Sorgen um die mutige IranerinSie klettert ohne Kopftuch – jetzt wird sie vermisst
Iranische Sportlerinnen müssen jederzeit ein Kopftuch tragen – im Ausland erst recht. Bei einem Wettkampf probt Elnaz Rekabi den Aufstand. Das Regime reagiert umgehend.
Grosse Sorgen um die iranische Kletterin Elnaz Rekabi. Wie die BBC meldet, kann die 33-Jährige von ihren Angehörigen seit Sonntagabend nicht mehr erreicht werden und gilt derzeit als vermisst. Wo sie sich aufhält, ist unbekannt. Sie und das restliche iranische Team hätten das Hotel in Seoul überstürzt verlassen, wo sie für die Dauer der Asien-Meisterschaft im Sportklettern einquartiert waren. Wie es weiter heisst, soll der Reisepass der 33-Jährigen eingezogen worden sein. Die BBC beruft sich auf Freunde und die Familie.
Die regierungskritische News-Website IranWire meldet am Montag, dass Rekabi anonymen Quellen zufolge ins berüchtigte Ewin-Gefängnis in Teheran gebracht werden soll und sich auf der iranischen Botschaft in Seoul befindet.
Die Nachricht kommt nur einen Tag nach ihrer aufsehenerregenden Aktion, im Final des Kletter-Events in der südkoreanischen Hauptstadt ohne Kopftuch anzutreten. Wie für alle Iranerinnen ist für sie das Tragen eines Hidschabs in der Öffentlichkeit allerdings Pflicht. Seit 1979 schon, seit der Islamischen Revolution. Dieses Gesetz gilt auch für alle iranischen Sportlerinnen, ganz besonders bei Wettbewerben im Ausland. Wer dagegen verstösst, dem droht der Ausschluss aus dem entsprechenden Nationalteam. Mindestens.
Rekabi, die beste Kletterin des Landes, missachtete die patriarchische Regel ganz bewusst, als sie den Hidschab kurz vor ihrem Auftritt in Südkorea vom Kopf zog und sich stattdessen mit einem dunkelblauen Stirnband anschickte, die Kletterwand zu bewältigen. Sie erreichte den Final im abschliessenden Event Bouldern & Lead und verpasste als Vierte das Podest nur knapp.
Mit voller Härte durchgegriffen
Doch nicht das Resultat machte weltweit die Runde, sondern ihre Weigerung, den Hidschab noch länger zu tragen. Sie reiht sich damit ein in die Proteste, die seit einigen Wochen im Iran zu beobachten sind – und dem sich zunehmend auch Männer anschliessen. Auslöser war der bis heute unaufgeklärte Tod der 22-jährigen Mahsa Amini. Die junge Frau war im vergangenen Monat von der Sittenpolizei festgenommen worden, weil ihr Kopftuch leicht verrutscht war und Haarsträhnen zu sehen waren. Weitere junge Frauen wurden im Laufe der Proteste gewaltsam umgebracht, bei Protesten gab es Dutzende Tote. Das Regime geht mit voller Härte gegen seine Kritikerinnen vor.
Dass Rekabi sich so prominent den Protesten anschliesst, kommt nicht überraschend. Schon früh begehrte sie gegen die Diskriminierung auf, der sich Frauen im Iran ausgesetzt sehen. Gerade auch in Interviews mit ausländischen Medien nahm sie sich selten zurück. «Mein grösstes Problem ist, dass ich nicht richtig trainieren kann. Es gibt keine Klettertrainerinnen, und keine Frau im Land ist so gut wie ich. Aber mit Männern darf ich nicht trainieren», sagte sie 2016 zum Infosender Euronews.
Zudem störe es sie, mit Kopftuch zu klettern: «Es ist ein wenig bizarr, bei hohen Temperaturen in Innenräumen zu klettern und dabei lange Ärmel und ein Kopftuch zu tragen. Wenn es heiss ist, wird der Hidschab zum Problem.» Zuletzt kletterte sie mit einem sogenannten Hidschood, einer Kombination aus Schleier und Kopfbedeckung.
Der internationale Sportkletterverband IFSC spielte vor ein paar Jahren mit dem Gedanken, Kopfbedeckungen an Wettkämpfen zu verbieten. Er sah davon ab, weil es kontraproduktiv sein könnte, erklärte seinerzeit Christophe Billon. Der technische Direktor des IFSC sagte: «Wir wissen, dass iranische Frauen einen Hidschab tragen müssen. Also akzeptieren wir das, weil wir wollen, dass iranische Frauen bei uns klettern können.» Der Sport wurde 2021 ins olympische Programm aufgenommen.
Rekabis Äusserungen waren stets ohne Folgen geblieben, aber das scheint sich jetzt geändert zu haben, da sie den Mut gefunden hat, das Kopftuch abzulegen. Während ihre Aktion auf Twitter gefeiert wird und sie aus aller Welt Applaus und Unterstützung erhält, reagieren iranische Medien empört. «Bleibt abzuwarten, wie das Sportministerium auf diese Aktion reagieren wird», zitiert die Deutsche Presse-Agentur am Montagvormittag die regierungsnahe Zeitung «Hamshahri».
Die Frage klärt sich bereits am späten Montagabend.
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