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Zehn Jahre Costa Concordia
Damals ging auch der «Berlusconismo» unter – vermeintlich

Wie ein müdes Monster: Die Costa Concordia, wie sie am 15. Januar 2012 vor der Isola del Giglio lag.
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Zehn Jahre ist es her, auf den Tag genau, dass sich die Costa Concordia vor der toskanischen Insel Giglio hinlegte wie ein müdes Monster, mit aufgerissenem Bauch. Das grosse Kreuzfahrtschiff hatte mal wieder den «inchino» gemacht, die Verneigung vor der Insel mit einem Nahmanöver. Die Passagiere sollten beim Vorbeigleiten die Küste sozusagen mit den Händen greifen können.

Eine gefährliche Zirkusnummer, ein Augenzwinkern des Kommandanten – was war es beliebt. Drei Felsen schlitzten den Rumpf auf. Der Strom fiel aus, die Dieselgeneratoren funktionierten nicht: Blackout an Bord. 32 Menschen kamen um beim Versuch, sich oder andere zu retten. Viele wurden verletzt und noch mehr traumatisiert.

Es war damals ein Freitag – Freitag, der 13. Und das ist nur eine von vielen symbolischen Handreichungen für das Verständnis dieser schwer fassbaren Katastrophe. Die Italiener haben die Deutung ihres Titanic-Moments noch immer nicht abgeschlossen. Es kam so viel zusammen in jener tragischen und grotesken Szene.

Die tanzende Crew auf der sinkenden Concordia, der Kapitän mit seiner Geliebten: Das passte perfekt zur allgemeinen Dekadenz, als Epilog.

Zum runden Jahrestag lassen die Medien sie noch mal Revue passieren. In Podcasts kann man die Stimmen der Protagonisten jener milden Winternacht nachhören. Etwa die des Kapitäns Francesco Schettino, der das Schiff als einer der Ersten verliess und sich dann in peinlichen Ausflüchten wand.

Auch die des Küstenwächters, der ihn mit deutlichen Worten zurückbeordern wollte: «Torni a bordo, cazzo!» Es gibt auch Filme, die im Zeitraffer dokumentieren, wie die Costa Concordia wundersam wiederaufgerichtet und in jahrelanger Arbeit zur finalen Verschrottung nach Genua transportiert wurde.

Da ist er wieder, als wäre er nie weg gewesen: Silvio Berlusconi, 85 Jahre alt, im vergangenen Dezember vor seinem neuen Haus an der Via Appia Antica in Rom.  

Die Havarie, sie war eben eine Metapher für alles. Silvio Berlusconi hatte das Land gerade auf Grund gefahren – wie ein wundes Tier lag es an den Börsen, der Staatsbankrott drohte. Als Retter wurde Mario Monti geholt, ein Technokrat, ausgeliehen von Brüssel. Und wer hier Analogien zu Mario Draghi sieht, der sieht das schon richtig.

Man glaubte damals, es beginne die Ausnüchterung vom Berlusconismo, von dessen Klamaukkultur. Ebenfalls final. Die tanzende Crew auf der sinkenden Concordia, der Kapitän mit seiner Geliebten: Das passte perfekt zur allgemeinen Dekadenz, als Epilog.

Man war sich sogar rundherum einig, dass Berlusconi vor allem eines war: ein lamentabler Kapitän des Landes. Als er dann auch noch wegen Steuerbetrugs verurteilt wurde, ja, da war es endgültig vorbei. Nun, nicht wirklich. Berlusconi ist jetzt 85 Jahre alt und tanzt wieder auf dem Dampfer der Republik. Er will Staatspräsident werden, das ist kein Witz. Würde er gewählt, man muss sich das mal vorstellen, hinge sein Foto bald auch in allen Gerichten des Landes.

Es läuft «Operazione scoiattolo», Operation Eichhörnchen, und die Zeitungen schreiben darüber, als wäre das Kaufen und Sammeln von Stimmen ganz normal.

Die Wahl im Parlament beginnt am 24. Januar, in den ersten Runden wird er sich wahrscheinlich mit Draghi messen, dem besten Premier des Landes seit Menschengedenken, dem nationalen Wiederaufrichter. Sollte der gewählt werden, liess Berlusconi schon ausrichten, dann werde er die Regierung der nationalen Einheit, an der seine Forza Italia beteiligt ist, platzen lassen.

Es hört sich wie eine Erpressung an. Berlusconi telefoniert in diesen Tagen viel herum, er schenkt möglichen Wählern aus dem Wahlgremium von Senatoren, Abgeordneten und Delegierten aus den Regionen teure Gemälde, bietet wohl wieder Posten, Jobs und Geld an.

Es läuft «Operazione scoiattolo», Operation Eichhörnchen, und die Zeitungen schreiben darüber, als wäre das Kaufen und Sammeln von Stimmen ganz normal. Es ist verrückt, ein gefährliches Manöver, aufgeführt mit dem alten Grinsen – ein freakiger «inchino». Es braucht nie viel, und Italien erleidet wieder eine Havarie.