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Wendy Holdener über den Tod ihres Bruders
«Ich möchte so weiterleben, dass auch er Freude daran hätte – wo immer er auch ist»

Wendy Holdener an einem Medientreffen von Swiss Ski in THE HALL am Dienstag, 1. Oktober 2024 in Duebendorf. (KEYSTONE/Til Buergy)
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In Kürze:
  • Wendy Holdener spricht erstmals öffentlich über den Tod ihres Bruders Kevin.
  • Er verlor im Februar den Kampf gegen den Krebs.
  • Am Donnerstag lief im SRF die bewegende Doku über ihn und seine Schwester.

Es ist ein intimer Moment, den Wendy Holdener an diesem Dienstag Anfang Oktober mit einem Dutzend Menschen teilt, die ihre Mikrofone und Aufnahmegeräte auf einem kleinen Tisch bereitgelegt haben für sie. Nur die Kameras sollten abgestellt werden, wenn sie rede, bittet die Schwyzerin.

Es ist der Tag, an dem die Schweizer Skifahrerinnen und Skifahrer ihr Material für die neue Saison fassen. Es herrscht dann jeweils Aufbruchstimmung, Freude über das Wiedersehen, Vorfreude auf den Winter und die neuen Herausforderungen. In diesem kahlen Nebenraum des Eventgebäudes The Hall ist es an diesem Mittag anders.

Für Holdener war es ein schwieriger Gang nach Dübendorf. Die 31-Jährige ist gekommen, um erstmals öffentlich über ihren Bruder zu reden. Kevin Holdener hat am 22. Februar 34-jährig den Kampf gegen den Krebs verloren, der schon so lange in ihm wucherte. Die Chemotherapie schlug nicht mehr an.

Wendy Holdener hat mit ihrem Bruder auch einen Menschen verloren, der stets an ihrer Seite war, seit er 2011, kurz nach der niederschmetternden Diagnose, seine eigene Ski-Karriere beendete. Kevin Holdener kümmerte sich um Medien- und Sponsorentermine, stand seiner Schwester mit seinem Rat zur Seite. «Er hat mein Leben geplant», sagt Wendy Holdener. Das Loch, das er hinterlässt, ist entsprechend gross und nicht zu füllen.

Wendy Holdener steht nun am Tisch vor den Journalisten und Journalistinnen, den bereitgestellten Stuhl hat sie beiseitegeschoben. Auf dem Handy hat sie notiert, was sie sagen will. Sie sei nervös gewesen vor diesem Termin, sagt die Frau, die in ihrer Karriere schon fünf Weltcuprennen gewann, vier olympische Einzelmedaillen und zwei WM-Titel, die bereit war, wenn es zählte, den Fokus fand, ihre Emotionen kontrollierte. Die Situation nun ist mit nichts vergleichbar, es geht nicht um Podestplätze oder Medaillen, es geht um ihr Leben. Die Nervosität: eine ganz andere, eine viel persönlichere.

«Vor einem Jahr hat sich die Situation meines Bruders sehr verschlechtert», so beginnt Holdener ihre Ausführungen. «Die Chemotherapie war schwierig, er hat nicht mehr darauf angesprochen, im Februar starb er an einer Lungenentzündung.» Es sind die Fakten hinter dem ganzen Drama, das sich in den letzten Tagen des vergangenen Winters abspielte.

Wendy Holdener entschuldigt sich für die Tränen

Es gibt Momente an diesem Tag, da stockt Holdeners Stimme, sucht sie mit ihren Blicken Halt im Raum, einmal fliessen die Tränen, worauf sie sich entschuldigt. «Es geht mir meistens ziemlich gut», sagt sie, als sie sich die Tränen aus dem Gesicht gewischt hat. «Ich bin sehr glücklich, wie meine Familie das gemeistert hat, wie wir uns unterstützt und gegenseitig geholfen haben. Kevin wäre sehr stolz darauf, wie wir das gemacht haben.»

Es gebe auch auf der Piste Augenblicke, in denen ihre Gedanken abschweiften, in denen sie Bilder ihres Bruders ganz präsent vor sich sehe. Manchmal, wenn sie ein Problem hat, fragt sie sich, welchen Ratschlag er ihr wohl gegeben hätte. «Ich weine nicht jeden Tag, aber er fehlt.»

Erinnerungen seien nicht nur negativ, sagt Holdener, «ich rede gern über Kevin, auch mit Leuten, die ihn kannten, die Dinge erlebt haben mit ihm, da gibt es tolle Geschichten, die mir ein Lächeln ins Gesicht zaubern und mich glücklich machen». Die Erinnerung an den letzten Tag vor seinem Tod ist einer dieser Momente. Da heiratete Kevin Holdener seine langjährige Freundin im Beisein seiner Familie. «Den Antrag hat er gemacht, bevor er wusste, dass er an einer Lungenentzündung leidet. Es war richtig schön, zu sehen, dass er diesen Tag so gestalten konnte, dass er so glücklich war – all die positive Energie.»

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In den letzten Wochen und Monaten gaben ihr solche Gedanken Kraft. Das habe auch das Skifahren getan, das sie liebe und auf keinen Fall aufgeben wolle. «Ich möchte so weiterleben, dass auch er Freude daran hätte – wo immer er auch ist.»

Die SRF-Doku über Holdener und ihren Bruder

Das Andenken an ihren jüngeren von zwei Brüdern ist Wendy Holdener wichtig. Am Donnerstagabend erschien die Dokumentation «Wendy Holdener und ihr Bruder Kevin – Verbunden über den Tod hinaus», den Kevin Holdener zusammen mit SRF initiierte. Es ist ein höchst emotionaler Film geworden, ein bewegendes Porträt dieser Geschwisterbeziehung und eine Hommage an Kevin Holdener, der trotz seines langen Kampfs gegen den Krebs positiv durchs Leben ging. Zahlreiche Privataufnahmen, aufgenommen mit seiner kleinen GoPro-Kamera, zeigen ihn auf Abenteuern in verschiedensten Ecken der Welt, aber auch in schwierigen, sehr persönlichen Momenten, gerade im Spital.

Anfang Februar bekam Kevin Holdener den Anruf, dass das Budget für den Film genehmigt wurde. Zwei Wochen später war er tot, hatte ihn der Krebs bezwungen, der ihm in den letzten 14 Jahren vielleicht mal für zwei Jahre eine Pause gegönnt hatte, wie Wendy Holdener erzählt. Das Projekt wurde zur Herzensangelegenheit für sie und Kevins Ehefrau Carmen. «Wir wollen sein positives Leben zeigen. Er wollte Krebsbetroffenen helfen, ihnen Motivation schenken, er wollte, dass sein Leben anderen hilft.»

Dass seine letzten Tage in eine Zeit fielen, in der Wendy Holdener nicht von einem Weltcuport zum nächsten hetzte – vielleicht half es bei der Verarbeitung. «Womöglich musste es so kommen», sagt sie. Kurz nach Beginn der vergangenen Saison brach sie sich nach einem Abflug im Training das Sprunggelenk, sie fuhr kein Rennen mehr. Körperlich sei sie wieder fit, sagt sie nun. Ob auch der Kopf bereit ist, will sie beim Saisonstart an diesem Wochenende in Sölden ein erstes Mal herausfinden.

Dieser Text erschien erstmals am 1. Oktober und wurde nach dem Erscheinen der SRF-Doku aktualisiert.