Afghanische JournalistinSie interviewte Taliban im TV – nun musste sie fliehen
Journalistin Beheshta Arghand führte historische Interviews mit den Islamisten und mit Nobelpreisträgerin Malala. Dann wurde ihr die Gefahr aber zu gross.
Kurz nach der Machtübernahme der Taliban in Kabul ging ihr Bild um die Welt, als sie im Fernsehstudio von Tolo News einen Talibanvertreter zu einem Interview empfing. Während viele Frauen von der Arbeit abgehalten wurden oder aus Furcht vor den Islamisten zu Hause bleiben mussten, ging Beheshta Arghand weiter ihrer Berufung nach. Ihr mutiges Gespräch mit dem Talibansprecher war historisch, nie zuvor interviewte eine Frau einen der Islamisten im afghanischen Fernsehen.
Zwei Tage später legte die 24-Jährige nach und sprach mit der pakistanischen Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai. Gemäss Tolo News war es das erste Interview überhaupt, welches die Kinderrechtsaktivistin im afghanischen Fernsehen führte. Und für die Taliban kaum erfreulich, schliesslich steht Malala auf ihrer Abschussliste, 2012 verübten sie ein Attentat auf sie. Trotz Schüssen aus kurzer Distanz überlebte Malala den Mordanschlag der Islamisten.
Frauen wollen arbeiten
Für Arghand waren die beiden Interviews ein Coup in ihrer noch jungen Karriere. Sie hatte erst wenige Wochen zuvor begonnen, beim Sender zu arbeiten. Sie studierte vier Jahre Journalismus an der Universität von Kabul und arbeitete währenddessen und danach für Radiostationen oder Agenturen. Bei Tolo News gelang ihr der Durchbruch, auf den sie seit der Schulzeit hingearbeitet hatte. Genauer gesagt, seit ein Lehrer sie im Unterricht die Nachrichten vorlesen liess und sie dadurch ihren Berufswunsch fand.
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Kaum bei Tolo News gestartet, breiteten sich aber die Taliban im Land aus und erreichten schliesslich auch Kabul. Arghand blieb aber standhaft, wie sie CNN schrieb. Der US-Nachrichtensender hatte via Whatsapp Kontakt zu der jungen Journalistin. Sie schrieb, dass sie weitermachte, um zu zeigen, dass die Frauen arbeiten wollen. «Wären wir alle zu Hause versteckt geblieben, hätten sie einfach sagen können, dass wir nicht arbeiten wollten», erklärt sie. Deshalb ging sie ins Fernsehstudio und erlangte mit dem Talibaninterview grosse Aufmerksamkeit. «Ich sagte ihm, dass wir arbeiten wollen, dass wir unsere Rechte haben wollen, dass wir einen Platz in der Gesellschaft haben», schreibt sie CNN.
Sender verliert viele bekannten Gesichter
Ihr Appell nützte aber nicht viel, immer mehr ihrer Kolleginnen und Kollegen wurden von den Taliban bedroht. Einige Tage nach ihrem Interview mit Malala Yousafzai bat sie die UNO-Friedensbotschafterin um Hilfe. Die Gefahr für Beheshta Arghand war zu gross geworden.
Die 24-Jährige floh schliesslich in einem Transporter der katarischen Armee nach Doha. «Ich habe das Land verlassen, weil ich, wie viele Millionen meiner Landsleute, die Taliban fürchte», schrieb sie CNN.
Für Tolo-News-Besitzer Saad Mohseni ist ihr Abgang Teil eines riesigen Problems, welches seinen Sender trifft. Praktisch alle seine bekannten Reporter hätten das Land verlassen, mit Unterstützung des Senders. Tolo News kümmere sich einerseits um die Flucht der Journalistinnen, müsse aber gleichzeitig auch passenden Ersatz suchen. Die Taliban würden sich der Welt zwar gemässigt präsentieren, aber viele Journalisten in Kabul würden gleichzeitig von den Islamisten eingeschüchtert.
«Ich will zurückgehen und für mein Land und mein Volk arbeiten.»
Das geht gemäss vielen Berichten auch anderen Frauen so. Es heisse zwar, dass sie weiterarbeiten dürfen, viele von ihnen werden dann aber doch daran gehindert. In anderen Grossstädten wie Herat oder Kandahar wurden Frauen gleich ganz ausgeschlossen, ihre männlichen Verwandten sollten ihre Positionen übernehmen, auch ohne jegliche Berufserfahrung.
Arghand verspricht derweil, dass sie zurück nach Kabul gehen will. «Sobald die Lage sich beruhigt hat, sobald sichergestellt ist, dass wir in Sicherheit arbeiten können, werde ich zurückgehen und für mein Land und mein Volk arbeiten», sagt die Journalistin.
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