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Nach dem Abzug aus Afghanistan
Nun wollen die USA Terroristen mit Drohnen jagen

Die Gefahr lauert überall: Ein Taliban-Kämpfer neben dem Auto, aus dem IS-Attentäter Raketen auf den Flughafen abgefeuert haben.  
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Drei akute Bedrohungen hatte das US-Militär für den Hamid Karzai International Airport gesehen. Mit dem Raketenangriff auf den Flughafen von Kabul am Montagmorgen haben sich alle drei Befürchtungen bewahrheitet. Zuerst das verheerende Selbstmordattentat der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) vom Donnerstag mit mehr als 180 Toten, bei dem Schützen mit automatischen Waffen das Chaos nach der Detonation nutzten, um noch mehr Menschen zu ermorden.

Am Sonntag dann ein versuchter Selbstmordanschlag mit einer Autobombe. Eine US-Drohne griff mit einer Rakete das Auto an, in dem sich laut den Taliban drei Selbstmordattentäter befanden. Laut dem US-Militär hatten sie sich dem Flughafen der afghanischen Hauptstadt genähert und stellten eine unmittelbare Bedrohung dar. Der Sprengstoff, den die Terroristen in das Auto gepackt hatten, detonierte und verursachte eine massive Explosion. Der lokale TV-Sender Tolo News berichtete am Montag, dabei seien mindestens zehn Zivilisten getötet worden, unter ihnen Kinder. Das US-Militär untersuchte das noch.

Abwehrsystem fing fünf der Flugkörper ab

Und nun als Drittes noch Raketen. Ein am Flughafen stationiertes taktisches Abwehrsystem fing fünf der Flugkörper ab, die aus einem Autos heraus abgefeuert worden waren. Taliban-Kämpfer inspizierten das ausgebrannte Fahrzeug auf einer Strasse mitten in der Stadt, verhindert haben sie die Attacke nicht, bei der nach vorläufigen Angaben des US-Militärs zumindest auf dem Flughafen niemand zu Schaden kam. Eine sechste Rakete schlug ausserhalb des Geländes ein und zerstörte ein Auto; Anwohner berichteten zudem, ihre Häuser seien von Schrapnell getroffen worden.

Was sich daraus ablesen lässt: Die Sicherung des Flughafens von Kabul ist schwierig, doch diese Sicherheit ist unerlässlich, wenn man ihn zivil weiterbetreiben will. Und zwar selbst dann, wenn die Taliban die Hauptstadt besser in den Griff bekommen würden. Die Türkei, die vor dem Kollaps der afghanischen Regierung den Betrieb vom US-Militär übernehmen sollte, sieht darin das grösste Hindernis. Ohne eigene Sicherheitspräsenz, heisst es in Ankara, sei die inzwischen auch von den Taliban erbetene technische Hilfeleistung kaum zu erbringen. «Wie können wir die Sicherheit den Taliban überantworten?», fragte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Sonntagabend. «Wie würden wir es der Welt erklären, wenn sie die Sicherheit übernehmen und es dann dort zu einem weiteren Blutbad kommt? Das ist kein einfacher Job!»

Spuren der Zerstörung: Beim Selbstmordattentat auf den Flughafen starben letzte Woche über 180 Menschen. 

Zum Schutz des Geländes, das für Raketen und Mörsergranaten ein einfaches Ziel ist, käme die Kontrolle der Passagiere in den Terminals und bei der Abfertigung des Gepäcks, damit sich keine Attentäter einschleichen und keine Bomben in ein Flugzeug geschmuggelt werden können. Beschuss mit Raketen ist zudem eine Bedrohung für startende und landende Maschinen. Die Amerikaner haben Drohnen und geheimdienstliche Mittel eingesetzt, um die Lage zu überwachen – doch den Anschlag am Donnerstag konnten sie nicht verhindern.

Frankreich und Grossbritannien haben die Idee einer UNO-Sicherheitszone in Kabul aufgebracht.

Als denkbar gilt der Einsatz ehemaliger türkischer Soldaten. Frankreich und Grossbritannien haben überdies die Idee einer UNO-Sicherheitszone in Kabul aufgebracht, die auch Schutzbedürftigen weiter einen Weg aus Afghanistan heraus bieten soll. Völlig unklar ist aber noch, wer diese Zone sichern würde. Die Vereinten Nationen selbst? Militär aus muslimischen Staaten? Bislang lehnen die Taliban jegliche ausländische Militärpräsenz ab. Deswegen hatte auch das Nato-Mitglied Türkei seine Soldaten abgezogen.

