Fussball-EM der FrauenSie spürten schon auf dem Platz, dass sie jetzt überrannt würden
Nach dem 2:2 zum Start gegen Portugal spricht Ana-Maria Crnogorcevic über ihr Gefühl auf dem Rasen – und ihren Fitnessstand.
Sie hatte schon in der Kabine davor gewarnt. Als die Schweiz gegen Portugal zum EM-Start dank zwei früher Treffer zur Pause 2:0 führt, warnt Ana-Maria Crnogorcevic ihre Mitspielerinnen vor einem portugiesischen Furioso in der zweiten Halbzeit: «So dumm das auch tönen mag: Aber ich sage schon immer, dass ein 2:0 die undankbarste Führung ist.»
Die 31-Jährige sitzt an diesem sommerlichen Sonntagmittag in Garten des Teamhotels, die Strapazen vom Vortag sind ihr noch anzusehen. Ihre Stimme ist schwerer als üblich, zu Beginn sind die Antworten knapper. Auf ihr 136. Länderspiel, damit überholt sie Lara Dickenmann als Rekord-Nationalspielerin, will sie kaum eingehen, sie hat andere Sorgen. Beispielsweise was ihren gesundheitlichen Zustand betrifft, aber auch den mag sie nicht genauer erläutern. Nur so viel: Mehrere Tage sei sie im Bett gelegen, habe dadurch viele Trainings verpasst. Und auf die Frage, ob sie denn mittlerweile ihr gewohntes Fitnesslevel erreicht habe, antwortet sie sofort: «Definitiv nicht, nein!» Das sei ihr aber schon von Anfang an klar gewesen: «Ich weiss, wo ich herkomme. Ich bin froh, dass ich überhaupt spielen konnte.»
Für die anstehenden Matchs gegen Schweden und die Niederlande, zwei Teams, die zum Kreis von Anwärterinnen auf den Titel zählen, macht das nicht viel Mut, zumal mit Lia Wälti eine weitere Teamstütze mit körperlichen Beschwerden zu kämpfen hat. Gegen Portugal hielt die Kapitänin, die sich vor drei Wochen am Oberschenkel verletzte, immerhin bis zur 90. Minute durch, danach räumte sie das Feld. Freiwillig, sie habe gespürt, dass sie keine Sprints mehr machen könne.
«Ich lasse doch mein Team nicht im Stich»
Crnogorcevic selber biss sich durch, obwohl auch sie merken musste, dass sie weniger Einfluss nehmen konnte, als man sich von einer Nationalteam-Rekordtorschützin erhoffen würde. Dennoch war es für sie keine Option, sich frühzeitig auswechseln zu lassen: «Ich lasse doch mein Team nicht im Stich und sage nach 60 Minuten: ‹Hey Frauen, ich geh dann mal, macht ihr selber fertig›, nur weil es etwas anstrengend ist. Das wäre fatal!» Ausserdem sei das auch nicht ihre Aufgabe: «Wenn mich der Trainer rausnehmen will, habe ich noch nie ein Drama daraus gemacht.»
Doch gerade gegen Portugal steht Nils Nielsen nicht gerade im Verdacht, besonders wechselfreudig zu sein. Nach der Partie sollte er sich selber dafür kritisieren und zugeben, dass er zu spät reagiert habe. 75 Minuten dauert es, bis er Lara Marti für Sandy Maendly bringt, dafür Géraldine Reuteler ins Zentrum nimmt und die Mitte stärkt. Dieses Zögern überrascht, weil Crnogorcevic sagt, die Spielerinnen hätten auf dem Platz sofort gemerkt, dass Portugal zur Pause umgestellt habe, und die Schweiz habe deshalb den Zugriff aufs Spiel komplett verloren.
Weil die Impulse von aussen fehlten, mussten die Spielerinnen selber entscheiden: Greifen sie höher an? Dann müssen die defensiveren Linien mehr Risiko eingehen und höher stehen. Oder warten sie hinten und überlassen den Gegnerinnen das Spieldiktat? Kurz nach Spielschluss erzählt Coumba Sow von ihrer Verwirrung, weil sie nicht wusste, ob sie jetzt die ballführende Gegnerin attackieren oder die in ihrem Rücken frei stehende Mittelfeldspielerin decken sollte. «Wir kamen auf keinen gemeinsamen Nenner», erklärt Crnogorcevic. Die Konsequenz? «Die Portugiesinnen hatten viel Platz und konnten in Ruhe die Bälle hinter unsere Abwehr spielen.»
Der Rückstand zur Spitze wird immer grösser
Der Frust über dieses am Schluss sogar noch schmeichelhafte 2:2 gegen den leichtesten Gruppengegner ist Crnogorcevic also auch 17 Stunden nach Abpfiff noch deutlich anzumerken, sie macht sich gar nicht erst die Mühe, etwas schönzureden. «In den letzten Jahren ist der Abstand zu den Besten immer grösser geworden, definitiv.» Teams wie Portugal, das vor wenigen Jahren noch mindestens einen Entwicklungsschritt unter der Schweiz war, auf Augenhöhe zu begegnen, sei mittlerweile einfach die Realität: «Das muss man ganz klar so sagen.»
Trotz dem ernüchternden Start hat sich für Crnogorcevic die Ausgangslage in der Gruppe kaum geändert: «Einen Grossen schlagen müssen wir sowieso.» Mit Schweden, Weltnummer 2 und Olympia-Silbermedaillengewinner, wartet am Mittwoch (18 Uhr) zuerst die grösstmögliche Hürde. Und dennoch gibt Crnogorcevic die Hoffnung nicht ganz auf. Auf die Frage, wann es für sie ein gutes Turnier sei, sagt sie: «Wenn wir uns für den Viertelfinal qualifizieren. Aber natürlich ist uns absolut klar, wie schwierig das sein wird.»
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