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Arbeiten in Covid-Zeiten
Sie wollen das Airbnb der Büros werden

Lionel Ebener (links) und Geschäftspartner Alexandre Roque wollen wachsen, am liebsten international.
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Lionel Ebener hat lange an dieser einen Idee herumgedacht. Neu und disruptiv muss sie sein, ein bisschen wie Airbnb und Uber. Eine Idee also, die bestehende Geschäftsmodelle so richtig über den Haufen wirft. Eine Idee auch, mit der man beliebig wachsen kann, in der Schweiz, im Ausland.

Dann traf er den Informatiker Alexandre Roque, dann kam Corona und mit der Seuche der zündende Gedanke. Büroflächen. Die beiden wollen nichts weniger als das Airbnb der Büroflächen werden. Open2work war geboren.

Viele Arbeitsplätze sind seit Jahren unbesetzt, mit Corona wurde der Leerstand noch offensichtlicher. Andererseits zeigte sich durch Covid-19, dass eine zu hohe Dosis Homeoffice vielen Menschen nicht guttut. Sie brauchen Kontakte und Austausch, sie wollen ins Büro. Vielleicht nicht jeden Tag, doch zwei-, dreimal in der Woche. Weg vom Familientisch, hin zu den Kollegen.

Vermittlung von freien Büroplätzen

«Wir verbinden die beiden Seiten», sagt Ebener, 36 Jahre alt, Ökonom, durch die Beraterschule gegangen. Die Lage der Welt kommt Open2work entgegen. Viele Firmen haben mehrjährige Verträge für Büroräume abgeschlossen. In diesen Tagen ist das Brachland, ungenutzt und hinausgeworfenes Geld. Darum wollen die Unternehmen ihre leeren Büroflächen möglichst unkompliziert vermieten. Kleine Firmen wiederum möchten und können nicht diese langen Verträge abschliessen, schon gar nicht in diesen Zeiten.

Also vermittelt Ebener. «Eine Win-win-Situation», sagt er. Die Plätze können tageweise gebucht werden, einzeln oder für ganze Teams, für 25 Franken pro Person und Tag. 20 Prozent des Preises geht an Open2work. Bisher umfasst das Angebot 16 Standorte in Zürich, Tendenz steigend. Es reicht bis zu Büroflächen mit 30 Plätzen und Sitzungsräumen.

Wie das aussehen kann, sieht man mitten in Zürich bei der Firma Brixel. Gute Lage, hohe Räume, hell und modern, Sofas und Kaffeemaschine für alle. Hier hat sich Roman Bleichenbacher mit seiner Firma Codecheck AG eingemietet. Ihre 24 Angestellten arbeiten in Zürich und Berlin. Fürs Erste hat er konstant zwei Plätze gebucht, später will er erhöhen, das Unternehmen will wachsen.

Bleichenbacher hatte drei Bedingungen. Erstens: Flexibilität. Zweitens: Das Ambiente, die Lage und das Gefühl müssen stimmen. Drittens: der Preis. «Hier ist alles erfüllt», sagt er. Innerhalb von zwei Wochen hätten sie eine passende Bürofläche gefunden.

Bei einem anderen Unternehmen untergebracht: Das Büro von Brixel in Zürich.

Gastgeber Martin Angehrn hat nun fremde Leute im Haus. Dass nun plötzlich Rabauken im eigenen Büro wüten, befürchtet er nicht. Man spüre ziemlich schnell, ob es passt oder nicht. Er hat schon früher Arbeitsplätze an Firmen vermietet.

Nur einmal hätten die Gastarbeiter andauernd über den Lärm der anderen gemotzt, selber aber am lautesten diskutiert. Hat nicht funktioniert. «Es braucht einfach gegenseitigen Respekt, dann klappt das gut.»

Auf dem Markt gibt es bereits ähnliche Angebote, sogenannte Co-Working-Spaces, in denen Plätze zum Arbeiten gemietet werden können. «Wir sind anders», sagt Lionel Ebener. Er meint damit: mehr Standorte, optimale Arbeitsatmosphäre, kurze Kündigungsfristen und vor allem sehr flexibel.

Ähnliches sagen aber auch die Co-Working-Anbieter über sich, die sich zudem gerne als Netzwerkplattform beschreiben. Der Hauptunterschied liegt daher wohl eher im Risiko. Kommen bei den Co-Working-Spaces die Leute nicht, spüren sie das sogleich in der eigenen Kasse, die Fixkosten schlagen direkt auf die Erfolgsrechnung. Insofern arbeitet Open2work als Vermittler beinahe risikofrei.

Rekord bei den Start-ups

Ein aktueller Trend dürfte dem Start-up helfen. Trotz Corona sind die Zahlen der Neugründungen von jungen Firmen in diesem Sommer gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Gemäss dem Institut für Jungunternehmen wurden im Juni (+24 Prozent), Juli (+11 Prozent), August (+18 Prozent) und September (+18 Prozent) so viele Start-ups gegründet wie noch nie.

Nebst den Hofläden, Lieferdiensten und Onlineshops hätten viele andere Menschen die Chance der Selbstständigkeit wahrgenommen, sagt Simon May, Co-Geschäftsführer des Instituts. «Viele haben schon länger mit dem Gedanken geliebäugelt und nun Zeit gefunden, ihn zu präzisieren», sagt er.

Für ein Jungunternehmen sei gerade in der Gründerzeit ein Faktor bedeutsam: tiefe Fixkosten. Wichtigste Hebel: Lohn und Büromiete. Daher könne Open2work mit seinem flexiblen Angebot funktionieren.

«Sehr interessant» nennt das Projekt auch Michel Benedetti von Iazi, einem Beratungsunternehmen im Immobiliensektor. Er frage sich aber, ob sich die Firma genügend von der bereits bestehenden Konkurrenz abheben könne.

Bern, Basel, Lausanne sollen folgen

Diesen Zweifel kennt Lionel Ebener nicht. «Wir haben von Anfang eine grosse Nachfrage gespürt.» Aktuell laufen Verhandlungen mit mehreren Start-ups, die Flächen für bis zu zwanzig Mitarbeiter mieten wollen.

Und auch die Büroflächenakquise geht einfacher als gedacht. Ebener würde das nie so sagen, doch die Büroflächenbesitzer sind momentan am Verhandlungstisch am kürzeren Hebel. Ebener kann wählen.

Ein paar Monate alt ist Open2work, die Visitenkarte gedruckt, die GmbH gegründet. Bereits jetzt liebäugelt Open2work mit den Städten Bern, Basel, Lausanne. Bleibt die Frage: Ist die träge Schweiz überhaupt bereit für diese Idee? Ebeners Augen weiten sich – was für eine Frage. «Wenn nicht jetzt, wann dann?»