Silvio Berlusconis Stimmenjagd«Buongiorno, ich bin der vom Bunga Bunga»
Hat er Chancen auf die Präsidentschaft? Italiens Rechte schickt ihren alten Padrone ins Rennen – unter einer Bedingung.
Und wieder reden alle von Silvio Berlusconi. Was man auch vom nun 85-jährigen Mailänder Medienunternehmer und viermaligen italienischen Ministerpräsidenten hält: Er hat diese Gabe, sich immer ins Zentrum des politischen Geschehens zu spielen. Seine Villen wandeln sich dann zu Hinterzimmern der Republik, zu Höfen der italienischen Rechten.
Diesmal ist es die Villa Grande, sein neues Zuhause in Rom, draussen an der Via Appia Antica. Dahin hat er die Spitzen des Rechtslagers zum Essen geladen, es gab Seebarsch mit Artischocken.
Als Matteo Salvini von der Lega und Giorgia Meloni von den postfaschistischen Fratelli d’Italia die Villa verliessen, wurde ein Communiqué veröffentlicht, in dem die aufstrebenden Nationalisten dem alten Patron und früheren Mentor ihre geschlossene Unterstützung bei der Präsidentenwahl vom 24. Januar versicherten – so Berlusconi sich denn endgültig dazu entscheidet und die nötigen Stimmen in Aussicht hat.
Die Rechte riskiert, ihre historische Chance zu verspielen
Das ist in vielerlei Hinsicht ein bemerkenswerter Entscheid.
Erstens zeigt er, dass die neue Rechte noch immer keinen ernsthaften Namen hat, der ihrem Anspruch auf das höchste Amt im Staat gerecht würde. Denn: Berlusconi ist natürlich die genaue Antithese zu einem unparteiischen Landesvater, der mit Weisheit und Mass über allem schwebt, wie man das von Präsidenten der Republik erwartet. Er spaltet das Land, seit er 1994 in die Politik eingestiegen ist.
Zweitens offenbart der Beschluss, dass Berlusconi sein Lager mit seiner «senilen Ambition», Präsident zu werden, wie es eine Zeitung nannte, noch immer in Geiselhaft hält.
Drittens riskiert die Rechte, die im aktuellen Parlament mehr Gewicht hat als die Linke und die Cinque Stelle, mit Berlusconi ihre Chance zu verspielen, wieder einmal den Präsidenten zu stellen. Die Wahl der 1008 Grossen Wähler – Senatoren, Abgeordnete und Delegierte aus den Regionen – ist nämlich geheim, da kann alles passieren.
Genau darin sieht Berlusconi aber seine Chance. In den ersten drei Durchgängen, in denen er wahrscheinlich Premier Mario Draghi gegenüberstehen wird, ist eine Zweidrittelmehrheit für die Wahl nötig. Die ist unerreichbar. Von der vierten Wahlrunde an würde er nur noch eine absolute Mehrheit brauchen, also 505 Stimmen. Allein bringt es die Rechte aber nur auf 451 Stimmen.
Und so verbringt Berlusconi nun seine Tage damit, sehr unverhohlen um Stimmen aus der Gruppe der Fraktionslosen, dem «Gruppo misto», bei den Cinque Stelle und im losen Lager der Zentristen zu buhlen. Seine Mittel sind schier unerschöpflich.
Sie machen ihm Spickzettel, jedes Telefonat dauert fünf Minuten
Grosse Wähler, die einen Anruf des früheren Cavaliere erhalten haben, erzählen nun den Zeitungen, wie er sie umgarnt hat. Zu einem Hobbyschauspieler, der früher bei den Cinque Stelle war, sagte er: «Ich habe gehört, dass Sie Schauspieler sind.» Aus dem Mund des mächtigen Fernseh- und Filmproduzenten hört sich das schon mal vielversprechend an. Ein anderer Abgeordneter erzählte, Berlusconi habe sich mit den Worten eingeführt: «Buongiorno, ich bin der vom Bunga Bunga.» Sollte wohl ein Scherz sein, ein Eisbrecher für das Gespräch.
Fünf Minuten, dann ist jeweils der Nächste dran. Seine Assistenten haben ihn gut vorbereitet mit Dutzenden Spickzetteln, auf denen allerlei persönliche Daten und Vorlieben stehen – und die genauen Vermögensverhältnisse, wie sie im Register des Parlaments hinterlegt sind. Es ist alles sehr bizarr.
Eine «obskure Operation» nennt es «La Stampa»
Salvini und Meloni wollen nun in den nächsten Tagen überprüfen, ob Berlusconi tatsächlich fähig ist, weit über seinen Garten hinaus zu grasen. Dafür soll ein Komitee mit Mitgliedern aus allen rechten Parteien geformt werden, das sich in den Fraktionen schlaumachen. Lega und Fratelli d’Italia trauen Berlusconis Forza Italia offenbar nicht.
«La Stampa» schreibt: «Es ist paradox: Alles steht still, bis klar ist, ob ein Kandidat, der eigentlich nicht genügend Stimmen hat, den notwendigen Konsens doch noch irgendwie mobilisieren kann – mit welchen Mitteln auch immer.» Es laufe eine Jagd nach Stimmen, eine obskure Operation mit Angeboten, die natürlich nicht öffentlich gemacht werden könnten.
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