Italiens PräsidentenwahlBerlusconis grosse Enttäuschung – 48 Stunden vor der Wahl
Silvio Berlusconi gibt auf. Italiens Präsidentenwahl, die am Montag beginnt, ist auch wenige Stunden vor dem ersten Durchgang ein offenes Rennen. Als Favoriten gelten nun Mario Draghi und der Christdemokrat Pierferdinando Casini.
Der letzte Coup ist geplatzt, und diesmal war es wohl wirklich der letzte. Silvio Berlusconi verzichtet auf seine Kandidatur für die Präsidentenwahl, die an diesem Montag, 15 Uhr, in der römischen Abgeordnetenkammer mit einer ersten Runde beginnt. Er soll müde, bitter und enttäuscht sein, wenn man den italienischen Zeitungen glauben darf, die sich in seiner Entourage umgehört haben.
So enttäuscht, dass er sich bei der entscheidenden Videokonferenz mit seinen rechten Bündnispartnern, mit Matteo Salvini von der Lega und Giorgia Meloni von den Fratelli d’Italia, nicht einmal persönlich zeigen wollte. Berlusconi liess eine seiner treuesten Wegbegleiterinnen ein Communiqué vorlesen, in dem er seinen Verzicht als Geste der «nationalen Verantwortung» beschrieb. Die nötigen Stimmen für eine Wahl habe er ja beisammengehabt, behauptet er. Doch das Land brauche jetzt Einheit. Italien könne sich keine «Polemiken und Zerreissproben» leisten, wie sie sein Name unnötigerweise ausgelöst hätten.
Wochenlang hatte Silvio Berlusconi davor an der Realisierung seines «Traums» gearbeitet, wie er allen erzählte, die er anrief. Präsident der Republik – davon habe er schon als Kind geträumt. Mindestens 50 Stimmen von «Grossen Wählern» fehlten ihm für eine Wahl ab Runde 4, wenn nicht mehr eine Zweidrittelmehrheit dafür nötig ist, sondern nur die absolute Mehrheit von 505.
«Operation Eichhörnchen»
Die Stimmen mussten von Parlamentariern kommen, die ihm sonst nicht nahestehen. Die Medien nannten das fiebrige Buhlen «Operation Eichhörnchen». Der reiche Medienunternehmer soll dabei viele Angebote gemacht haben, auch unanständige. Er liess sich Zeit bis zum letzten Moment, weniger als 48 Stunden vor der Wahl. Am Ende aber, so muss man annehmen, reichten die Stimmen eben doch nicht aus. Der Stress habe ihn um den Schlaf gebracht, heisst es, seine Ärzte und Kinder waren besorgt. Berlusconi ist 85 Jahre alt.
Und jetzt? Die Rechte findet, sie habe ein Vorschlagsrecht, weil sie im Parlament einige Sitze mehr besetzt als die Linke. Doch wer das sein soll und wie man nun vorgehen will, ist unklar: «Operation Eichhörnchen» hat alles verzögert.
Berlusconi wünscht sich in seinem Abschiedsschreiben, dass die Regierung unter Premier Mario Draghi ihre Arbeit fortsetze und bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode im Frühjahr 2023 weitermache. Das aber ärgert Meloni, die viel lieber hätte, wenn die Regierung sehr bald auseinanderfiele und es vorgezogene Neuwahlen gäbe: Ihre Postfaschisten, momentan die einzige Opposition im Land, stehen in den Umfragen gerade sehr hoch – das will man ausnützen. Salvini wiederum wäre gerne Königsmacher, um sich als Chef der Rechten zu gerieren, und darum spielt er seine Karten lieber noch nicht aus.
Chancen von Pierferdinando Casini steigen – er ist abgetaucht
Im Gespräch ist eine ganze Reihe möglicher Kandidaten, unter anderem Letizia Moratti, frühere Bürgermeisterin Mailands, Maria Elisabetta Alberto Casellati, die amtierende Senatsvorsitzende, der ehemalige Aussenminister Franco Frattini und der sozialistische Ex-Premier Giuliano Amato. Doch neben Draghi scheint nun der einstige Präsident der Abgeordnetenkammer, Pierferdinando Casini, am meisten Chancen zu haben, Präsident zu werden.
Der 66-jährige Christdemokrat aus Bologna wäre ein Kompromisskandidat. Früher politisierte er an der Seite Berlusconis im sogenannten «Pol der Freiheiten»; vor einigen Jahren wechselte er dann ins Lager der Sozialdemokraten des Partito Democratico, für die er im Senat sitzt. Casini tauchte in den vergangenen Wochen fast ganz ab, damit man auch ja nicht zu viel über ihn spricht. In der Regel nützen sich Kandidaten, über die viel geredet wird, schnell ab.
Die Unentschiedenheit der Rechten verhindert wohl, dass sich der politische Betrieb in allerletzter Minute über die Bündnisgrenzen hinaus doch noch auf eine Persönlichkeit einigen kann, die schon im ersten Wahlgang genügend Stimmen auf sich vereinen würde. Es herrsche Chaos, schreiben die Zeitungen. Noch immer gibt es Kreise, die den abtretenden Präsidenten Sergio Mattarella überzeugen wollen, ein Mandat anzuhängen. Doch der will partout nicht, das hat er oft genug gesagt in den vergangenen Wochen. Man müsste ihn gewissermassen zwingen. Mattarella weilt in seiner Heimatstadt Palermo, während sein Sprecher in Rom auf Twitter ein Foto postet, das sein Büro im Quirinalspalast mit vielen Umzugskartons zeigt – dazu die Botschaft: «Wochenende mit Schwerarbeit.»
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Damit alle 1009 «Grossen Wähler», die das wünschen, an der Wahl teilnehmen können, auch jene rund 30, die gerade in Quarantäne sind, ist auf dem Parkplatz des Palazzo Montecitorio eine Art Drive-in-Wahlkabine eingerichtet worden. Die positiv getesteten Senatoren, Abgeordneten und regionalen Delegierten fahren kurz vor, bleiben in ihrem Wagen sitzen, schreiben dort einen Namen auf den Zettel, geben diesen ab und fahren wieder weg.
In den grossen Palast dürfen gleichzeitig jeweils nur 200 Wähler, in die Aula gar nur 50. Und zwischen jedem Wahlgang sollen die Hallen desinfiziert werden. So will man verhindern, dass sich bei dieser Wahl viele Menschen mit dem Virus anstecken.
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