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Meinung

Analyse zu Gleichstellungsstudie
Sind Schweizer Studentinnen künftige Heimchen am Herd? Von wegen!

Je nach Studienrichtung geben 62 bis 80 Prozent der Frauen an, mit kleinen Kindern in einem hohen Teilzeitpensum oder gar Vollzeit arbeiten zu wollen. 
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Ist eine Frau, die ein Baby hat und 80 Prozent arbeitet: 

a) eine karrieregeile Rabenmutter oder 
b) eine wenig ambitionierte Teilzeitlerin?

Abhängig von Ihren Wertvorstellungen werden Sie, liebe Leserinnen und Leser, diese Frage wohl unterschiedlich beantworten. Sicher ist aber: Wer so fragt, wird kein befriedigendes Ergebnis erhalten. Zumal beide Antworten suggestiv sind und es keine Möglichkeit gibt, das Lebensmodell der Frau positiv zu bewerten. 

Ähnlich schwierig ist die Gleichstellungsdiskussion, die medial gerade intensiv geführt wird. «Die meisten Studentinnen wollen lieber einen erfolgreichen Mann als selbst Karriere machen», berichtete die «SonntagsZeitung» gestützt auf eine noch nicht publizierte und noch nicht peer-reviewte (also von unabhängigen Wissenschaftlern überprüfte) Studie der Wirtschaftsprofessorin Margit Osterloh und der Soziologin Katja Rost. Die Forscherinnen untersuchten im Auftrag der Universität Zürich, weshalb Frauen in akademischen Spitzenpositionen untervertreten sind. 

Wer sich durch den Fragebogen der Studie klickt, gerät ins Stutzen.

Laut dem Medienbericht widersprechen die Resultate «allem, was man in einem progressiven Umfeld wie der Universität erwarten würde». Demnach seien nicht etwa Diskriminierung oder erschwerte Bedingungen für Mütter der Grund dafür, dass weibliche Professorinnen rar seien. Vielmehr sei es so, dass viele Studentinnen keine oder nur geringe Karriereambitionen hätten. So wollten die meisten befragten Frauen nach der Geburt ihres ersten Kindes Teilzeit arbeiten – während sie von ihren Männern ein höheres Arbeitspensum erwarteten.

Daraus wird abgeleitet, dass viele Gleichstellungsmassnahmen zum Scheitern verurteilt seien. Die Logik lautet: Wenn sich die Frauen aufgrund persönlicher Präferenzen gegen eine Karriere entscheiden, ändern auch bessere Rahmenbedingungen nichts.

Nun sind gewisse Aspekte dieser Debatte interessant  – es scheint aber, als wäre die Studie eine ungünstige Diskussionsgrundlage dafür. Wer sich durch den Fragebogen der Studie klickt, gerät ins Stutzen. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen werden etwa gefragt, in welchem Pensum sie mit kleinen Kindern arbeiten würden. Die Frage bezieht sich explizit auf den Start des Familienlebens – die spätere Aufteilung ist kein Thema. Nur wer die Option «Vollzeit weiterarbeiten» anklickt, kann auch angeben, Karriere machen zu wollen. Wer nach der Geburt eines Kindes beispielsweise in einem 80-Prozent-Pensum arbeitet, hat diese Möglichkeit – gemäss Studiendesign – schon verwirkt. 

Grundsätzlich gibt es für Menschen, die Teilzeit arbeiten wollen, nur zwei Antwortkategorien: unter oder über 60 Prozent. Ein progressives Familienmodell, bei dem beide Partner beispielsweise 80 Prozent arbeiten (und dabei vielleicht sogar Karriere machen!), lässt sich nicht anwählen. Wer unter 60 Prozent arbeitet, wird in der Auswertung ohnehin der Kategorie der Hausfrauen und -männer zugerechnet – eine Unterscheidung machen die Studienautorinnen hier nicht mehr. 

Die Folgerung, die meisten Frauen verzichteten aufgrund spezifisch weiblicher Neigungen auf eine berufliche Karriere, ist unzulässig. 

Entsprechend schwierig ist die Interpretation der Ergebnisse. Je nach Studienrichtung geben 62 bis 80 Prozent der Frauen an, mit kleinen Kindern in einem hohen Teilzeitpensum oder gar Vollzeit arbeiten zu wollen. Ist das viel? Ist das wenig? Kommt auf den Blickwinkel an. Sicher ist: Verglichen mit den Daten des Bundesamts für Statistik liegen die Werte über dem heutigen Schnitt. 

Eine Mehrheit der befragten Frauen wünscht sich übrigens einen Partner, der nach der Familiengründung Teilzeit arbeitet.

Unbestritten ist, dass es geschlechtsspezifische Unterschiede im Antwortverhalten gibt. Daraus zu folgern, dass die meisten Frauen aufgrund spezifisch weiblicher Neigungen auf eine berufliche Karriere verzichten, ist jedoch nicht zulässig. 

Die Ergebnisse zeigen nicht, dass Gleichstellungsbemühungen obsolet sind – sondern wie sehr sie fehlen.

Viele Studentinnen dürften von Freundinnen, Kommilitoninnen oder der eigenen Mutter wissen, was es heisst, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Sie stellen sich vielleicht vor, wie es sein muss, am Abend das quengelnde Kind ins Bett zu bringen – während gleichzeitig der Chef aufs Handy anruft.

Vielleicht haben sie sogar schon einmal einen Blick auf eine Kita-Rechnung geworfen. Eine ganzwöchige Kinderbetreuung – eine solche wäre bei zwei vollzeitberufstätigen Elternteilen nötig – schlägt mit rund 3000 Franken pro Monat zu Buche. 

Vielleicht gelten die befragten Studentinnen, wenn sie wählen müssen, lieber als wenig ambitionierte Teilzeitlerinnen denn als karrieregeile Rabenmütter. Denn die Realität ist: In der gesellschaftlichen Debatte gibt es, wie in der eingangs erwähnten Fantasiefrage, oft keine Antwortoption c).

Die Studienergebnisse zeigen in dieser Lesart also nicht, dass weitere Gleichstellungsbemühungen obsolet sind – sondern wie sehr sie fehlen.