Laut dem türkischen Aussenminister Mevlüt Çavuşoğlu müssten am Flughafen sowohl die Rollbahnen als auch die Terminals und der Tower instand gesetzt werden, weil sie teils schwer beschädigt sind. Dafür sei «Personal nötig und auch Ausrüstung», sagte er, und auch Material zur Abwicklung des Flugverkehrs wäre nötig, das etliche Millionen kosten würde. Ob die Türkei bereit ist, unter den derzeitigen Bedingungen beides nach Afghanistan zu schicken, ist offen. Auch Katar, das in seiner Hauptstadt Doha nach wie vor einen Teil des politischen Büros der Taliban beherbergt, ist in die Verhandlungen einbezogen.

Ein Sprecher der nach wie vor offiziell als Terrororganisation eingestuften Extremistengruppe sagte, es sei noch nicht klar, ob man die Türkei oder Katar überhaupt brauche, um den Flughafen zu betreiben. Nach seinen Worten verfügen die Taliban über ein Expertenteam, das in der Lage sei, die Technik zu bedienen.

Drohnen mit speziellen Raketen bestückt

Und noch eines zeichnet sich nach den Attacken auf den Flughafen zumindest in Umrissen ab: Wie die USA künftig versuchen könnten, den IS in Afghanistan zu bekämpfen, der anders als die Taliban auch international Ziele verfolgt. Der Vergeltungsangriff auf zwei führende Köpfe des Islamischen Staats, die für die Planung des Selbstmordanschlags vom Donnerstag verantwortlich sein sollen, gilt als Muster: Sie wurden am Sonntag bei einem Drohnenangriff getötet.

Dabei kam eine spezielle Rakete zum Einsatz. Die Hellfire RX9 trägt keinen gewöhnlichen Gefechtskopf, der mit Sprengstoff bestückt ist. Sie triff ihr Ziel allein mit der kinetischen Energie und sechs Metallklingen, die kurz vor dem Einschlag aus der Rakete ausfahren. Das soll vermeiden, dass Unbeteiligte zu Schaden kommen. Videoaufnahmen vom Ort des Angriffs zeigen das Tuk-Tuk, ein dreirädriges Gefährt, mit dem die Männer unterwegs waren: Es ist anders als bei einem normalen Raketentreffer noch einigermassen intakt.

Der Kampf gegen Terrorismus wird schwierig: Nach dem Abzug von Geheimdienstlern und Soldaten wird es den USA auch an Informationen fehlen.

Allerdings haben sich die USA bisher im Kampf gegen Terrorismus in Afghanistan wesentlich auf Informationen von Geheimdienstlern und Soldaten im Land gestützt, auf Hinweise der afghanischen Sicherheitskräfte. All das fehlt künftig. Das Bild über die Lage ausserhalb von Kabul beginnt bereits, sich einzutrüben. Satelliten, Drohnen und Kommunikationsüberwachung können ein Netz menschlicher Quellen nicht ersetzen. Eine Option wäre, die Taliban im Kampf gegen den noch weit extremeren IS zu unterstützen. Die US-Streitkräfte haben in begrenztem Umfang Erkenntnisse über den Ableger, der sich selbst «Provinz Khorasan» nennt, an die Taliban weitergegeben, wie der Befehlshaber des für Afghanistan und den Nahen Osten zuständigen Regionalkommandos des US-Militärs, General Kenneth McKenzie, jüngst einräumte.

Allerdings haben die Taliban selbst eine Zusammenarbeit mit den Amerikanern über den endgültigen Abzug hinaus am Dienstag abgelehnt und auch die Drohnenangriffe kritisiert. Die Taliban seien in der Lage, der Bevölkerung Sicherheit zu garantieren und präzise und zuverlässige Informationen über Terrorgruppen wie den IS zu sammeln und diese zu bekämpfen, sagte einer ihrer Sprecher, Zabihullah Mujahid. Mit dem IS sind die Taliban verfeindet. Zum Terrornetzwerk al-Qaida dagegen, das ebenfalls in Afghanistan präsent bist, halten einigen von ihnen weiter enge Kontakte.

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