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Doku über Ghislaine Maxwell
Sie hielt das System Epstein am Laufen

Vom Märchen- zum Verbrecherpaar: Ghislaine Maxwell und Jeffrey Epstein, als es für die beiden noch etwas zu feiern gab.
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«Once upon a Christmas time ...», erzählt eine Männerstimme aus dem Off, wie ein Märchen beginnt die Dokumentation über Ghislaine Maxwell, dazu Klaviermusik und Bilder eines weihnachtlich dekorierten britischen Landhauses. Ein Mädchen, fünf Jahre alt, schmückt den Baum, «Ghislaine», stellt der Erzähler vor. Eigentlich ist man vorbereitet, schliesslich gehört zu jedem Märchen das Böse, und die Doku «Wer ist Ghislaine Maxwell?» von Erica Gornall weist ja schon im Titel darauf hin, wer hier der Böse ist beziehungsweise: die Böse. Aber dass auch «die Böse» mal ein Kind war, das vergisst man ja immer. Bis man es sieht.

Und was die kleine Ghislaine später verbrechen wird in ihrem Leben. Sie wird erwachsen und Jeffrey Epsteins Lebensgefährtin werden, zwischen England, Jachten und New York. Sie wird ein Leben in der Highest Society führen, während sie Epstein über Jahre hinweg junge, manchmal minderjährige Frauen organisiert, die der Multimillionär missbraucht. Sie wird ein Netz von Abhängigkeiten und falscher Vertrautheit spinnen, aus dem die Opfer sich kaum lösen können.

Ihr Mann wird auffliegen und wenig später tot in seiner Zelle liegen. Sie wird auffliegen, vor Gericht die Vorwürfe bestreiten und im Juli 2022 wegen Menschenhandel mit Minderjährigen zu 20 Jahren Haft verurteilt werden. Dieses Leben liegt also an diesem Weihnachtsabend vor der kleinen Ghislaine.

Mal schmeichelnd, mal dominant – was eben besser manipulierte

«Wer ist Ghislaine Maxwell?» Es gab früher schon Versuche, diese Frage filmdokumentarisch zu beantworten. Aber weil sich Gornall in «Wer ist Ghislaine Maxwell?» nicht ausschliesslich den Verlockungen des True-Crime-Voyeurismus hingeben will, sondern tatsächliches Interesse an der Person Ghislaine Maxwell mitbringt, erfährt man einiges Neues. Zum Beispiel über ihr schwieriges Verhältnis zu ihrem Vater, einem Patriarch und Medienmogul, der Ghislaine zwar kaum einen Wunsch ausschlagen konnte, aber so etwas wie bedingungslose Liebe zu seinen Kindern wohl nicht kannte. Wie sehr Maxwell sein Tod mitgenommen hat, wie wichtig ihr wohl ein «zentraler» Mann in ihrem Leben war, als sie Epstein kennen lernte.

«Ghislaine war dabei sehr entspannt, es sollte ein Geschenk sein, das sie uns machte.»

Nicola Glucksmann

Filmemacherin Gornall hat für die Doku (ehemalige) Freunde, Bekannte, Rivalen und Weggefährten vor der Kamera zum Erzählen gebracht. Zum Beispiel Nicola Glucksmann, eine «Bekannte», die von einer Dinnerparty erzählt, zu der Maxwell eingeladen hatte. Irgendwann, das Essen war abgetragen, verkündete Maxwell, es sei Zeit für ein «Spiel»: Die Männer verbanden sich die Augen, die Frauen entblössten ihre Brüste. Anhand von Form und Gewicht sollten die Männer die Frauen an den Brüsten erkennen. 

«Ghislaine war dabei sehr entspannt, es sollte ein Geschenk sein, das sie uns machte», erinnert sich Glucksmann. «Man muss bedenken, dass eine Frau dieses Spiel vorschlägt, das macht es den anderen Frauen sehr schwer, nicht mitzuspielen.» Es sei eine Art «Gruppenzwang für Erwachsene» entstanden.

Schon während ihrer Studienzeit in Oxford organisierte Maxwell Partys, war eine Persönlichkeit bei den Events des studierenden britischen Geldadels, erzählen Mitstudenten. Ghislaine, das beschreiben die Interviewten, zeigte sich damals schon als Strippenzieherin, die mal schmeichelnd, mal dominant ihren Mitmenschen gegenüber auftrat. Je nachdem, was erfolgversprechender manipulieren würde.

So reihen sich Anekdoten aneinander, und man beginnt zu ahnen, wie Ghislaine Maxwell wohl tickt, wie gross ihre Fähigkeit zur Verführung war. Und wie sie so das System Epstein am Laufen halten konnte.

Wer ist Ghislaine Maxwell?, aktuell in der ARD-Mediathek.