Schweizer Medtech-SzeneSie tüfteln an Lösungen für Rückenmarkverletzungen
Das Start-up Onward, das an der ETH Lausanne von zwei Forschenden gegründet wurde, holt an der Börse 93 Millionen Franken.
David Mzee ist so etwas wie die Visitenkarte von Onward. Der Sportbegeisterte träumte von einer Karriere als Profifussballer. Im November 2010 passierte es. Bei seiner Ausbildung zum Sportlehrer wollte er einen Mehrfachsalto machen und lag Sekunden später am Boden. Er spürte seinen Körper nicht mehr. David Mzee war querschnittgelähmt.
Heute kann der 33-Jährige am Rollator wieder Schritte machen. Er liess sich einen Chip in den Rücken in seine Wirbelsäule implantieren. Der Chip stimuliert seine Beine. Mzee war eine von drei Testpersonen des 2014 vom Franzosen Grégoire Courtine und der Schweizerin Jocelyne Bloch an der ETH Lausanne gegründeten Start-ups Onward. Die beiden Wissenschafter leiten heute das Forschungszentrum Neurorestore, an dem auch das Unispital Lausanne beteiligt ist.
Onward entwickelte eine nicht invasive Therapie namens ARC-EX sowie die Implantatslösung namens ARC-IM, wie sie David Mzee hat. Mit der gezielten Stimulation des Rückenmarks konnten Patienten innerhalb einer Woche gestützte Gehversuche auf einem Laufband oder gar gestütztes Laufen auf dem Boden unternehmen. Nach fünfmonatigem Training konnten die Patientinnen ihre Beine auch ohne die Stimulation bewegen.
Die Therapieformen sind von der US-Arzneimittelbehörde FDA als «bahnbrechend» bezeichnet worden. Das Start-up rechnet mit einer FDA-Zulassung innerhalb der nächsten zwei Jahre. In 15 Ländern sollen klinische Studien an über 60 Personen gemacht werden.
Laut Onward sollen die Versuche zeigen, dass mit der ARC-Methode nicht nur das Stehen und Gehen ermöglicht wird, sondern möglicherweise auch die Spastik reduziert sowie die sexuellen Funktionen und die Kontrolle der Blase und des Darms verbessert werden können.
Doppelsitz in den Niederlanden und in der Schweiz
Um die weitere Forschung und Entwicklung zu finanzieren, ist Onward nun an die Börse gegangen. Die Wahl fiel auf Euronext in Brüssel. Begleitet wurde Onward von zwei belgischen Finanzinstituten. Die knapp sechs Millionen neuen Aktien werden dem Unternehmen 87 Millionen Euro (rund 93 Millionen Franken) in die Kasse spülen. Der Handel soll am 22. Oktober starten. Die Marktkapitalisierung liegt nun bei rund 407 Millionen Franken. Das Unternehmen hat einen Sitz in Eindhoven in den Niederlanden und einen im Innovationspark der ETH Lausanne. Derzeit umfasst Onward 72,5 Vollzeitstellen. Im Verwaltungsrat sitzt Mitgründer Grégoire Courtine.
Zu den Angestellten gehört auch David Mzee. Der Absolvent der ETH Zürich besitzt auch ein Lehrdiplom für Maturitätsschulen. In seiner Freizeit spielt er in der Schweizer Nationalmannschaft für Rollstuhlrugby.
«Das Ziel, freihändig laufen zu können, grenzt an Wahnsinn.»
Im August gab Mzee auf dem Newsportal der ETH-Alumni-Vereinigung ein Interview. Auf die Frage, wie es mit seiner Therapie weitergehe, antwortete er: «Das Ziel, freihändig laufen zu können, grenzt an Wahnsinn.» Aber: «Du musst das Unmögliche probieren, um das Mögliche zu ermöglichen.» Er werde auf jeden Fall weitertrainieren und alles dransetzen, um diese Forschung zu unterstützen.
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