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Kommentar zu Berlusconi
Ungeeignet und heillos unbelehrbar

«Gesalbt vom Herrn»: So sieht sich Silvio Berlusconi – hier in einer Aufnahme von 2019. 
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Natürlich ist Silvio Berlusconi hochgradig ungeeignet für das Amt des Präsidenten der Italienischen Republik. Das ist eigentlich allen klar, auch denen, die eine Woche vor der Wahl im Parlament gerade das Gegenteil behaupten. Wahrscheinlich weiss er das selbst auch. Das Alter ist dabei noch das kleinste Problem: Berlusconi ist 85 Jahre alt, er war in jüngerer Vergangenheit oft krank oder unpässlich – das Mandat dauert sieben Jahre. Aber italienische Präsidenten waren immer schon alte Männer.

Nein, Berlusconi ist unwählbar, weil er in seiner schon viel zu langen politischen Karriere die anvertraute Macht und seine privaten Medien oft zum eigenen Vorteil nutzte und damit den demokratischen Wettbewerb verzerrte. Weil er Gegner klein und Faschisten gross gemacht hat. Weil er niedere Instinkte bediente und so das Spiel der Populisten erfand. Weil er immer spaltete, fast dreissig Jahre lang. Sein privater Lebenswandel?

Wenn der Präsident ein moralisches Modell sein soll, ein fürsorglicher Vater der Nation, dann kann man sich kein schlechteres Casting für die Rolle vorstellen.

Diese Wahl ist die Champions League der italienischen Politik. Aber ist er ein Meister? Oder spielt er wieder nur für sich?

Doch Berlusconi versucht es trotzdem, mit dem ihm ganz eigenen Selbstverständnis: Er hält sich für einen «Gesalbten des Herrn», wie er einmal sagte – was ist da schon die Präsidentschaft?

Der italienischen Rechten, die er begründet hat, zwingt er seine Kandidatur regelrecht auf. Man könnte sich fragen, ob er nur blufft, um sich dann im opportunen Moment als Königsmacher zu profilieren. Schliesslich ist eine italienische Präsidentenwahl ein undurchschaubares Spiel, in dem sich die Politik und die Parteien genüsslich alle Freiheiten nehmen beim Taktieren, Tricksen und Täuschen, notfalls bis in die allerletzte Minute.

Die Präsidentenwahl, heisst es, ist die Champions League der italienischen Politik. Die Meister haben immer mindestens einen Plan B, besser aber gleich zwei oder drei.

Doch wenn es so wäre, dass Berlusconi bluffte, würde das ja bedeuten, dass er einen anderen Präsidenten im Kopf hat, einen besseren Namen als seinen eigenen: einen konsensfähigeren, für das Wohl des Landes. Nun, sehr wahrscheinlich ist das nicht, es ist sogar sehr unwahrscheinlich. Berlusconi hat es nicht einmal geschafft, in seiner Partei einen Nachfolger aufzubauen. Alle kommen ihm zu klein vor, um sich an seiner vermeintlichen Grösse zu messen.

Berlusconi findet, das Amt sei ihm geschuldet – als Dank für seine Verdienste, als Entschädigung für seine Aufopferung.

Diese Präsidentschaft – er findet, das Amt sei ihm geschuldet, als Dank für seine Verdienste, als Entschädigung für seine Aufopferungen und Entbehrungen. So sieht er das, wenn man den Leuten aus seiner Entourage glauben darf. Als Rundung der Karriere. Als Imagekorrektur nach der beschämenden Demontage von 2011, als er als Ministerpräsident zurücktreten musste. Als Höhepunkt zum Schluss.

Und so muss befürchtet werden, dass Silvio Berlusconi das Land, das sich gerade erholt, wirtschaftlich und politisch, mit seinem letzten, eitlen und wohl aussichtslosen Manöver ins Chaos stürzt. In ein langes Wahlprozedere, das die eben erst zurückgewonnene internationale Glaubwürdigkeit Italiens wieder auf das Niveau der alten Klischees stutzt – auf das oft gehörte Motto: «Italien wieder!».

Ausgerechnet jetzt. Allein dass er noch immer alle vorführt, Januar 2022, ist ein Trauerspiel.