraft- und Ausdauertests schraubte er seine Bestmarke aus dem Vorjahr um drei Prozent nach oben. «Er hat noch einmal zugelegt», sagt Helmut Krug, der Trainer der Riesenslalomfahrer. Und: «Zusätzliche Muskulatur bedeutet auch zusätzliches Gewicht. Das muss man bewegen können. Aber zum einen ist Marco gross, weshalb die zwei Kilo nicht ins Gewicht fallen. Zum anderen ist er koordinativ unglaublich talentiert.»
Gut-Behramis Ex-Trainer bringt neue Bewegung
Es sei auch der Einfluss von Alejo Hervas, dem neuen Konditionstrainer, der nun bei seinem Team zu sehen sei, «und das nicht nur bei Marco». Neben Odermatt verfügen die Schweizer mit Loïc Meillard, Gino Caviezel, Thomas Tumler und Justin Murisier über vier weitere Riesenslalomfahrer von Weltklasseformat. Zudem stossen Junge nach.
Die Dynamik ist seit Jahren gross, es sind Freunde, die zusammen trainieren, die auch einmal gemeinsam in die Ferien fahren. Hervas, der Spanier, der zuvor Lara Gut-Behrami trainierte und Kurt Kothbauer ersetzte, der sich dem Privatteam von Lucas Pinheiro Braathen anschloss, bringt nun zusätzliche Bewegung. Selbst eine Erfolgsmaschine braucht ab und zu ein neues Rädchen.
So also strotzen die Schweizer vor Zuversicht, tut das natürlich vor allem Odermatt. Er habe gut trainiert, erzählt er. «Keine Verletzung, keine Zerrung, keine Prellung», so sagt es Trainer Krug. In den letzten Tagen habe er in der Diavolezza auch auf den Ski immer besser in den Rennrhythmus gefunden, sagt Odermatt. «Ich war keinen Tag früher parat als jetzt. Aber ich bräuchte auch keinen Tag Training mehr.» Das alles sind keine guten Nachrichten für die Konkurrenz.
Odermatt wird Favorit sein, wo auch immer er startet. Dabei steht ein Rennen für ihn über allen anderen: Odermatt will endlich die Abfahrt in Kitzbühel gewinnen, es ist sein letztes Ziel, so sagt er das mit seinen 27 Jahren. Und wenn er das geschafft hat, tritt er zurück? Das ist eine Frage an ihn. Odermatt lacht. «Ich habe es nicht vor, aber wer weiss.»
Die Medaillen an der WM sind ihm nicht das Wichtigste
Im Februar ist die WM in Saalbach, die Medaillen bedeuten ihm weniger als der Triumph in Kitzbühel. «Wenn ich nur noch ein Rennen in meinem Leben gewinnen könnte, würde ich die Abfahrt auf der Streif wählen.» Im Vorjahr war zweimal Draufgänger Cyprien Sarrazin schneller, für den gerade an jenem Wochenende alles zusammenpasste. Die Gegner sind auf Exploits angewiesen, um gegen ihn bestehen zu können. Odermatt? Zum Siegen verdammt.
Er hat gelernt, damit umzugehen. «Ich habe genug gewonnen. Ich weiss: Es bricht keine Welt zusammen, wenn es einmal nicht klappt. Druck zu haben, ist das Beste überhaupt. Schliesslich beweist das, dass man der Beste ist.»
Odermatt schwebte schon die letzten drei Jahre über allen anderen, gewann jedes Mal die grosse Kristallkugel. Er ist an einem Punkt in seiner Karriere angelangt, an dem es auch um seine Zukunft nach der Karriere geht, um Planungssicherheit. Diese gab ihm Kopfsponsor Red Bull diese Woche, indem er «vorzeitig eine mehrjährige Verlängerung der Zusammenarbeit» verkündete. In der Skiszene ging das Gerücht um, es könnte sich um einen Vertrag «auf Lebenszeit» handeln. Odermatt sagt lachend: «Ich hoffe schon, dass ich noch etwas länger lebe als bis zur Jahreszahl, die auf dem Vertrag steht.»
Odermatt, der Roger Federer des Skisports
Ein Ritterschlag ist es gleichwohl für ihn, eine ähnliche Vereinbarung mit dem Energydrink-Giganten hat nur die einstige Speed-Queen Lindsey Vonn. «Red Bull ist mehr als ein Sponsor, investiert extrem viel in die Athleten und ermöglicht es uns, den Sport auf ein anderes Level zu heben. Ich werde überall unterstützt, wo ich Hilfe brauche.»
Die Sportler profitieren vom konzerneigenen Leistungsdiagnostik- und Trainingszentrum in Salzburg, sie können auf Privatflugzeuge oder luxuriöse Hotelzimmer zurückgreifen. Automatisch vergoldet habe er seine Karriere mit der Unterzeichnung des Vertrags aber nicht, sagt Odermatt. «Wie viel ich bekomme, ist noch immer leistungsabhängig.»
Einen Teil seiner Einnahmen, die in den letzten Jahren stetig stiegen, investierte er jüngst in die Schweizer Sportmarke X-Bionic, bekannt unter anderem für ihre Ski-Unterwäsche und Laufschuhe. «Als das Angebot kam, musste ich schlicht zusagen. Ich finde das extrem spannend», sagt Odermatt. «Wirtschaftliche Dinge haben mich schon immer interessiert, auch in der Schule mochte ich, wenn wir solche Themen durchnahmen. Und als Athlet bin ich ja ohnehin Unternehmer. Ich habe viel mit Sponsoren zu tun, mit Rechnungen, mit der Buchhaltung. Längerfristig und vielleicht auch für nach der Karriere eine solche Aufgabe zu haben, ist spannend.»
Odermatt dreht nicht nur für einen gemeinsamen Sponsor Werbespots mit dem zurückgetretenen Tennis-Star Roger Federer. Er wird mit seinem Investment und den Verträgen – mittlerweile weiss er einen Hauptsponsor, 16 sogenannte «Premium-Partner», fünf Ausrüster und drei Supporter an seiner Seite – auch diesbezüglich immer mehr zum Roger Federer des Skisports. Und das mit 27. Mitten in der Blüte seines Schaffens.
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